Reportage in Ardagger
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Chronik

„Abnormale Normalität“ in Ardagger

In Ardagger (Bezirk Amstetten) gibt es im Verhältnis zur Einwohnerzahl die meisten Coronafälle in Niederösterreich. Am Freitag waren es 25. Eine Gruppe, die auf Skiurlaub in Südtirol war, hatte das Virus mitgebracht. Mittlerweile ist in der Marktgemeinde eine „abnormale Normalität“ eingekehrt.

Zwei Polizisten kontrollieren, ob die Ausgangsbeschränkungen der Bundesregierung eingehalten werden. Das öffentliche Leben in der Gemeinde ist aber ohnehin zum Erliegen gekommen. Erledigt werden nur noch Dinge, die nicht aufgeschoben werden können, etwa am Hof von Michael Prinz. „Wichtig ist, dass der Ablauf in der Landwirtschaft weiterläuft wie bisher, damit wir die Bevölkerung auch weiterhin mit Lebensmitteln versorgen können“, sagt der Landwirt.

Hausärzte „nehmen Ambulanzen viel Last ab“

Alle Hände voll zu tun haben auch die beiden Ärzte Karin und Ferenc Raduly. Dringende Visiten finden statt, in ihrer Praxis werden aber nur noch Notfälle behandelt, alle anderen Patienten werden telefonisch beraten: „Gerade in diesen Zeiten ist es so, dass die dezentrale Struktur der Hausärzte und niedergelassenen Ärzte sehr viel Last von den Ambulanzen nehmen kann – und auch nimmt“, sagt Ferenc Raduly.

Reportage in Ardagger
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Karin und Ferenc Raduly halten in Ardagger die Stellung

Meist seien es verängstigte Patienten, die Rat benötigen und deshalb Kontakt mit Raduly und seiner Ehefrau aufnehmen. „Da ist es schon gut, wenn man einen Arzt persönlich kennt und über Jahre Vertrauen aufgebaut hat. Hier ist die Bereitschaft, die Argumente des Arztes anzunehmen, viel höher.“

Am häufigsten werde dieser Tage die Frage nach einer möglichen Infektion gestellt: „Jemand hatte Kontakt zu einer infizierten Person, bin ich nun auch infiziert? Ein anderes Problem ist, dass die Grippezeit noch nicht vorbei ist. Das heißt: Nicht jeder Husten oder Schnupfen ist eine Covid-19-Infektion. Hier gilt es, den Menschen diese Ängste zu nehmen“, erklärt der Arzt.

250 Menschen in häuslicher Quarantäne

25 Menschen in Ardagger sind mit dem Coronavirus infiziert. 250 stehen vorsorglich unter häuslicher Quarantäne. Darunter ist auch Bürgermeister Johannes Pressl (ÖVP) – er ist nicht am Virus erkrankt, hatte aber Kontakt zu einer infizierten Person. Das Gespräch mit ihm findet deshalb getrennt durch eine Fensterscheibe und via Telefon statt.

Interview mit Bürgermeister Johannes Pressl

„Es ist eine abnormale Normalität, die wir jetzt haben“, sagt der Bürgermeister. Er selbst zeige keine Symptome und dürfte sich nicht infiziert haben. „Ich bin gesund, mir geht es gut. Und ich arbeite mehr als sonst – fast 24 Stunden.“ Unterschiedlich seien die Symptome der Erkrankten. „Es gibt Personen, die nur leichte Symptome haben. Wir haben aber auch Personen, die eine durchaus schwere Virusinfektion haben“, berichtet Pressl.

Betroffene berichten von „täglichem Auf und Ab“

23 der 25 Infizierten befinden sich in häuslicher Pflege, „sie sagen aber, dass es ein tägliches Auf und Ab ist. Es gibt Fieber bis zu 39,5 Grad. Es sind die Lunge und die Atmung betroffen – man muss das sehr ernst nehmen“, berichtet Pressl und appelliert deshalb, die Maßnahmen, die die Bundesregierung getroffen hat, ernst zu nehmen. „Und es ist nicht nur eine Umsetzung der Verbote, sondern wir müssen lernen, in dieser Sondersituation, die noch länger dauern wird, zu leben.“