New Ocean von Richard Siegal
Thomas Schermer
Thomas Schermer
Kultur

Siegals „New Ocean“ irritiert im Festspielhaus

Die Österreich-Premiere des erst im September am Schauspiel Köln uraufgeführten Stücks „New Ocean“ von Richard Siegal hat sich am Wochenende im Festspielhaus St. Pölten als „ebenso erstaunliche wie befremdliche Produktion des achtköpfigen ‚Ballet of Difference‘ dargeboten“, schreibt Ewald Baringer in der APA.

„Ich kann mir leicht vorstellen, wie verwirrend, langweilig und nervig es für jemanden sein mag, der das zum ersten Mal sieht“, räumte Siegal in einem im Programmheft abgedruckten Interview prophylaktisch ein. Nun mag der Grund für die in Kauf genommene Irritation nicht unbedingt darin liegen, dass der erste Teil des Abends vorwiegend in sirrender Stille abläuft, nur gelegentlich von kurzen akustischen Interjektionen unterbrochen und eingeleitet von einem Blues des amerikanischen Sängers Taj Mahal („You don’t miss your water“). Vielmehr geht es um eine „Ästhetik des Zufalls“ und um den Klimawandel, ist zu erfahren. „Da wird es allerdings tatsächlich schwierig mit der Nachvollziehbarkeit“ (Baringer).

New Ocean von Richard Siegal
Thomas Schermer
Im Festspielhaus St. Pölten war die Österreich-Premiere des im September uraufgeführten Stücks „New Ocean“ von Richard Siegal

Kesse Strumpfhosen in raffiniertem Lichtdesign

Siegal bezieht sich auf Merce Cunningham und John Cage, deren letztes gemeinsames Projekt namens „Ocean“ auf der Orakeltechnik des japanischen I-Ging beruhte. Ein Vierteljahrhundert danach setzt Siegal auf eine Art algorithmischen Zufallsgenerator, der sich in der offenbar spontanen Entscheidung der Tänzer äußert, welche vorgefertigte Sequenz jeweils zum Einsatz kommt. Inwieweit die Behauptung stimmt, wonach wissenschaftliche Daten aus den Polarmeeren choreografisch umgesetzt werden, entzieht sich der Verifizierung, und im Raum bleibt – ebenso wie der Trockeneisnebel, der immer wieder für Effekte sorgt und zuletzt im Zuschauerraum landet – eine gewisse Verunsicherung.

Mit raffiniertem Lichtdesign vermag „New Ocean“ jedenfalls zu punkten. Die Tänzer in kessen schwarzen Strumpfhosen werfen sich unentwegt in Posen, treten auf und ab, liegen am Boden, bilden Schattentheater, rasch wechselnde Szenerien im stilistischen Niemandsland zwischen Spitzentanz und Modern Dance.

„Es hilft alles nichts, Ermüdung tritt unweigerlich ein. Und die Frage taucht auf: Hat man Grundlegendes nicht verstanden, oder wird man schlicht gefoppt? Zumindest in der Hervorrufung dieses Zwiespalts scheint Siegal mit ‚New Ocean‘ eine gegenwärtig allgemein verbreitete Befindlichkeit der ‚Generation Fake‘ widerzuspiegeln“, so Ewald Baringers Resümee.