Gedenktafel für die geflüchteten Schriftsteller in Sanary sur Mer
Kultur

Albert Drach: Als Autor erst im Alter entdeckt

Er war immer von sich überzeugt. Auf die lang ersehnte Anerkennung als Künstler hat der Autor und Jurist Albert Drach (1902-1995), der die meiste Zeit seines Lebens in Mödling verbrachte, bis ins hohe Alter warten müssen. Heuer jährte sich sein Todestag zum 25. Mal.

Drach sah seine Berufung immer in der Literatur und nie in der Juristerei, die ihm den Lebensunterhalt sichern musste. 1987 rief ein viel beachteter Artikel in der „Süddeutschen Zeitung“ der literarischen Öffentlichkeit den „Fall Albert Drach“ in Erinnerung, ein Jahr darauf wurde ihm der renommierte Georg-Büchner-Preis zugesprochen. Was das „Times Literary Supplement“ bereits 1968 – folgenlos – behauptet hatte, dass nämlich Drach mit Canetti „zu den bedeutendsten Avantgardisten deutscher Zunge“ zu zählen sei, war spät, aber doch, Allgemeingut geworden.

Albert Drach 1993
APA/Kelly Schoebitz
Einer der bedeutendsten österreichischen Schriftsteller des 20. Jahrhunderts: Albert Drach, 1993

Der am 17. Dezember 1902 in Wien geborene Albert Drach, der die meiste Zeit in Mödling lebte, wurde in seinen literarischen Ambitionen früh von Anton Wildgans, einem Freund der Familie, gefördert. Bereits im Alter von 17 Jahren veröffentlichte er seinen ersten Lyrikband „Kinder der Träume“. Von ihm stammte auch der Rat, Rechtswissenschaft zu studieren, damit ihm später genug Zeit zum Schreiben bleibe.

1928 half Wildgans dem jungen Freund, der mittlerweile sein Jusstudium abgeschlossen hatte, bei der Abfassung eines kurzen, selbstbewussten Schreibens an Hans Henny Jahnn, in diesem Jahr für die Vergabe des Kleist-Preises zuständig. Tatsächlich, behauptete Drach, sicherte Jahnn dem unbekannten Talent für das beigelegte Stück „Marquis de Sade“ den Preis zu. Schlüssige Belege dafür fand Drach-Biografin Eva Schobel („Albert Drach. Ein wütender Weiser“, Residenz Verlag, 2002) allerdings nicht. Tatsache ist, dass Jahnn den Kleist-Preis Anna Seghers zuerkannte – was Drach tief enttäuschte.

Flucht vor den Nazis: „Unsentimentale Reise“

Als Jude musste Albert Drach vor den Nationalsozialisten fliehen. Er rettete sich über Jugoslawien nach Frankreich. Auf der Gedenktafel für die deutschen und österreichischen Flüchtlinge in Sanary-sur-Mer ist auch sein Name zu lesen (Bild oben). Immer wieder wurde er interniert. Nur knapp entging er der Deportation nach Deutschland. Zeitweise war er gemeinsam mit Lion Feuchtwanger und Walter Hasenclever interniert, dessen Suizid er erleben musste.

Über die Zeit seines Exils, über Faschismus und Krieg berichtete Drach in den beiden autobiografischen Büchern „Z.Z. ist die Zwischenzeit“ und „Unsentimentale Reise“. 1948 kehrte Albert Drach wieder in sein Elternhaus zurück, den Drach-Hof in Mödling, wo er bis zu seinem Tod am 27. März 1995 lebte.

Albert Drach 1987
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„Wahrscheinlich ist es am besten, die Augen zu schließen und sich so zu stellen, als ob man nicht vorhanden wäre“ („Unsentimentale Reise“): Albert Drach, 1987

Erste literarische Anerkennung schaffte Drach erst im Alter von 62 Jahren, als sein Roman „Das große Protokoll gegen Zwetschkenbaum“ fast ein Vierteljahrhundert nach den ersten Arbeiten daran erschien. Das Buch erzählt die Geschichte des ostgalizischen Juden Schmul Leib Zwetschkenbaum während des Ersten Weltkriegs und der Zeit unmittelbar danach. Dem naiven Helden wird die Rast unter einem Zwetschkenbaum zum Verhängnis, seine Odyssee durch Gerichtskanzleien, Gefängnisse, Spitäler und Irrenhäuser gerät zu einer „grausamen Zufallskomödie der Welt“.

Als Schriftsteller spät anerkannt und geehrt

Der Erfolg in den 1960er Jahren war aber nur von kurzer Dauer. Drach, dessen dem Gerichtsjargon angelehnte distanziert-lakonische Sprache, in der Verleumdungen als Wahrheiten und Werturteile als Tatsachen dargestellt werden, als sogenannter Protokollstil später in die Literaturgeschichte einging, fand sich immer missinterpretiert und als skurril-harmloser Autor dargestellt – eine Betrachtungsweise, die erst 1988 der Büchner-Preis nachhaltig änderte.

Dieser Auszeichnung folgte nach langen Jahren der Nichtbeachtung eine Serie später Ehrungen. Ein Jahr später erhielt der Außenseiter der österreichischen Gegenwartsliteratur den Manes-Sperber-Preis. 1990 wurden ihm das Österreichische Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst sowie das Goldene Ehrenzeichen für Verdienste um das Land Wien überreicht, seine Heimatstadt verlieh ihm den Ehrenring der Stadt Mödling. Im Alter von 91 Jahren wurde er mit dem Grillparzer-Preis 1993 ausgezeichnet. Drach erhielt zwei Würdigungspreise des Landes Niederösterreich: als Literat im Jahr 1975 und als Dramatiker 1994.