Aufführung in der Burg Oper Gars
Reinhard Podolsky
Reinhard Podolsky
Kultur

Oper Burg Gars: „Carmen“ sucht ihre Freiheit

Die Sehnsucht nach Freiheit – das ist eines der Leitmotive des Sommerfestivals Oper Burg Gars (Bezirk Horn). Intendant Johannes Wildner zeigt nach „Tosca“ (2018) und „Fidelio“ (2019) gemeinsam mit Regisseur Dominik Wilgenbus 2020 „Carmen“ und beleuchtet dabei die Freiheitsthematik aus einem anderen Blickwinkel.

„Ein zentrales Thema unserer ‚Carmen‘-Produktion ist die Frage, inwieweit individuelle Sehnsüchte nach Freiheit in einer modernen Gesellschaft miteinander vereinbar sind“, so Intendant Wildner, der wieder am Dirigentenpult stehen wird. Die Geschichte zwischen Carmen und Don Jose, geprägt von Leidenschaft bis in den Tod, hat am 16. Juli 2020 Premiere in der Oper Burg Gars, bis 8. August gibt es noch weitere neun Vorstellungen.

Carmen scheitert an ihrem Lebensideal

In keiner anderen Oper wird die Unvereinbarkeit von Liebe und Freiheit so eindrucksvoll und leidenschaftlich gezeichnet wie in Georges Bizets 1875 uraufgeführten Werk. „Die Liebe zu Carmen, die ihre Selbstbestimmung mehr als alles andere liebt, bringt Don Jose dazu, sein pflichtbewusstes Soldatenleben und seine Verlobte Micaela zurückzulassen. Doch in der Welt der Carmen ist er mit seinem bürgerlichen Ideal von Liebe ein Fremdkörper, die Beziehung zum Scheitern verurteilt“, analysiert Johannes Wildner.

„Als Titelfigur ist Carmen die hartnäckigst verkannte, klischeeverstellte Gestalt der Opernliteratur“, sagt Regisseur Dominik Wilgenbus. „Ihre Bedeutung sehe ich noch vor aller inhaltlichen Substanz in der Singularität: Mit Carmen besitzt ein weibliches Pendant zu Don Giovanni, Don Quijote, Faust & Co. unvergängliches und unvergleichliches Leben.“

Ljubica Vranes als Carmen in Gars
Aleksandar Kujucev
Ljubica Vranes ist seit 2011 Ensemblemitglied am Nationaltheater Belgrad. Als Carmen sorgte sie „zuletzt auch am Nationaltheater für Oper und Ballett in Tirana für Furore“ (Wildner), im Jahr 2020 ist sie als Carmen in Gars am Kamp zu hören

Dies sei keineswegs feministisch gemeint, sagt der Regisseur: „Carmen tritt in keinem Augenblick für Frauenrechte ein, jedoch vom ersten bis zum letzten dafür, ihr Leben zu leben. Sie weiß zu jedem Zeitpunkt wie sie leben will und dass es für sie nur eine Alternative dazu gibt: nicht leben.“

Georges Bizet (1838-1875) schuf mit seiner Oper in mehrerlei Hinsicht eine Grenzüberschreitung: Eine skandalöse Frauenfigur wie die temperamentvolle Zigeunerin, die ihre Freiheit um jeden Preis verteidigt und einen Mann nur solange liebt, bis der nächste kommt, hatte man bis 1875 noch nie in der Oper gesehen. Das dargestellte Milieu von Arbeitern und Kleinkriminellen brachte aber auch völlig neue soziale Schichten auf die Opernbühne.

„Wir zeigen die volle inhaltliche Bandbreite der Oper“

„Bei ihrer Uraufführung hat ‚Carmen‘ einen veritablen Flop erlebt, heute ist sie eine der weltweit meistgespielten Opern. ‚Carmen‘ ist in der Schilderung vieler Details der zwischenmenschlichen Beziehungen ebenso ein Vorgriff auf den Verismo wie in der Darstellung der gesellschaftlichen Realität von Gruppen, die am Rande oder außerhalb der Gesellschaft leben“, erläutert Wilgenbus.

„Unsere ‚Carmen‘ ist die ‚Carmen‘ von Bizet und keine verbogene Neudeutung. Gleichzeitig werden wir keine einseitige Sicht auf das Werk präsentieren, die lediglich die Erotik der Carmen oder andere eindimensionale Aspekte beleuchtet“, sagt Regisseur Dominik Wilgenbus. „Wir zeigen die volle inhaltliche Bandbreite der Oper, mit ihren Bezügen zu Folklore und den sozialen Dimensionen der Beziehungen – fern von jeglichem Kitsch“, ergänzt Intendant Johannes Wildner.