Pflegeheim Tulln
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Gesundheit

Pflege: Zu wenige Plätze, zu wenig Personal

Die Zahl der Anträge auf einen Pflegeheimplatz in Niederösterreich ist innerhalb von zwei Jahren um etwa 40 Prozent gestiegen – eine Folge der Abschaffung des Pflegeregress. Die Nachfrage ist also hoch, trotzdem stehen kurioserweise im Pflegeheim Tulln einige Betten leer. Für die Betreuung kann nicht genügend Personal gefunden werden.

In einem der größten Pflegeheime Niederösterreichs in Tulln werden 263 Menschen betreut. Das Heim wurde gerade modernisiert und erweitert. Wegen der hohen Nachfrage gibt es zusätzliche Betten für Hospiz- und Schwerstpflege. Das sei ein Bereich, der immer stärker gefragt ist, so Heimdirektorin Regina Berger. In einem akuten Fall kann so innerhalb von zwei Wochen ein Platz gefunden werden. Anders die Situation bei der Langzeitpflege. Hier beträgt die Wartezeit etwa zwei Monate.

Gleichzeitig steht in Tulln aber auch eine gesamte Abteilung mit 27 Betten leer – und zwar wegen Personalmangels. Es können nicht genügend Arbeitskräfte für die Betreuung gefunden werden. „Meine große Hoffnung ist März und April, weil da viele Jahrgänge fertig sind mit der Ausbildung, dass wir da Pflegepersonal finden. Sobald ich vier diplomierte Krankenschwestern und acht Pflegeassistenten habe, kann ich diesen Wohnbereich eröffnen“, so Berger gegenüber noe.ORF.at. Für das ganze Heim sind etwa 40 Stellen ausgeschrieben.

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27 Betten wären in Tulln eigentlich noch vorhanden
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Die Einrichtung ist teilweise noch verpackt
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Die gesamte Abteilung im Erdgeschoß ist leer

„Klarer Effekt vom Entfall des Regresses“

Die hohe Nachfrage sei eine der Folgen der Abschaffung des Pflegeregresses vor zwei Jahren. Davor konnten die Bundesländer auf das private Vermögen von pflegebedürftigen Menschen zugreifen, um ihre Betreuung zu bezahlen. Die finanzielle Hürde für einen Heimplatz wurde also niedriger. Seit 2017 stiegen die Anträge auf so einen Platz im Bezirk Tulln um ein Drittel an.

Ein Trend, der sich in ganz Niederösterreich zeigt, wie Wissenschafter der Universität Wien und der Karl-Landsteiner-Universität in Krems für den „Altersalmanach“ erhoben haben: „Die Antragstellungen sind zwischen 2017 und 2018 um 37 Prozent angestiegen. Das ist ein klarer Effekt von dem Entfall des Regresses“, so Lukas Richter, Sozioökonom und Co-Autor der Studie. 2019 dürfte sich die Situation auf diesem Niveau stabilisiert haben, wie er sagt. So etwas wie ein freies Pflegebett gibt es deshalb in Niederösterreich eigentlich nicht mehr, wie ein Rundruf bei einigen Betreibern zeigt.

Voranmeldungen sorgen für volle Heime

Beim größten Pflegeheimbetreiber, dem Land, mit 5.700 Betten, beträgt die Auslastung „99 Prozent“, wie Otto Huber, zuständig für Landeskliniken und Landesbetreuungszentren, sagt. Man arbeite deshalb ständig an möglichen Erweiterungen. Auch bei privaten Vertragsheimen wird es eng. Die Firma SeneCura hat 13 Heime, etwa in Ternitz (Bezirk Neunkirchen) oder Purkersdorf (Bezirk St. Pölten), und insgesamt 1.040 Plätze in Niederösterreich. Die Wartezeit beträgt aktuell etwa zwei bis drei Monate. Deshalb denke man etwa auch eine Vergrößerung des Standorts Traiskirchen (Bezirk Baden) an.

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Freie Stellen haben so gut wie alle Heimbetreiber ausgeschrieben. Das Land und die Caritas suchen etwa jeweils zwischen 100 bis 200 Arbeitskräfte

Bei der Caritas gab es diese Woche im Gebiet Niederösterreich-Ost ein freies Bett, wobei „das so auch nicht stimmt, weil durch die Warteliste eigentlich alles gleich nachbesetzt wird“, so Sprecherin Stefanie Tomaschitz. Diese Vollauslastung der Heime war vor dem Pflegeregress nicht gegeben. Nach aktuellen Prognosen wird der Bedarf weiter steigen. 2030 werden etwa 12.500 Niederösterreicherinnen und Niederösterreich in einem Pflegeheim wohnen, so Sozioökonom Lukas Richter. Das wären etwa um ein Viertel mehr als heute.

„Zudem wissen wir, dass ältere Menschen heute möglichst lange zu Hause leben möchten. Das wird dazu führen, dass sich die Nachfrage in allen Pflegeformen erhöhen wird – also nicht nur im stationären Bereich, sondern auch bei den mobilen Diensten oder bei der 24-Stunden-Betreuung“, sagt Richter. Wenn Menschen erst mit höherem Alter und größerem Pflegebedarf in ein Heim ziehen, verändern sich zudem die Aufgaben der Krankenpflegerinnen, Pflegeassistenten und Heimhilfen. Sie werden in Zukunft noch stärker gefragt sein.