Coronavirus

„Müssen uns an Einschränkungen gewöhnen“

Die CoV-Pandemie wird die Gesellschaft noch Jahre beschäftigen, meint die Epidemiologin Eva Schernhammer von der Medizinischen Universität Wien. Man werde sich an gewisse Formen der Einschränkung gewöhnen müssen.

noe.ORF.at: Wie gefährlich ist dieses Coronavirus wirklich? Wie schlimm ist die Lage?

Eva Schernhammer: Aus heutiger Sicht vielleicht viel schlimmer, als wir es ursprünglich gehofft haben. Es ist aus meiner eigenen Sicht ein Ereignis, das in dieser Art noch nie stattgefunden hat, das ich noch nie so erlebt habe. Ich war am 11. September vor Ort und hatte andere schwerwiegende Erlebnisse, aber etwas, das die Gesellschaft so umfassend betrifft und gleichzeitig mit so vielen Unsicherheiten behaftet ist – das werden wir nicht so oft erleben.

Eva Schernhammer
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Eva Schernhammer (r.) im Gespräch mit ORF-NÖ-Redakteurin Eva Steinkellner-Klein

noe.ORF.at: Die Maßnahmen werden jetzt gelockert. Einige sind bereits gelockert, andere sollen folgen. Erwarten Sie nun eine zweite Welle?

Schernhammer: Leider muss man mit Blick auf die Datenlage davon ausgehen, dass es damit noch nicht vorüber sein wird. Was genau auf uns zukommt, kann derzeit keiner sagen, weil viele Faktoren hier mitbestimmend sein werden. Wenn zum Beispiel jemand die Infektion durchlaufen hat, ist er dann immun und wie lange bleibt er es? Da gibt es sehr viele Unsicherheitsfaktoren, die es schwierig machen vorauszusagen, was auf uns zukommen wird. Man kann aber wahrscheinlich davon Abstand nehmen, dass gar nichts mehr auf uns zukommt.

noe.ORF.at: Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler forschen nach einer Impfung oder einem Medikament. Wo steht man denn da jetzt?

Schernhammer: Ich glaube, dass da momentan riesige Schritte gemacht werden. Sehr vielversprechend war zuletzt ein Therapieansatz, der die Antikörper von Personen verwendet, die bereits das Coronavirus durchlaufen haben. Diese werden dann bei Personen eingesetzt, die gerade akut die Infektion durchlaufen und schwere Symptome haben. An der Impfung arbeiten auch sehr viele unterschiedliche Gruppen. Das gestaltet sich aber nicht so einfach. Deshalb geht man davon aus, dass das unter Umständen noch ein Jahr oder bis zu zwei Jahre dauern könnte.

noe.ORF.at: Manche, die infiziert sind, zeigen gar keine Symptome und andere müssen intensivmedizinisch behandelt werden. Warum ist das so?

Schernhammer: Das ist auch so eine Frage, die momentan niemand gut beantworten kann. Tatsache ist, dass viele jüngere Menschen eine Krankheit durchlaufen haben, ohne es überhaupt gewusst zu haben – die sogenannte Dunkelziffer, die wir herausfinden wollen. Im Idealfall würde man hier in der Bevölkerung Antikörpertests durchführen.

noe.ORF.at: Man hört derzeit wenig von den Risikogruppen. Bei diesen Personen weiß man gar nicht, wie es weitergehen soll. Wie schätzen Sie das ein?

Schernhammer: Es wird gerade für die Risikogruppen ratsam sein, weiterhin besonders wachsam zu sein und die Maßnahmen weiter einzuhalten, etwa in Bezug auf Masken oder Abstand. Sie sollten sich vielleicht einen eingeschränkten Personenkreis überlegen, mit dem Sie, wenn das möglich ist, wieder in Kontakt treten.

noe.ORF.at: Wie wird unser Leben Ihrer Einschätzung nach bis zu einem Medikament oder bis zu einer Impfung weitergehen? Woran werden wir uns gewöhnen müssen?

Schernhammer: Ich denke, wir werden uns an eine gewisse Form der Einschränkung gewöhnen müssen, um die Infektion immer wieder in Schach zu halten. Das wird wahrscheinlich in Wellen verlaufen. Es wird Zeiten geben, in denen man sich etwas entspannter bewegen darf und dann wird es Zeiten geben, wo man wieder mehr auf Distanz und das Tragen von Masken achten muss. ich nehme an, dass wir in den nächsten Jahren mit immer wiederkehrenden Wellen an Restriktionen und Maßnahmen konfrontiert sein werden.

Das Gespräch führte Eva Steinkellner-Klein, noe.ORF.at