Mordprozess Landesgericht Wr. Neustadt Gloggnitz
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Gericht

Mordprozess: „Mich hat die Wut gepackt“

In Wiener Neustadt hat am Montag der Mordprozess gegen einen 38-Jährigen begonnen. Der Rumäne soll im August des Vorjahres eine 83 Jahre alte Frau in Gloggnitz (Bezirk Neunkirchen) erstochen haben. Der Mann bekannte sich schuldig.

Die Staatsanwältin sprach am Montag zu Prozessbeginn von einem „heimtückischen und grausamen Angriff“. Der Angeklagte habe seinem Opfer mit einer 16 Zentimeter langen Klinge zwölf wuchtige Stiche in Hals, Nacken und Rücken zugefügt. Die Frau sei dabei „zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen“. Der Angeklagte war erst fünf Tage vor der Tat von Rumänien nach Österreich gekommen, um hier auf einem Pferdegestüt zu arbeiten. Dort habe er sich „von Beginn an auffällig verhalten“, so die Staatsanwältin. „Die anderen Arbeiter haben sich vor ihm gefürchtet“. Nach nur zwei Tagen war der Rumäne, der zuletzt in einer Obdachlosenunterkunft in seiner Heimat gelebt hatte, wieder gekündigt worden.

Weitere drei Tage später war es in Gloggnitz auf offener Straße zu der Bluttat gekommen. Zu diesem Zeitpunkt hätte der Beschuldigte eigentlich gar nicht mehr in Österreich sein sollen. Nach der Kündigung war er vom Pferdegestütbesitzer und dessen Ehefrau mit einem Pkw nach Gloggnitz gebracht worden, von wo aus der 38-Jährige noch am selben Abend per Bus in sein Heimatland hätte fahren sollen. Das öffentliche Verkehrsmittel war nur deshalb nicht unterwegs, weil es einen Motorschaden hatte.

„Tut mir leid, dass ich eine Unschuldige getötet habe“

Er habe drei Tage ohne Essen auf der Straße verbracht und sei verzweifelt gewesen, schilderte der Angeklagte am Montag die Tat. Als er die Frau gesehen habe, habe er geglaubt, dass sie die Frau des Pferdegestütbesitzers sei. „Dann bin ich auf sie los gegangen. Ich habe ihr in den Nacken und in den Rücken geschnitten“, so der Angeklagte, der sich schuldig bekannte: „Mir tut es wirklich sehr, sehr leid, dass ich einen unschuldigen Menschen getötet habe“, sagte er. Auf Nachfrage, ob es ihm auch leid täte, wenn es die Frau des Pferdegestütbesitzers gewesen wäre, sagte er: „Die Frau war nicht schuldig, aber sie ist Teil dieser Familie. Sie haben mich ganz einfach aufgegeben. Ich wollte, dass sie leiden so wie ich auf der Straße gelitten habe.“

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Mordprozess Landesgericht Wr. Neustadt Gloggnitz
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Die Waffe hatte der Mann laut Anklage am 15. August in einem Geschäft mitgehen lassen – um einen Ex-Kollegen und langjährigen Mitarbeiter des Pferdegestüts zu töten, wie die Staatsanwaltschaft festhielt. Das bestätigte der Angeklagte auch selbst vor Gericht. Er habe diesen töten wollen, „weil er mich ganz einfach so aufgegeben hat und mich auf die Straße gesetzt hat“. Der 38-Jährige schilderte außerdem, dass man ihn schlechte behandelt habe und der betreffende Mitarbeiter aggressiv ihm gegenüber gewesen sei. Der Mordplan scheiterte daran, dass er den Weg zum Gestüt nicht mehr fand.

38-Jähriger bereits wegen Raubmordes verurteilt

Der Angeklagte ist in juristischer Hinsicht kein unbeschriebenes Blatt. Der 38-Jährige hatte bereits 2005 in seiner rumänischen Heimat einen Raubmord an seinem Vermieter begangen, indem er diesen von hinten mit einem Messer erstach. Am 31. Jänner 2006 wurde der Angeklagte in Rumänien zu einer Freiheitsstrafe von 17 Jahren verurteilt. Am 19. Dezember 2017 wurde er auf Bewährung entlassen.

Verteidiger Wolfgang Blaschitz beschrieb seinen Mandaten am Montag vor Gericht als ehemaliges „rumänisches Straßenkind“, dessen Persönlichkeit „schon in frühester Jugend immensen Schaden genommen hat“. Es sei „geradezu widersinnig“, dass man jemanden, der nicht die deutsche Sprache spreche und zwölf Jahre in Haft war, in ein Land verfrachte, in dem eine völlig andere Kultur herrsche und er sich nicht zurecht finde. Es sei absehbar gewesen, dass das nur schief gehen könne. Der Angeklagte sei ohne Geld, ohne Schlafstelle und ohne Rückkehrmöglichkeit nach Rumänien in Gloggnitz gestanden, er habe drei Tage lang kaum etwas zu essen bekommen, so Blaschitz, der auch von „aufgestauter Wut" sprach. „Er ist nicht nur fassungslos über das, was er getan hat, sondern auch entsprechend reumütig.“

Der Tatort in Gloggnitz
Einsatzdoku
Die 83-Jährige war im August auf offener Straße attackiert worden

38-Jähriger laut Gutachten zurechnungsfähig

Das psychiatrische Gutachten des Sachverständigen Manfred Walzl bescheinigt dem Angeklagten eine kombinierte Persönlichkeitsstörung sowie eine Intelligenzminderung mit deutlicher Verhaltensstörung. Als auffallend bezeichnete der Gutachter laut Anklageschrift das Fehlen jeglicher Empathie. Der 38-Jährige habe durchgehend die Meinung vertreten, dass ein Mord für das Verhalten, dass „man ihm gegenüber an den Tag gelegt habe durchaus gerechtfertigt ist“.

Der 38-Jährige war Walzl zufolge zum Tatzeitpunkt zurechnungsfähig. Vorliegen würden jedoch die Voraussetzungen für eine Unterbringung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gemäß Paragraf 21 Absatz 2 Strafgesetzbuch. Es sei mit großer Wahrscheinlichkeit anzunehmen, „dass der Angeklagte zu neuerlichen Tathandlungen mit schweren Folgen, darunter auch Mord, neigen wird“.

Die Staatsanwaltschaft brachte neben der Mordanklage auch einen Antrag auf Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher ein. Der Geschworenenprozess in Wiener Neustadt wird am kommenden Montag fortgesetzt. An diesem Tag soll auch ein Urteil fallen.