Chronik

Mehr Hilfe bei häuslicher Gewalt gefordert

13 Frauen sind 2019 in Niederösterreich bereits Opfer einer Bluttat geworden. In den meisten Fällen kannten sich Opfer und Täter, waren die Verdächtigen Partner, Ex-Partner oder Verwandte. Experten fordern deshalb mehr Maßnahmen für Gewalttäter.

Im Frauenhaus St. Pölten ist die Auslastung derzeit besonders hoch. Ein Grund seien die vielen Vorfälle, die es heuer bereits gab, sagt die Leiterin Olinda Albertoni: „Es ist wichtig, dass Frauen wissen, wenn sie zu uns kommen, gibt es einen Platz und spätestens in ein, zwei Tagen können wir mit den anderen Frauenhäusern einen guten Platz für sie und ihre Kinder finden.“ Im Notfall gebe es immer die Möglichkeit, im Frauenhaus zu bleiben.

Frauenhäuser bieten sowohl ambulante als auch telefonische Beratung an. Zudem helfen die Mitarbeiter bei der Wohnungssuche und bei Gerichts- und Behördenwegen. Wichtig ist laut Albertoni, sich rechtzeitig Hilfe zu suchen – etwa schon bei Drohungen. „Wenn Männer das Gefühl haben, ihnen wird der Boden unter den Füßen weggezogen, wenn die Familie zerbricht, wenn ein Mann auch finanziell von der Frau abhängig ist, sollen Frauen besonders wachsam sein“, meint die Frauenhaus-Leiterin.

Doch auch Angehörige sollten Alarmsignale ernst nehmen, rät die Expertin: „Wenn eine Frau etwa SMS zeigt oder Verletzungen wahrgenommen werden, sollte Gewalt immer angesprochen werden. Wir sollten nicht wegschauen, sondern Gewalt verurteilen und klar machen, dass Gewalt in unserer Gesellschaft keinen Platz hat.“

NÖ Frauentelefon

Das NÖ Frauentelefon bietet unter 0800/800 810 kostenlose und anonyme Beratung: jeweils montags, mittwochs und freitags von 10.00 bis 14.00 Uhr, Rechtsberatung freitags von 14.00 bis 16.00 Uhr.

FrauenHELPline

Frauen, die Schutz oder Beratung suchen, können sich rund um die Uhr auch an die FrauenHELPline wenden: 0800/222555 – ebenfalls kostenlos und anonym aus ganz Österreich.

Lange Gewaltphase vor Mord

Einem Mord an einer Frau geht laut Expertinnen eine lange Gewaltphase voraus. Eine Tat wie in Kottingbrunn sei keine Affekthandlung, ist auch Maria Rösslhuber, Geschäftsführerin der Autonomen Frauenhäuser, überzeugt: „Das Problem ist viel tiefer als Eifersucht. Kein Mann ermordet aus Liebe oder Leidenschaft, sondern weil er mit dem Macht- und Kontrollverlust nicht zurechtkommt.“

Dieses Besitzdenken sei anerzogen – und vor allem in Ländern verbreitet, wo bisher wenig für die Gleichstellung getan wurde, sagt Rösslhuber: „Es gibt Länder, wie Afghanistan, Tschetschenien oder die Türkei, wo dieses Denken viel, viel tiefer sitzt, aber auch bei uns in Österreich sind patriarchale Denkmuster sehr, sehr stark verankert.“ Dass in Kottingbrunn auch die Kinder getötet wurden, weise laut der Gewaltexpertin auf eine große Zerstörungswut hin: „Wenn ihr nicht mehr bei mir seid, dann zerstöre ich alles.“

Rösslhuber fordert deshalb eine Bewusstseinskampagne gegen Männergewalt an Frauen. Zudem brauche es mehr Maßnahmen, die auf die Täter abzielen, etwa verpflichtende Antigewalttrainings. Dafür plädiert auch Albertoni und fügt hinzu, dass es unmittelbar nach den Gewalttaten verpflichtend Gespräche mit dem Täter geben sollte: „Damit sie sich mit ihren Taten auseinandersetzen und auch die Möglichkeit haben, andere Verhaltensweisen einzulernen.“ Für großangelegte Maßnahmen müssten etwa 210 Millionen Euro zur Verfügung gestellt werden.