Frau mit Hörer in Telefonseelsorge, davor ein Bildschirm mit den Worten: hier hört ein Mensch
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Chronik

Kostenlose Hilfe bevor es eskaliert

In der Weihnachtszeit fühlen sich viele Menschen einsam oder es kommt zum Streit – in solchen Situationen kann man sich kostenlos und rund um die Uhr an die Telefonseelsorge mit der Nummer 142 wenden. 2019 nahmen mehr als 16.000 Menschen das Angebot in Niederösterreich an, das nun ausgebaut wurde.

Zwölf neue Mitarbeiter machen es möglich, dass seit Anfang Dezember teilweise zwei Leitungen bei der Telefonseelsorge in St. Pölten besetzt sind. Sie haben die einjährige Ausbildung für die Telefonseelsorge absolviert und hospitieren jetzt bei ihren erfahrenen Kollegen. Es gehe darum, richtig zu reagieren und zu lernen, welche Herausforderungen die Arbeit mit sich bringt. Österreichweit stellen sich etwa 800 Frauen und Männer ehrenamtlich am Telefon als Ansprechpartner für Sorgen und Nöte zur Verfügung, 88 sind in Niederösterreich tätig.

85 Online-Beraterinnen und -Berater der Telefonseelsorge Österreich sind zudem per Mail und Chat erreichbar. Dieses Angebot gibt es seit 2012. Via Mail und Chat kann man anonym Kontakt aufnehmen. Zwischen Jänner und November 2019 kamen österreichweit 3.500 Kontakte zustande – das ergibt pro Monat 195 Stunden Onlineberatungen zusätzlich zum Telefon. Jede vierte Betreuung wurden vom Team der Telefonseelsorge Niederösterreich abgewickelt.

Frau telefoniert und sitzt bei ihrem Schreibtisch
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Mehr als 16.000 Menschen nutzten 2019 das Angebot der Telefonseelsorge

Seit Anfang Dezember gibt es in Niederösterreich auch ein erweitertes Internetangebot. An vier Tagen pro Woche (Dienstag, Mittwoch, Freitag und Sonntag) von 18.00 bis 20.00 Uhr sind die Mitarbeiter direkt erreichbar. Bisher musste meist ein Termin ausgemacht werden, um online ein Beratungsgespräch führen zu können. Vor allem jüngere Ratsuchende würden sich aber vermehrt online bei der Seelsorge melden, sagt Telefonseelsorge-Mitarbeiterin Susanne Rasinger.

Emotionalität zu Weihnachten besonders hoch

Gerade die Weihnachtszeit sei für viele Menschen besonders emotional, sagt Rasinger gegenüber noe.ORF.at. „Am Telefon war es am Heiligen Abend in den letzten Jahren sehr entspannt. Die Tage und vor allem Nächte danach sind erfahrungsgemäß wieder problembeladen.“ Es sei oft der Ärger über die Verwandtschaft, über Gesagtes und nicht Gesagtes, über Erhofftes, das nicht eingetreten ist. Zu viel Alkohol, Gewalt, Streit, Stress und auch das Thema Einsamkeit spielen laut Rasinger oft eine große Rolle.

Bei den Gesprächen gehe es nicht darum, Probleme zu lösen und schon gar nicht darum, Ratschläge zu geben. „Wir kennen nur einen ganz kleinen Teil der Geschichte des Anrufenden. Es geht darum, in Kontakt zu kommen und die anrufende Person zu verstehen“, sagte Rasinger. Allgemein stellt die Altersgruppe der 40- bis 60-Jährigen mit 56,5 Prozent den größten Anteil der Anrufenden, 47 Prozent sind Frauen. Im Online-Bereich ist die Hälfte der Ratsuchenden unter 30 Jahre, ein Drittel unter 20 Jahre.

Besonderes Einfühlungsvermögen gefragt

Die hohe Dichte an Anrufen und Kontakten sowie die Geschichten dahinter lassen auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Telefonseelsorge oft an emotionale Grenzen stoßen. Daher sei es wichtig, schon während der Ausbildung auf solche Situationen einzugehen. Die Ausbildung zieht sich über ein Jahr und umfasst etwa 150 Stunden.

Man verstehe dies auch als Prozess des persönlichen und fachlichen Lernens, der sich über den gesamten Zeitraum der Mitarbeit erstreckt, sagt Susanne Rasinger. Die Auszubildenden verpflichten sich zu einer späteren Mitarbeit für mindestens drei Jahre, in denen sie monatlich 15 Stunden ehrenamtlichen Dienst am Seelsorge-Telefon übernehmen. Die Telefonseelsorge bietet diesen Lehrgang alle zwei Jahre an.