Bei so manchen Bürgerinnen und Bürgern St. Pöltens löste das Schlagwort „Domplatzprojekt“ zu Beginn der Ausgrabungen negative Gefühle aus. Begannen die Arbeiten im Stadtkern der Landeshauptstadt doch bereits im August 2010 und ein baldiges Ende schien zunächst nicht in Sicht. Das Bewusstsein über das Ausmaß und die Bedeutung der archäologischen Entdeckungen war bei einem großen Teil der Bevölkerung besonders am Anfang der Grabungen kaum vorhanden.
Das Team um den Stadtarchäologen Ronald Risy zieht allerdings bereits jetzt eine durchaus positive Bilanz: Als eines der bedeutendsten Resultate der Ausgrabungen hebt Risy die Entdeckung des spätantiken Verwaltungspalastes hervor, der dem zivilen Statthalter der Provinz Noricum Ripense im vierten Jahrhundert als Verwaltungssitz diente. Durch die historischen Arbeiten dieses Fundes, mit dem man nicht gerechnet habe, wurde bekannt, dass St. Pölten eine zentrale Rolle in der römischen Provinz gespielt hat. An der Stelle, an der heute die Altstadt St. Pöltens liegt, befand sich einst die römische Stadt Aelium Cetium.
Älteste bekannte Kirche Niederösterreichs freigelegt
Des Weiteren konnte eine der derzeit ältesten bekannten Kirchen Niederösterreichs freigelegt werden, berichtet der Archäologe Ronald Risy gegenüber noe.ORF.at. Diese stamme aus dem neunten Jahrhundert. Dem Domplatz kommt somit überregionale Bedeutung zu, heißt es auch von Seiten der Stadt St. Pölten.
An der Stelle des heutigen Domplatzes befand sich außerdem fast 1.000 Jahre lang ein Friedhof: 22.000 Skelette konnten dort freigelegt, dokumentiert und anthropologisch bestimmt werden. Das sei ein in Europa einzigartiger Fund, so Risy: „Auf diesem Friedhof sind Menschen vom neunten Jahrhundert bis hin ins Jahr 1779 bestattet worden.“
„AUSgegraben“ heißt es am Samstag
Am Samstag haben Interessierte von 9.00 bis 17.00 Uhr die Möglichkeit, sich ausführlich über die Ergebnisse der Ausgrabungen zu informieren und die Grabungsfläche ein letztes Mal aus nächster Nähe zu erleben, denn Ende November wird diese geschlossen. „AUSgegraben“ nennt sich die Veranstaltung, die vor allem Kritikerinnen und Kritikern des „Domplatzprojektes“ die Arbeit der Archäologinnen und Archäologen und ihre einzigartigen Ergebnisse näher bringen möchte, so Martin Koutny, Leiter des Medienservice St. Pölten. Anfeindungen vor allem zu Beginn der Arbeiten bezogen sich unter anderem auf die durch die Ausgrabungsstätte eingeschränkten Parkmöglichkeiten.
Weitere Aufarbeitung nach Ausgrabungen
Nach Ende der Ausgrabungen solle die historische und wissenschaftliche Aufarbeitung weiter fortgesetzt werden, heißt es von Seiten der Stadt St. Pölten, in welchem Ausmaß sei jedoch noch unklar. Auch Stadtarchäologe Ronald Risy erläutert, dass unter anderem abgewartet werden müsse, ob St. Pölten zur Europäischen Kulturhauptstadt 2024 ernannt werde. Eine diesbezügliche Entscheidung der zuständigen EU-Jury wird am 12. November gefällt.
Fest stehe allerdings, dass die über 22.000 Skelette eine human-biologische Datenbank darstellen, die einzigartig sei, so Rathaussprecher Koutny. Aus dem Datenmaterial des freigelegten Friedhofs könnten bedeutende historische sowie auch für die heutige Medizin wesentliche Rückschlüsse gezogen werden. Das endgültige Resultat der Grabungen wird nach der Finalisierung im November präsentiert: aber dann hat es sich wohl endgültig „AUSgegraben“.