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1939: Kriegsvorbereitungen in Döllersheim

Am 1. September 1939 hat der Zweite Weltkrieg begonnen. In Niederösterreich haben die Vorbereitungen auf den Krieg bereits ein Jahr zuvor angefangen. Im Waldviertel, im sogenannten Döllersheimer Ländchen, haben die Nazis einen Truppenübungsplatz angelegt.

Im März 1938, nach dem „Anschluss“ Österreichs, machten sich viele Waldviertler Hoffnungen auf einen Aufschwung der Region, denn Adolf Hitler hatte in der Region familiäre Wurzeln. Damals berichtete auch noch die „Ostmark Wochenschau“ stolz über die „Heimat des Führers“ und zeigte die Orte, in denen Hitlers Vorfahren gelebt hatten: „Wir sehen das Geburtshaus der Großmutter, Anna Maria Schicklgruber, und das Geburtshaus des Vaters, Alois Hitler, ein Kleinbauernhaus in Strones.“ Bald darauf erließ Hitler ein Verbot, an den ehemaligen Wohnhäusern seiner Familie und Verwandten Gedenktafeln anbringen zu lassen. Die Waldviertler verloren ohnehin bald den Stolz und den Grund, ihre Region als die „Führerheimat“ zu bezeichnen.

Doch nur wenige Wochen später war alles vorbei. Etwa 7.000 Menschen in 42 Dörfern mussten ihre Häuser und Höfe verlassen. Der Grund: Die deutsche Wehrmacht plante, im Döllersheimer Ländchen, einem Landstrich zwischen Zwettl, Horn und Allentsteig, einen Truppenübungsplatz zu errichten.

„Wo sollen wir denn hingehen?“

In Interviews mit dem ORF Niederösterreich erinnerten sich 1988 Menschen, die 50 Jahre zuvor von der Aussiedelung betroffen waren, an die Ereignisse des Jahres 1938. Sie alle mussten damals mit ihren Familien ihre Dörfer verlassen, hatten aber in anderen Gemeinden des Waldviertels einen neuen Wohnsitz gefunden. Johanna Schaidl: „Jeder hat geschrien, dass es das nicht geben kann, dass sie uns von unseren Häusern verscheuchen. Wo sollen wir denn hingehen?“ Franziska Klein: „Es hat geheißen, Döllersheim und alle 42 Ortschaft müssen weg.“ „Jetzt sind wir schon so viele Jahre hier, schon unsere Großeltern, wo sollen wir denn hin. Es war wie eine kalte Dusche“, sagte Elfriede Schiller.

Döllersheim Familie vor Haus
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„Bei unserem Nachbarn war die erste Zusammenkunft. Da ist nur geweint worden, als wir den Ernst der Lage erfahren haben“, erzählte der von der Aussiedlung betroffene Friedrich Hochleitner.

Bereits im August 1938 waren die ersten Soldaten auf dem neuen Truppenübungsplatz im Döllersheimer Ländchen. Für die deutsche Wehrmacht war es schon längere Zeit klar, dass sie für die Umsetzung ihrer militärischen Pläne Möglichkeiten zur Vorbereitung braucht, erklärt Stefan Eminger vom Niederösterreichischen Landesarchiv: „Die Wehrmachtsgeneräle haben etwas Passendes gesucht. Im Bereich des Waldviertels haben sie so einen Platz gefunden: eine strukturschwache Region, relativ dünn besiedelt, relativ kleine Hofgrößen und eine relativ hohe Zustimmung zum Nationalsozialismus. Man hat sich dort den geringsten Widerstand erwartet.“

80 Jahre Zweiter Weltkrieg

Berichte über den Kriegsbeginn gibt es in „NÖ heute“ am 29. und 30. August sowie in „Menschen & Mächte spezial“ (ORF 2, 31. August, 17.05 bis 19.00 Uhr) mit dem Schwerpunkt der Ereignisse in den Bundesländern.

Christian Rapp, Wissenschaftlicher Leiter des Hauses der Geschichte in Sankt Pölten: „Gründe für die Schaffung des Truppenübungsplatzes waren auch, dass diese Gegend mit Wäldern und Wiesen möglichst abwechslungsreich war. Sie war aber auch verkehrstechnisch gut angebunden. Der Truppenübungsplatz gehörte zum Wehrbezirk XVII, der damals Nieder- und Oberdonau sowie Wien umfasste. Das heißt, man musste sowohl von Linz als auch Wien schnell den Truppenübungsplatz erreichen können.“

„Jeder hat auf sich schauen müssen“

Den Betroffenen im Döllersheimer Ländchen blieb damals nur wenig Zeit für die Aussiedelung. Sie mussten den Befehlen gehorchen, Widerstand war zwecklos, wie Johann Weixlberger im Jahr 1988 erzählte: „Man kann sagen, dass auch die hundertprozentigen Nationalsozialisten einen heimlichen Groll im Bauch mit sich getragen haben. Es war ihnen nicht alles eins, wenn sie ihre Heimat jetzt verlassen müssen.“ Friedrich Hochleitner: „Bei unserem Nachbarn war die erste Zusammenkunft, da ist nur geweint worden, als wir den Ernst der Lage erfahren haben.“ Auch Anton Jonas war einer der zahlreichen Betroffenen: „Jeder hat auf sich selbst schauen müssen, und keiner hat sich um den anderen gekümmert.“

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs gab es kurz Hoffnung, dass die Menschen in ihre Dörfer zurückkehren können. Doch bis 1955 war das Areal unter sowjetischer Verwaltung, 1957 übernahm es – in verkleinerter Form – das Österreichische Bundesheer.