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Chronik

Erfolgreiche „Therapie“ für Hassposter

Etwa 100 Personen, die sich mit verhetzenden Kommentaren im Internet strafbar gemacht haben, absolvierten im vergangenen Jahr das Programm „Dialog statt Hass“. Dabei geht es um Deliktverarbeitung und Bewusstseinsbildung. noe.ORF.at sprach mit einem von ihnen.

Das Programm wurde im Juli 2019 vom Verein Neustart, der unter anderem in der Bewährungshilfe tätig ist, ins Leben gerufen. Zielgruppe sind Personen, die erstmals Hasspostings formulierten und bisher nicht mit dem Gesetz in Konflikt kamen. Wird das Programm erfolgreich absolviert, erspart es den Klienten die Anklage. Denn was viele nach wie vor nicht wissen: Wer verhetzende Kommentare im Internet von sich gibt, macht sich strafbar.

Seit Juli 2019 absolvierten elf Personen in Niederösterreich das Programm „Dialog statt Hass“, österreichweit waren es über 100, sagt Alexander Grohs, Leiter des Vereins Neustart für Niederösterreich und das Burgenland. „Hasspostings stellen unsere Gesellschaft vor schwierige Herausforderungen. Uns und der Justiz war es daher wichtig, ein Programm zu entwickeln, das sich dem Thema konstruktiv widmet und dafür sorgt, dass es weniger Rückfälle gibt und damit weniger Opfer.“

„Wichtig ist, dass wir uns individuell anschauen, was die Ursachen für diese Hasspostings sind. Das können Ängste sein, aber auch, dass man sich emotional hochgeschaukelt hat, etwa aufgrund von Nachrichten, die man auf Facebook gesehen hat“, so der Leiter des Vereins Neustart für Niederösterreich und das Burgenland. Man wolle die Menschen aber nicht von den Sozialen Medien fernhalten, erklärt Grohs. „Es geht darum, wie ich mich auf Social Media bewege. Was ist Meinungsäußerung und wo wird die Grenze, also die rote Linie überschritten? Wo gehe ich in die Bereiche Beleidigung, Verleumdung und Verhetzung hinein?“

Immer mehr Menschen melden verhetzende Kommentare

Es gibt aber auch immer mehr Menschen, die verhetzende Postings nicht akzeptieren und bei den Behörden melden, weiß Grohs. „Die letzten zehn Jahre haben gezeigt, dass die Zahl der Anzeigen exorbitant gestiegen ist in diesem Bereich, dass die Leute sensibler reagieren, Postings melden und anzeigen und dass dann die Staatsanwaltschaft ins Spiel kommt, um Ermittlungen aufzunehmen.“

Betroffener von hinten im Gespräch
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Andreas hatte nach einem verhetzenden Posting die Wahl: Anklage oder das Programm „Dialog statt Hass“

So erging es auch Andreas, der sich 2019 zu einem unüberlegten Kommentar im Internet hinreißen ließ. „Da war ein Beitrag auf Facebook über Ausländer, wo fest geschimpft worden ist“, erzählt Andreas. „Ich habe die ganzen Kommentare gelesen. Alle haben geschimpft und da habe ich mir gedacht: ich schreibe auch dazu, ich schimpfe auch mit, dass man dazu gehört, wie man so schön sagt, aber das war ein Fehler“, gesteht Andreas heute.

Sein Hassposting erfüllte den Tatbestand der Verhetzung nach Paragraph 283 des Strafgesetzbuches – ein Umstand, der ihm nicht bewusst war. „Ich habe das geschrieben und für mich war das Thema abgeschlossen, bis ich ein halbes Jahr später einen Brief von der Staatsanwaltschaft gekriegt habe.“

Andreas hatte die Wahl: Entweder eine Anklage in Kauf zu nehmen oder beim Programm des Vereins Neustart mitzumachen. Andreas entschied sich für das Neustart-Programm. „Wir haben darüber gesprochen, wie leicht man da hineinrutschen kann, was man sagen sollte und was man besser nicht sagen sollte. Und wenn man irgendwas schimpfen will, dann sollte man es so formulieren, dass es eben nicht beleidigend wird. Heute weiß ich, dass das Posting falsch war, dass man so etwas nicht zu schreiben hat.“