Soziales

Häusliche Gewalt: „Spannung bereits spürbar“

Zweieinhalb Wochen nach Inkrafttreten der Ausgangsbeschränkungen ist in Niederösterreich vorerst kein Anstieg der häuslichen Gewalt festgestellt worden. Die Anspannung in den Familien sei aber spürbar, heißt es von Sozialeinrichtungen.

Bezüglich der häuslichen Gewalt sagte die Polizei auf Anfrage von noe.ORF.at, dass aktuell „kein signifikanter Anstieg feststellbar“ sei, so Polizeisprecher Raimund Schwaigerlehner. „Wenn das Wetter schön ist und die Leute ins Freie können, ist das ein guter Weg.“ Die Polizei geht jedoch davon aus, „dass es in den nächsten Wochen zu einem Anstieg kommen könnte“.

Ähnlich fallen die Einschätzungen bei den Verantwortlichen in den Frauenhäusern in Niederösterreich aus. „Wir spüren eine Anspannung. Je länger diese Situation andauert, desto mehr Gewalt wird es in den Familien geben“, sagt Elisabeth Cinatl, Leiterin des Frauenhauses in Wr. Neustadt, wo es am Wochenende bereits drei Notrufe gab. Cinatl verwies dabei auf die Erfahrungen aus China.

Telefonische Anfragen und Beratungen angestiegen

Signifikant gestiegen sind inzwischen die telefonische Anfragen und Beratungen, wie auch Michaela Egger, Geschäftsführerin des Gewaltschutzzentrums Niederösterreich, gegenüber noe.ORF.at bestätigte. „Auch wir merken, dass es vermehrt Fragen gibt“, so Egger. Die Anfragen drehen sich unter anderem um mögliche präventive Maßnahmen sowie um Fälle, wo etwa psychische Gewalt vorliegt oder Frauen davor Angst hätten, zur Polizei zu gehen.

NÖ Frauentelefon

Das NÖ Frauentelefon bietet unter 0800/800 810 kostenlose und anonyme Beratung: jeweils montags, mittwochs und freitags von 10.00 bis 14.00 Uhr, Rechtsberatung freitags von 14.00 bis 16.00 Uhr.

Frauenhelpline

Frauen, die Schutz oder Beratung suchen, können sich rund um die Uhr auch an die Frauenhelpline wenden: 0800/222555 – ebenfalls kostenlos und anonym aus ganz Österreich.

Generell sei die Auslastung in den einzelnen Frauenhäusern derzeit hoch, was allerdings nicht im Zusammenhang mit der Situation um das Coronavirus stehe, heißt es. Für den Fall, dass ein sprunghafter Anstieg der Gewalttaten eintritt, ist die Errichtung von Notquartieren geplant, heißt es aus dem Büro der zuständigen Landesrätin Ulrike Königsberger-Ludwig (SPÖ). „Damit es für Frauen und Kinder in allen Landesteilen einen sicheren Platz gibt“, so die Landesrätin. Das Land sei dazu in ständigem Austausch mit den Einrichtungen. „Wir sind gut vorbereitet“, sagte auch Olinda Albertoni, Leiterin des Frauenhauses in St. Pölten. „Jede Frau kann sich sicher fühlen, wenn sie von zu Hause weg muss.“

Schutz für Kinder stellt großes Problem dar

Ein ebenso großes Problem sei es derzeit, den Kinderschutz aufrecht zu erhalten, sagt Irene Kautsch, Leiterin des Kinderschutzzentrums „Die möwe“ in St. Pölten. Soziale Kontrollen wie etwa Turnlehrer oder Freude würden nun wegfallen. Wenn ein Kind derzeit von häuslicher Gewalt betroffen ist, sei das nur schwer feststellbar. „Die ganze Familie ist derzeit auf engem Raum, wo soll sich das Kind hinwenden?“, ergänzt Egger.

Die „möwe Niederösterreich“ verzeichnet, neben bereits laufenden Beratungen und Therapien, rund 1.000 neu in Beratung aufgenommene Kinder, so Kautsch. Mit Angeboten in der Bevölkerung, darunter Podcasts, soll auf die Thematik aufmerksam gemacht werden. Auch sind Bürger und Nachbarn dazu aufgerufen, sich zu melden, wenn sie etwas bemerken, so der Appell von „möwe“. Die Kinder- und Jugendhilfe kann erst dann tätig werden, wenn eine Gefährdungsmeldung vorliegt.