Arbeiter in einem Magna-Werk
ORF.at/Sonja Ryzienski
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Coronavirus

Produktion und Baufirmen verunsichert

Am ersten Tag der Ausgangsbeschränkungen sind viele Beschäftigte im Industriebereich nicht in die Arbeit gekommen. Die Industriellenvereinigung Niederösterreich appelliert, die Produktion am Laufen zu halten. Die Industrie ist von den Geschäftsschließungen nicht betroffen.

Während die Situation etwa in der Gastronomie klar ist – diese Betriebe schließen ab Dienstag – gibt es in der produzierenden Wirtschaft und vor allem in der Bauwirtschaft Verunsicherung. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter blieben etwa aus Angst vor Ansteckung zu Hause. Kleinere Unternehmen stellten ihre Produktion ein.

Die Firma Worthington in Kienberg (Bezirk Scheibbs) ist Montag und Dienstag etwa geschlossen, um einen „Aktionsplan“ auszuarbeiten. Am Mittwoch soll der Betrieb dann in einer anderen Form weitergehen, sagt Produktionsdirektor Günther Ergott: „Es werden etwa keine Fahrgemeinschaften mehr gebildet, Mitarbeiterplätze werden neu organisiert mit Trennwänden, kein Kaffeeautomat mehr, Einzelgespräche für die Sensibilisierung werden geführt. Wir müssen auf Distanz gehen, aber enger zusammenrücken.“

Worthington Interview
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Günther Ehrgott, Produktionsdirektor bei Worthington, arbeitet mit seinem Team gerade an der Umstrukturierung der Produktionsabläufe

Beim Transportbeton-Unternehmen Wopfinger mit Sitz in Oberwaltersdorf (Bezirk Baden) weist man etwa auf der Homepage darauf hin, dass weiter geliefert werde, weil es schon anderslautende Gerüchte gegeben habe. Bauexperten sprechen aber gegenüber noe.ORF.at von einem zunehmenden Einbruch bei den Bauarbeiten. Auch die Autostraßengesellschaft Asfinag kündigte an, ihre „nicht notwendigen“ Baustellen weitgehend einzustellen. Nur Sofortmaßnahmen wie Reparaturen werden durchgeführt.

Salzer: „Arbeit unter Sicherheitsvorkehrungen erlaubt“

Die Industriellenvereinigung Niederösterreich warnt, dass die ganze Wirtschaft zum Erliegen kommen könnte. IV-NÖ-Präsident Thomas Salzer appelliert an die Industrie, weiterzuarbeiten. Dort wo es möglich sei, würden die Firmen auf Home-Office setzen. Direkt in der Produktion und im produktionsnahen Bereich sei das aber schwierig, so Salzer im Gespräch mit noe.ORF.at. Der Großteil der Unternehmen rechne zudem mit Rückgängen, das Ausmaß sei nicht abschätzbar. Auch ob die Lieferketten weiter funktionieren werden, sei ungewiss.

noe.ORF.at: Welche Rückmeldungen haben sie von Betrieben in Niederösterreich erhalten? Gibt es Unterschiede bei kleineren Betrieben, also bei einer regional tätigen Zimmerei oder bei einem Fliesenleger? Der Appell der Regierung lautet ja, alles was nicht lebensnotwendig ist, einzustellen.

Thomas Salzer: Das Gesetz ist relativ eindeutig: Bestimmte Bereiche sollen definitiv geschlossen werden, die Produktion unterliegt dem nicht. Allerdings unterliegt sie auch der Aufforderung, dass nicht mehr als fünf Personen an einem Platz sind, dass die Mitarbeiter Abstand halten, etc. Es geht darum, dass wir nicht gesamte Produktionsstrukturen in Österreich sofort stilllegen und damit den Großteil der Wertschöpfung des Landes zerstören. Es gibt eine Beschränkung für einzelne Branchen – unter die fällt die Produktion explizit nicht.

noe.ORF.at: Die Bauwirtschaft ist als personalintensive Branche sehr betroffen, auch weil etwa Mitarbeiter zu Hause bleiben, um Kinder zu betreuen. Baustoffe werden nicht so verlässlich geliefert wie früher. Welche Konsequenzen hätte das, wenn in der Baubranche viele Betriebe die Arbeit einstellen?

Salzer: Die Baubranche selbst ist ein wichtiger Nachfrager von Industrieprodukten. Das hätte natürlich die Folge, dass weniger Industrieprodukte nachgefragt werden, etwa Baustoffe. Das hat dann den Effekt, dass diese Betriebe nicht mehr produzieren können. Wir produzieren ja ohnehin nur Dinge, die nachgefragt und gekauft werden. Wir hören momentan, dass in den meisten Ländern Europas die Produktionen normal fahren unter Sicherheitsvorkehrungen, weil ja die Menschen auch Produkte mittelfristig wollen und benötigen.

Industrie Thomas Salzer
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IV-NÖ-Präsident Thomas Salzer appelliert an Betriebe, weiter zu produzieren, sofern es die Sicherheitsbestimmungen zulassen

noe.ORF.at: Sie haben es bereits angesprochen: Rechtlich gibt es im Coronagesetz keine Einschränkungen für die Industriebetriebe. Wenn ein Betrieb jetzt aus Eigeninitiative schließt, hat er dann Anspruch auf Unterstützung aus dem Vier-Milliarden-Hilfsfonds?

Salzer: Das hängt davon ab, welches Instrument man nutzt. Vorgesehen wäre hier die Kurzarbeitsunterstützung, wo die Mitarbeiter für eine Zeit weniger arbeiten und in dieser Zeit einen Ausgleich bis auf 80 Prozent bekommen. Das wird hauptsächlich genutzt werden. Aber wenn die Krise länger dauert, dann wird man damit nicht durchkommen. Wir können es uns nicht leisten, die Mitarbeiter weiter zu zahlen, wenn wir nichts produzieren und keine Produkte absetzen. Das würde für die meisten Unternehmen zu einem raschen Ruin führen. Wir haben nichts davon, wenn wir sämtliche Produktion einstellen, die Mitarbeiter deswegen letztendlich auf der Straße landen und wir von null anfangen müssen. Wir müssen versuchen, einen gewissen Teil der Produktion so weiterlaufen zu lassen, dass Mitarbeiter in Beschäftigung sind.

noe.ORF.at: Heute früh gab es Verwirrung und Unsicherheit, wer zu Hause bleiben kann und wer nicht. Sollte es aus Ihrer Sicht klarere Regelungen von der Regierung geben, was die Industrie angeht?

Salzer: Natürlich wäre es wichtig, dass es eine klare Kommunikation gibt. Die Regelung im Gesetz ist ganz eindeutig: Das Betreten des Kundenbereichs von Betriebsstätten für Handel und Dienstleistungen ist untersagt. Und dann sind einige ausgenommen davon, alles andere ist erlaubt. Die gesetzliche Regelung ist klar – wir wünschen uns eine klare Kommunikation, die das den Menschen auch mitteilt. Weil es wichtig ist, dass die Produktion weiterläuft. Natürlich nur unter Sicherheitsvorkehrungen, nur wenn wir es schaffen, in den Produktionen so zu arbeiten, dass sich dort Menschen nicht gegenseitig anstecken können.

noe.ORF.at: Was sollte die Regierung dann anders kommunizieren?

Salzer: Wichtig ist eine klare Informationspolitik der Regierung hinsichtlich Industrie und Produktion. Die Definition „systemnotwendig“ ist nett, aber es steht nirgends, was das bedeutet. Es muss so einfach sein, dass jeder Mitarbeiter das ganz klar versteht. Ebenso in der Bevölkerung ist es wichtig, dass die Medien klar machen, dass Arbeiten grundsätzlich erlaubt ist, aber immer unter dem Aspekt an oberster Stelle steht die Gesundheit der Mitarbeiter und, dass wir diese Pandemie in Österreich eindämmen.

noe.ORF.at: Was würden Sie einer Baufirma oder eine Fabrik raten: Zusperren oder Weiterarbeiten?

Salzer: Die Entscheidung kann man niemandem abnehmen. Wenn man genügend Aufträge hat und auch sicher ist, dass man diese Ware wegbekommt und vor allem, wenn man sicherstellen kann, dass sich die Mitarbeiter im Unternehmen nicht anstecken können, dann würde ich selber schauen zu produzieren. Wenn ich das nicht kann und ein zu hohes Risiko für Ansteckungen habe, dann würde ich nicht produzieren.