Salzburger Festspiele Tod in Theben von Jon Fosse
APA/Barbara Gindl
ORF
Kultur

Jon Fosse, Dichter und Literaturstar, wird 60

Einer der wichtigsten europäischen Schriftsteller wird am Sonntag 60 Jahre alt: Jon Fosse. Der gebürtige Norweger hat sich vor allem als Dramatiker einen Namen gemacht. Fosse, der einen Wohnsitz in Hainburg an der Donau (Bezirk Bruck/Leitha) hat, wird immer wieder als Kandidat für den Literaturnobelpreis genannt.

„Es ist sinnlos, das Schreiben mit einer Absicht zu beginnen – sich etwa vorzunehmen, einen postmodernen, einen feministischen oder katholischen Roman zu schreiben oder mit einem Buch einen Haufen Geld verdienen zu wollen. Man muss sich ganz der Abgeschiedenheit und der Stille anvertrauen“, sagte Jon Fosse in einem Interview mit dem „Welt“-Journalisten Thomas David im Jahr 2016.

Ein „Beckett des 21. Jahrhunderts“

Oft wird der Autor als „Beckett des 21. Jahrhunderts“ bezeichnet, wird mit Samuel Beckett (1906-1989) verglichen, dem großen irischen Schriftsteller, der mit Theaterstücken wie „Warten auf Godot“ oder „Endspiel“ zu einem der bedeutendsten Schriftsteller des 20. Jahrhunderts wurde und 1969 den Literaturnobelpreis erhielt. „Viele suchen nach einem unverwechselbaren Stil. Jon Fosse hat ihn. Er ist wie der Hardanger-Fjord, wo Fosse aufwuchs, karg, klar und gewaltig. Fosse ist ein Ereignis. Man muss ihn lesen. (…) Es gibt kein Entkommen. Jon Fosses Werke funktionieren wie ein Bann, wie ein Fluch, wie ein Zauberspruch oder Segen, jedenfalls mythisch“, schrieb Christine Richard in der „Basler Zeitung über Fosse, der am Sonntag 60 Jahre alt wird.

Jon Fosse
ORF
Jon Fosse, einer der wichtigsten zeitgenössischen Theaterautoren und Schriftsteller, mit Wohnsitz in Hainburg an der Donau

Jon Fosse wurde am 29. September 1959 in der norwegischen Küstenstadt Haugesund geboren. Heute lebt er als freier Schriftsteller in Oslo und in Hainburg an der Donau. Seit 2011 genießt Fosse lebenslanges Wohnrecht in der „Grotte“, einer Ehrenwohnung des norwegischen Staates am Osloer Schlosspark. Mit Thomas Ostermeiers Inszenierung von „Der Name“ bei den Salzburger Festspielen 2000 setzte der internationale Erfolg des norwegischen Dramatikers ein. Im selben Jahr wurden Dramen des Autors u.a. auch am Deutschen Theater Berlin, an der Schaubühne am Lehniner Platz in Berlin, am Hamburger Thalia Theater und am Schauspielhaus Zürich gezeigt, für internationale Aufmerksamkeit war damit gesorgt. Im Jahr 2010 gab es bei den Salzburger Festspielen die Deutschsprachige Erstaufführung von „Tod in Theben“ (Foto oben).

Nach dem Studium der Vergleichenden Literaturwissenschaft war Fosse Dozent an der Akademie für kreatives Schreiben in Hordaland in Bergen. Seit Anfang der 1990er Jahre ist er freier Schriftsteller. 1983 erschien sein erster Roman „Rot, schwarz“, gefolgt von weiteren Romanen, Gedichtsammlungen, Essays und Kinderbüchern (darunter „Von Kötern, Kläffern und feinen Hundedamen“ und „Schwester“). 1994 wurde erstmals ein Stück von ihm aufgeführt, das Nationaltheater Bergen zeigte „Und trennen werden wir uns nie“.

Fosse im „kulturMontag“

Norwegens Star-Dramatiker und sein neuer Roman: Er zählt zu den ganz Großen der europäischen Gegenwartsliteratur.

Fosse-Dramen: Gespielt auf den wichtigsten Bühnen

Bis zum heutigen Tag schrieb Jon Fosse mehr als 30 Theaterstücke (dazu Opernlibretti und Adaptionen), die in über 50 Sprachen übersetzt wurden und weltweit gespielt werden. Der Autor erhielt für seine Werke zahlreiche internationale Preise wie etwa im Jahr 2000 den Nestroy-Theaterpreis in der Kategorie „Bester Autor“, in der Kritikerumfrage der renommierten Zeitschrift „Theater heute“ wurde er 2002 zum „besten ausländischen Autor des Jahres“ gewählt. In Frankreich wurde er als „Chevalier de l’Ordre National du Merite“ geehrt, 2010 bekam er den Internationalen Ibsen-Preis, 2014 den Europäischen Literaturpreis und ein Jahr später den Literaturpreis des Nordischen Rates, die wichtigste Auszeichnung für skandinavische Literatur.

Jon Fosse
ORF
Jon Fosse: Dramatiker, Lyriker, Opernlibrettist, Romancier und Essayist

Immer wieder wurde in den letzten Jahren Fosse genannt, wenn ein Preisträger für den Literaturnobelpreis gesucht wurde. Der syrische Dichter Adonis, der Japaner Haruki Murakami, der Albaner Ismail Kadare, der Italiener Claudio Magris und der Norweger Jon Fosse – diese Namen werden seit einiger Zeit immer wieder aufgezählt, wenn es um die Favoriten für den mit etwa 800.000 Euro dotierten renommiertesten Literaturpreis der Welt geht. Im Jahr 2016 lag Fosse bei den Buchmachern auf Platz sechs, damals entschied sich die Jury für Bob Dylan. Immer wieder heißt es, dass ein Dramatiker wieder einmal an der Reihe wäre, den Preis zu erhalten. Doch die Schwedische Akademie, die den Preisträger kürt, schrecke vor skandinavischen Kandidaten zurück. 2011 erhielt der schwedische Dichter Tomas Tranströmer den Nobelpreis.

Jon Fosse, der Katholik

„Die Schriftstellergeneration, der Jon Fosse angehört, führte in den 80er Jahren den Postmodernismus in Norwegen ein. Diese Stilrichtung sieht sich in einem bewussten Gegensatz zu der sozialkritischen Strömung der 70er Jahre. Bei Fosse zeigt sich das nicht in einem Hang zur Intertextualität, sondern eher in einem Hang zum Religiösen“, kann man in der Online-Enzyklopädie über Fosse lesen.

Mit 23 oder 24 Jahren sei er ein religiöser Mensch geworden, sagt der Autor. Vor wenigen Jahren trat er aus der norwegischen evangelischen Kirche aus und wurde Katholik. „Der Protestantismus wollte die Mystik und die Poesie aus der Kirche und Glauben verschwinden lassen. Mit dem Ergebnis, dass heute, in unseren aufgeklärten Zeiten, kein Mensch mehr buchstäblich glauben kann. Buchstäblich. Man muss in eine allegorische Weise die Bibel lesen, und den Glauben wie ein Mysterium erleben, nicht als etwas Sachliches, als ein weltliches Faktum. Es ist ein Mysterium, nicht eine Art Faktizität.“

Jon Fosse
ORF
Jon Fosses Werke drehen sich um Liebe und Einsamkeit, Leben und Tod, um Licht und Schatten sowie um Glaube und Hoffnungslosigkeit

Jon Fosse besucht katholische Gottesdienste in Hainburg, Wien und Oslo. Die katholische Gemeinde in Norwegen umfasst etwa 5.000 Mitglieder. „Der große Unterschied ist, dass in Norwegen, wenn man zur Messe in Oslo geht zum Beispiel, sind normalerweise fast nur Ausländer in der Messe, polnische, aus Asien, aus Lateinamerika, aber hier gibt es jedenfalls in Hainburg am meisten Österreicher (lacht). Und fast nur Österreicher ohne mich“, erzählte er 2015 dem Journalisten Alexander Musik vom Deutschlandfunk.

Schreiben über die existentiellen Fragen des Lebens

„Mein Wunsch, Schriftsteller zu werden, hatte von Anfang an damit zu tun, der Gesellschaft zu entkommen, nicht mit anderen Menschen zusammenzuleben, sondern ganz und gar nach meinem eigenen Rhythmus. Ich wollte ein stilles, einsiedlerisches Leben führen, und es ist eine der Paradoxien meines Lebens, dass ich ausgerechnet in der Welt des Theaters landete“, so Fosse im „Welt“-Interview.

Der Autor verschrieb sich aber wieder der Prosa, sein jüngster Roman heißt „Der andere Name. Heptalogie I – II“. „Vor dem Hintergrund der norwegischen Landschaft, dem Meer, den Fjorden, erzählt Jon Fosse in diesen ersten beiden Teilen seines siebenteiligen Opus magnum auf eindringliche, geradezu betörende Weise von den existentiellen Fragen des Lebens, von Liebe und Einsamkeit, Leben und Tod, von Licht und Schatten, Glaube und Hoffnungslosigkeit – und vom Wesen der Kunst. Alles ist immer da, nichts ist vergangen, also fließen Vergangenheit und Gegenwart in eins“, heißt es auf der Homepage des Rowohlt Verlages. Wer bekommt heuer den Literaturnobelpreis? Am 10. Oktober um 13.00 Uhr wird der Name bekanntgegeben.