Christoph Hörmann im Gespräch mit Nadja Mader
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Gesundheit

„Todesdiagnose und Organspende strikt trennen“

Der deutsche Gesundheitsminister scheiterte mit den Vorstoß einer Regelung für Organspenden nach österreichischem Vorbild. Damit wollte er die Zahl der Spenderorgane erhöhen, Kritiker befürchteten erleichterten Missbrauch. Niederösterreichs Transplantbeauftragter versichert, dass niemand aufgrund seiner Organe sterben würde.

Christoph Hörmann ist der Leiter der Abteilung für Anästhesie und Intensivmedizin im Universitätsklinikum St. Pölten und Transplantbeauftragter für Niederösterreich und das Burgenland. Da die Wellen der deutschen Debatten auch in Österreich wahrgenommen wurden, findet er es notwendig, zur Beruhigung beizutragen. Er sieht Bedarf, mit Gerüchten und Falschannahmen aufzuräumen, die auch aufgrund von Ängsten vor Organtransplantationen und -spenden aufkommen.

noe.ORF.at: Wenn jemand stirbt und auch für eine Organspende infrage kommt, braucht es vorab eine genaue medizinische Untersuchung. Da ist es doch ganz wichtig, dass dem zwei Ärzte unabhängig voneinander zustimmen, die mit Organtransplantationen nichts zu tun haben?

Christoph Hörmann: Ich glaube, beim Organspenden ist es ganz wichtig, zweierlei zu unterscheiden. Das eine ist der Tod des Patienten, der nichts mit der Organspende zu tun hat. Das macht ein Team, das vollkommen unabhängig von der Transplantation ist. Erst wenn der Tod des Patienten festgestellt ist, kommt die Organspende ins Spiel.

noe.ORF.at: In Österreich ist jeder Mensch automatisch Organspender. Ausgenommen, man lässt sich in das Widerspruchsregister eintragen. Was geschieht jedoch mit Menschen, deren Angehörige behaupten, dass der betroffene Tote eine Organentnahme nicht gewollt hätte?

Christoph Hörmann: In Österreich ist es so, dass der Gesetzgeber davon ausgeht, dass jeder bereit ist, seine Organe zu spenden. Wenn ich das nicht möchte, kann ich das am besten zu Lebzeiten im Widerspruchsregister kundtun. Es ist allerdings auch gut gepflegte Praxis in allen Transplantzentren in Österreich, dass, sobald ein Patient verstirbt, die Angehörigen noch um den mutmaßlichen Patientenwillen befragt werden. Sollten die Angehörigen mitteilen, dass der Verstorbene sich negativ zu Organspenden geäußert hat, wird das selbstverständlich akzeptiert.

Christoph Hörmann
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Transplantexperte Christoph Hörmann: „Die deutsche Entscheidung hat keine Auswirkung auf Österreich“

noe.ORF.at: Die Organisation Eurotransplant, die die Vergabe von Spenderorganen regelt und koordiniert, ist international tätig. Inwieweit hat denn die Entscheidung in Deutschland eine Auswirkung auf Niederösterreich bzw. Österreich?

Christoph Hörmann: In Deutschland ist durch die Zustimmungslösung die Rate zur Organspende pro einer Million Menschen nur etwa halb so hoch wie bei uns. Eurotransplant stellt sicher, dass die gleiche Zahl an Organen, die in Österreich entnommen wird, auch in Österreich transplantiert wird. Es ist nicht so, dass beispielsweise jede Niere, die in Österreich entnommen wird, auch in Österreich transplantiert wird. Das hat auch einen guten Grund. Die Ergebnisse nach der Nierentransplantation sind am besten, wenn die genetische Informationen des Spenders und des Empfängers gut übereinstimmen. Deswegen achtet Eurotransplant darauf, dass jede gespendete Niere zum am besten passenden Empfänger kommt. Gleichzeitig wird im Hintergrund mitgezählt, sodass am Jahresende gleich viele Organe in Österreich transplantiert wie gespendet wurden.

noe.ORF.at: Wir funktioniert das Prozedere denn insgesamt, wenn man ein Organ benötigt? Gibt es da Prioritäten?

Christoph Hörmann: Nehmen wir als Beispiel einen Dialysepatienten, der in einem Dialysezentrum behandelt wird. Das Dialysezentrum wird den Patienten fragen, ob er bereit ist, einer Transplantation zuzustimmen. Danach stellt das Dialysezentrum den niederösterreichischen Patienten dem Transplantzentrum Wien vor, wo in weiterer Folge genauere Untersuchungen erfolgen. Wenn es keine ausschließenden Gründe gibt, kommt der Patient auf die Warteliste. Dringliche Faktoren gibt es schon. Beispielsweise dann, wenn ein Patient schon lange dialysiert wurde und mittlerweile keine Gefäße mehr hat, über die eine Dialyse möglich ist. Dann gibt es die Möglichkeit, ihn „high urgent“ (höchst dringend, Anm.) zu listen. Das bedeutet einerseits, dass er zwar sehr bald eine Niere bekommen wird. Allerdings bringt das andererseits auch den Nachteil, dass die genetische Übereinstimmung bei weitem nicht so gut ist.