Eine historische Telefonüberwachungsanlage
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Kultur

Spionage im Museum Niederösterreich

39 Fälle aus der Geschichte der Spionage zeigt das Haus der Geschichte im Museum Niederösterreich in St. Pölten in seiner aktuellen Ausstellung. Zu sehen sind interessante Exponate wie die legendäre Enigma-Chiffriermaschine des NS-Regimes oder Schmuck der Spionin Mata Hari.

Wenn James Bond in seinen Filmen einen Gegner mit einem umgebauten Skiistock oder einer Zigarettenattrappe erschießt, so ist das nicht weit hergeholt, wie die verblüffenden Ausstellungsstücke im Haus der Geschichte zeigen. Zu sehen sind unter anderem eine Abhörwanze, die als Cocktailkirsche getarnt im Glas schwimmt oder eine etwa zwei Zentimeter lange Mikro-Pistole aus österreichischer Produktion, Kaliber zwei Millimeter, die – mit einer Giftkugel geladen – durchaus tödliche Verletzungen hervorrufen kann, und bei dem das Opfer nur einen leichten „Mücken"stich verspürt.

Knopflochkamera aus dem 19. Jahrhundert
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Die Knopfloch-Geheimkamera (1886) wurde um den Hals getragen, nur das Objektiv ragte aus dem Knopfloch hervor

Betrachtet man die Unhandlichkeit der ersten Knopflochkamera, mit der das Bismarck-Reich die deutsche Sozialdemokratische Partei ausspionieren ließ und vergleicht sie mit heutigen Handykameras in Millimetergröße, so sticht vor allem der technische Wandel ins Auge, erklärt Christian Rapp, der Wissenschaftliche Leiter des Hauses der Geschichte.

"Aber als entscheidende Komponente – und das wollen wir in dieser Ausstellung auch vermitteln – bleibt immer noch der Mensch. Einzelne Menschen beschaffen die Informationen, einzelne Menschen sind das Ziel“, so Rapp. Und er ergänzt, dass es in der Ausstellung auch darum gehe, was eine Gesellschaft an Spionage zulasse. Dies zeige das System Metternich oder das jüngste Beispiel aus China, wo die wachsende Totalüberwachung mit „Wohlverhaltenspunkten“ von der Mehrheit der Bevölkerung offenbar gut geheißen werde.

Private Aktentasche Fürst Metternichs
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Fürst Metternichs persönliche Aktentasche

39 Fälle in Anlehnung an Hitchcock

Dass es nicht 40, sondern genau 39 Fälle sind, ist als Hommage an Hitchcocks frühen Spionagethriller „39 Stufen“ aus dem Jahr 1935 gedacht, erläutert Christian Rapp. Und gleich der Fall Nummer 1 weist starken Niederösterreich-Bezug auf. Er zeigt, dass schon früh in der Geschichte Spionage betrieben wurde. Der Tatort ist Carnuntum, die Spione heißen Frumentarii und sind aus der Berufsgruppe der Getreidehändler hervorgegangen. Sie kamen weit im Reich herum und verfügten über viele Kenntnisse und Informationen. Im zweiten Jahrhundert entwickelte sich aus den Frumentarii eine Spezialeinheit, die auch die Lizenz erhielt, unliebsame oder gefährliche Personen im Auftrag des Kaisers sofort zu töten.

Auch Fall Nummer zwei spielt in Niederösterreich im Jahr 1012. Der später heilig gesprochene Koloman wurde im damals politisch instabilen Weinviertel wegen seiner fremden Sprache und Kleidung für einen „Speculator“, einen Spion aus Ungarn oder Mähren gehalten. Seit langem gab es Konflikte mit den benachbarten Ungarn, die das Misstrauen der Bevölkerung schürten. Der Sage nach wurde er bei Stockerau eingesperrt und an einem Holunderstrauch erhängt.

Mit einem weiten Sprung in der Geschichte landet man beim Fall Nummer 21 in der Ausstellung: Die Geschichte eines Zollwachebeamten aus dem Weinviertel. In der frühen Zeit des „Kalten Krieges“ versuchte der Geheimdienst der CSSR (StB) österreichische Grenzer als Informanten zu gewinnen. Bei einem Kommandanten in Schrattenbach (Bezirk Hollabrunn) hatte der StB im Jahr 1955 Erfolg. Sein Deckname lautete „Dedek“, der Alte.

Gegenstände, die Geschichte(n) erzählen

Die persönliche Aktentasche Clemens Metternichs steht für den ausgeprägten Spionage- und Spitzelstaat unter Metternichs Herrschaft. Die Taschenuhr, die Oberst Alfred Redl, der legendäre Spion der k.u.k.-Monarchie, seinem Geliebten schenkte, ist ein Symbol für sexuelle Erpressbarkeit. Der Schmuck der weltberühmten Doppelagentin Mata Hari kann als Symbol gelten für das Geheimnisvolle, das viele Agenten umgibt. Sie wurde als orientalische Tänzerin in Paris sehr bekannt und nach einem fragwürdigen Prozess 1917 in Frankreich hingerichtet.

Brosche von Mata Hari in Form einer krone
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Brosche, die einst Mata Hari getragen hat

Eine spezielle Aura geht von den Geheimschriften und der Kunst des Chriffrierens aus. Die Zahl fünf mit 87 Nullen dahinter, so hoch sind die Möglichkeiten der berühmten Enigma-Maschine, mit der Funker des NS-Regimes ihre Nachrichten verschlüsselten. Ihr System galt als nicht zu knacken, bis es den Briten doch gelang. Diese Leistung trug entscheidend zum Ausgang des Zweiten Weltkrieges bei. Bereits der deutsche Universalgelehrte Gottfried Wilhelm Leibniz (1646 – 1716) hatte eine Verschlüsselungsmaschine entwickelt. Nachgebaut wurde sie aber erst im Jahr 2014.

Enigma Chiffriermaschine
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Enigma Chiffriermaschine: Nachlässigkeit der deutschen Wehrmacht ermöglichte die Entschlüsselung der Codes

Die Ausstellung „Spionage – 39 Fälle“ im Haus der Geschichte im Museum Niederösterreich ist die erste Schau in Österreich, die sich mit diesem Thema befasst. Deshalb ist der Bogen auch weit gespannt und umfasst historische Fälle aus aller Welt aber auch Beispiele der letzten Jahrzehnte, wie beispielsweise die Sprengung des Greenpeace-Schiffes „Rainbow Warrior“ durch den französischen Geheimdienst oder den Fall des Whistleblowers Edward Snowdon.