Mitarbeiterin in Sozialmarkt
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WIRTSCHAFT

Umfrage: Im Herbst 800 Lehrstellen weniger

Wegen der Coronavirus-Krise werden im Herbst in Niederösterreich 800 Lehrstellen weniger als im Vorjahr angeboten. Laut einer am Montag vorgestellten Telefonumfrage wollen aus derzeitiger Sicht nur 34 Prozent der 607 befragten Betriebe „mit Sicherheit“ Lehrlinge aufnehmen.

Hieß es vor der Coronavirus-Krise noch, dass Lehrlinge dringend gesucht werden, so hat sich seit dem Shutdown der Wirtschaft die Situation für eine Lehrstellensuche dramatisch verschlechtert. Ende Mai waren beim AMS Niederösterreich (AMS NÖ) mit 1.308 Personen so viele Lehrstellensuchende vorgemerkt wie noch nie. Dem gegenüber stehen derzeit aber nur 664 offene Lehrstellen.

Dazu kommt, dass laut einer aktuellen Umfrage der Peter Hajek Public Opinion Strategies GmbH – im Auftrag des Landes und der Sozialpartner – nur 34 Prozent der befragten Betriebe im Herbst ganz sicher Lehrlinge aufnehmen wollen, 23 Prozent sind noch unentschlossen, und weitere 38 Prozent sind schon jetzt ganz sicher, keine Lehrlinge aufnehmen zu wollen. Der Rest hat keine Angaben gemacht. Viel hänge von der wirtschaftlichen Stimmung und der gesundheitlichen Lage im Sommer ab, so Studienautor Peter Hajek, nach derzeitigem Stand werden aber voraussichtlich um 800 Lehrstellen weniger angeboten werden als im Jahr 2019.

Sozialpartner wollen gegensteuern

Dieser Prognose wollen das Land Niederösterreich und die Sozialpartner gegensteuern. Der von der Bundesregierung Ende Mai angekündigte Lehrlingsbonus von 2.000 Euro wird von der Wirtschaftskammer Niederösterreich (WKNÖ) als wichtiger Anreiz begrüßt. Wichtig seien aber auch gezielte Angebote, sagte WKNÖ-Präsident Wolfgang Ecker: „Wir haben in den letzten Jahren sehr viel für das Image der Lehre gemacht. Es wäre also sehr schade, wenn Jugendliche, die diese Ausbildungsform wählen möchten, jetzt keine Lehrstellen bekommen.“ Ecker appellierte auch an die Betriebe, gerade jetzt Lehrstellen anzubieten und will auch mehr Plätze in überbetrieblichen Lehrwerkstätten.

Sozialpartnertreffen
Josef Bollwein
Beim Gipfeltreffen am Montag in St. Pölten (v.l.): Landesrat Martin Eichtinger, IVNÖ-Präsident Thomas Salzer, WKNÖ-Präsident Wolfgang Ecker, AKNÖ-Präsident und ÖGB-NÖ-Vorsitzender Markus Wieser und AMS-NÖ-Landesgeschäftsführer Sven Hergovich

Eine Forderung, die die Arbeiterkammer Niederösterreich (AKNÖ) unterstützt. „Es ist wichtiger denn je, alles zu tun, um jedem Jugendlichen eine Perspektive zu geben, aber auch eine Ausbildung“, so AKNÖ-Präsident Markus Wieser. Seit dem Jahr 2010 seien „fast 24.000“ jungen Menschen, die in keinem Lehrbetrieb untergekommen waren, mithilfe von überbetrieblichen Lehrwerkstätten eine Ausbildung ermöglicht worden. 70 Prozent davon seien später an Unternehmen vermittelt worden.

Für den Präsidenten der Industriellenvereinigung Niederösterreich (IVNÖ), Thomas Salzer, steht die Industrie im Branchenvergleich bisher gut da. 80 Prozent der Betriebe wollten mindestens dieselbe Zahl der Lehrlinge wie im vergangenen Jahr einstellen. Dennoch müssten Betriebe noch weiter zur Ausbildungsstellenvergabe motiviert werden. „Jede Lehrstelle, die jetzt unbesetzt bleibt, führt in drei bis vier Jahren zum Fachkräftemangel“, betonte der IVNÖ-Präsident und forderte eine bessere Ausbildung für Lehrlingsanfänger etwa in den Bereichen Mathematik und Informatik.

Land Niederösterreich sichert Unterstützung zu

Das Land Niederösterreich sagte Unterstützung zu. Schon jetzt gibt es die angepasste Förderung von 120 Euro pro Monat für Lehrlinge. Die gemeinsam mit dem AMS ausgearbeitete Covid-Einstellungsbeihilfe soll zudem Unternehmen, die Lehrabschlussabsolventen anstellen, drei Monate lang mit bis zu 500 Euro monatlich unter die Arme greifen. Die 2019 gestartete Lehrlingsoffensive mit Investitionen von rund 46 Millionen Euro in 7.000 Ausbildungsplätze soll fortgesetzt werden. „Wir lassen nun einmal diese Anreizsysteme wirken. Dann werden wir eine entsprechende Analyse machen und uns überlegen, inwieweit wir als Land Niederösterreich Bundesmaßnahmen noch ergänzen können und was im Herbst erforderlich sein wird“, sagte der für den Arbeitsmarkt zuständige Landesrat Martin Eichtinger (ÖVP).

Trotz des derzeit düsteren Bildes versprach Sven Hergovich, Geschäftsführer des AMS NÖ, „dass wir jedem Jugendlichen in diesem Land einen Ausbildungsplatz zur Verfügung stellen“. Denn das sei wichtig für die Jugendlichen, aber auch für die Zukunft des Landes, so Hergovich. Laut AMS NÖ zeige die Erfahrung, dass ein Jugendlicher ohne abgeschlossene Ausbildung in seinem Arbeitsleben durchschnittlich zwölf Jahre lang arbeitslos ist.