Pflegeheim Tulln
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Gesundheit

Heime: Besuche ohne große Einschränkung

Ab Montag treten in Niederösterreichs Pflegeheimen weitere Lockerungen in Kraft. Angesichts der sinkenden CoV-Zahlen übten zuletzt Angehörige von Pflegeheimbewohnern Kritik an den strengen Besuchsregeln. Viele werden als unverhältnismäßig empfunden.

In den Pflege- und Betreuungszentren gilt nach wie vor, dass Besuche nur nach Termin, mit begrenzter Gesprächszeit und etwa mit einer Plexiglasscheibe oder mit einem Fenster zwischen den Bewohnerinnen und Bewohnern sowie den Gästen möglich sind. Solche Besuche wurden Ende April ermöglicht, zuvor hatte seit 14. März ein allgemeines Besuchsverbot gegolten. Bei der Volksanwaltschaft und der Patientenanwaltschaft häuften sich in den vergangenen Wochen Beschwerden über diese Regeln, denn in vielen Bezirken gebe es bereits über längere Zeit nur wenige Coronavirus-Fälle.

Die Beschwerden hätten alle etwas gemeinsam, so Heidi Pacher, zuständig für diesen Bereich bei der Volksanwaltschaft, denn die Angehörigen hätten die Maßnahmen zu Beginn unterstützt. In der jetzigen Situation würden sie von vielen aber „als übertrieben“ empfunden. „Kritisiert wird etwa die Wartezeit, die etwa zwei Wochen betragen kann und dann ist die Besuchszeit mit 15 bis 30 Minuten zu kurz. Bei manchen Angehörigen beträgt die Fahrtzeit ins Heim drei Stunden. Bei dementen Personen ist dann die Tagesverfassung ausschlaggebend. Oft wird dann der Besuch bereits nach fünf Minuten abgebrochen“, schildert Pacher die Anliegen gegenüber noe.ORF.at. Demente Personen würden ihre Angehörigen in der ungewohnten Umgebung und mit so viel Abstand nicht erkennen.

„Man fühlt sich total entmündigt“

Auch für den Umstand, dass die Bewohnerinnen und Bewohner das Heimgelände wochenlang nicht verlassen durften, gebe es keine rechtliche Grundlage, heißt es vonseiten der Volksanwaltschaft. Bei der Patientenanwaltschaft erhielt man ähnliche Kritik. Es gebe etwa keine privaten Gespräche, weil immer ein Mitarbeiter anwesend sei. In einer der Beschwerden an die Patientenanwaltschaft heißt es etwa: „Durch die ständige Anwesenheit einer Person, welche die Abstandsregelungen kontrolliert, hat man keine Privatsphäre. Hält man uns wirklich für so unfähig? Da fühlt man sich total entmündigt!“

Eine ältere Frau bekommt Besuch im Pflegeheim
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Zuerst gab es Freude über die Möglichkeit, Heimbewohner überhaupt wieder besuchen zu können, in den letzten Wochen aber Unverständnis über die Art und Weise

„Notwendig, um Risikogruppe zu schützen“

Die zuständige Soziallandesrätin Christiane Teschl-Hofmeister (ÖVP) versteht die Kritik, wie sie sagt, aber es sei darum gegangen, eine Risikogruppe zu schützen: „Wenn dort einmal ein Keim in ein Haus hineingetragen wird, dann kann wirklich Schlimmes passieren. Deswegen sind wir besonders vorsichtig gewesen, und ich halte das immer noch für gut argumentierbar.“

Das Gesundheitsministerium veröffentlichte diese Woche Empfehlungen, um sowohl Besuche als auch das Verlassen der Heime wieder annähernd so zu ermöglichen wie vor der Pandemie. Die Landespflegeheime werden die Empfehlungen ab Montag genauso umsetzen, sagt Teschl-Hofmeister: „Es wird so sein, dass man keine konkreten Zutrittskontrollen mehr hat, auch das Fiebermessen entfällt. Man muss keinen Mund-Nasen-Schutz mehr tragen, außer es ist der Abstand von einem Meter nicht gegeben.“ Allerdings müssen bei einem Besuch der Name sowie das Datum und die Zeit angegeben werden, damit im Fall einer Infektion die Rückverfolgung der Kontakte, das sogenannte Contact Tracing, möglich ist.

Ausflüge ab Montag wieder möglich

Auch Besuche in Gruppen sowie Besuche von Kindern sollen wieder möglich sein, ebenso wie das Verlassen der Heime für Ausflüge, wie in ein Kaffeehaus zu fahren oder Besorgungen zu erledigen. Dabei gehe es immer um die individuelle Situation: „Dass man nicht zu zehnt kommt und ein großes Fest feiert, ist aus meiner Sicht nachvollziehbar. Wenn der Besuch im Freien ist, dann kann man auch zu fünft oder zu sechst kommen. Wenn man jemanden in einem Zimmer besucht, in dem vielleicht noch ein anderer Bewohner zu Hause ist, dann sollte man Rücksicht auf alle Betroffenen nehmen“, so Teschl-Hofmeister.

Falls es zu lokalen Ausbrüchen des Coronavirus kommen sollte, könnten die Regeln in den Heimen aber auch wieder verschärft werden. Das soll dann aber individuell für die jeweiligen Einrichtungen passieren und nicht mehr für alle Heime des Bundeslandes gelten. Auch die Patientenanwaltschaft spricht sich für eine regionale Differenzierung aus. Patientenanwalt Gerald Bachinger sieht die Beschwerden als Anlass, um Prozesse zu verbessern: „Jetzt geht es darum, aus den von den Angehörigen – da und dort durchaus negativen – Erfahrungen zu lernen.“