Firmengelände von außen
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Chronik

Gerasdorf: Zweiter Tatverdächtiger verhaftet

Nachdem am Samstagabend ein Mann in Gerasdorf bei Wien (Bezirk Korneuburg) ermordet wurde, gibt es nun erste Ermittlungsergebnisse. Der Mann sei durch mehrere Schüsse getötet worden. Unterdessen wurden zwei tatverdächtige Männer verhaftet.

Das Opfer, ein 43-jähriger russischer Staatsbürger, dürfte sich in Gerasdorf mit dem mutmaßlichen Täter, einem 47 Jahre alten Landsmann, getroffen haben. Hinter einer aufgelassenen Firmenhalle fielen schließlich die tödlichen Schüsse. Der Notruf ging bei der Landesleitzentrale Wien ein. Abgesetzt wurde er von einem Zeugen, am Tatort dürfte also ein dritter Mann gewesen sein.

Tatort Gerasdorf mit Polizeiauto
ORF/Rohrhofer
Die Polizei sicherte am Sonntag noch weitere Spuren am Tatort

Sonntagvormittag sicherte die Polizei weitere Spuren am Tatort in der Nähe der Brünner Straße (B7) in der an Wien angrenzenden niederösterreichischen Stadtgemeinde. In welcher Verbindung Opfer und Täter standen sowie das Motiv sind derzeit noch unklar.

Rohrhofer (ORF) aus St. Pölten

ORF NÖ-Reporter Gernot Rohrhofer über die Hintergründe zur Bluttat in Gerasdorf.

Die Polizei schließt nicht aus, dass es sich um einen politischen Auftragsmord handeln könnte. Ebenso könnte aber auch ein Autokauf missglückt sein. Ein dementsprechender Bericht der „Kronen Zeitung“ wurde von der Polizei weder bestätigt noch dementiert.

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Festnahme in Linz
laumat.at/Matthias Lauber
Der mutmaßliche Täter wurde noch in der Nacht in Linz verhaftet
Festnahme in Linz
laumat.at/Matthias Lauber
Festnahme in Linz
laumat.at/Matthias Lauber
Festnahme in Linz
laumat.at/Matthias Lauber

Der Verdächtige selbst hat bisher keine Angaben gemacht. Er wurde in die Justizanstalt Korneuburg eingeliefert und soll noch am Sonntag einvernommen werden. Über ihn wurde bereits die Untersuchungshaft verhängt. Er war noch in den Abendstunden in Linz festgenommen worden. Der 47-Jährige war nach einer Verfolgung unter Beteiligung von Beamten des EKO-Cobra gegen 21.35 Uhr verhaftet worden. Er leistete keinen Widerstand – mehr dazu in Nach Mord in Gerasdorf: Festnahme in Linz (ooe.ORF.at; 5.7.2020).

Zweite Festnahme nach Bluttat

Unterdessen wurde Sonntagnachmittag ein weiterer Mann festgenommen. Er befindet sich ebenfalls in der Justizanstalt Korneuburg in Untersuchungshaft. Der Mann soll sich zum Tatzeitpunkt am Tatort – ein Firmengelände bei einem großen Einkaufszentrum in Gerasdorf (Bezirk Korneuburg) – aufgehalten haben und war zunächst als Zeuge geführt worden.

Bei der polizeilichen Befragung verwickelte er sich dann aber in Widersprüche, sodass er schließlich wegen Verdachts auf eine mögliche Beteiligung an dem Verbrechen festgenommen wurde. Nähere Angaben zu seiner Identität wurden nicht bekanntgegeben, am Sonntagnachmittag wurde auf Ersuchen der mit den Ermittlungen betrauten Staatsanwaltschaft Korneuburg eine Informationssperre verhängt.

Verfassungsschutz ermittelt

Das Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung nahm die Ermittlungen auf. Die Staatsanwaltschaft Korneuburg ordnete die Obduktion des Opfers an. Der Erschossene war seit 2007 als anerkannter Konventionsflüchtling in Österreich gemeldet. Zuletzt hatte er in einem Videoblog die Führung der russischen Teilrepublik Tschetschenien provoziert und insbesondere den Regionalpräsidenten Ramsan Kadyrow beschimpft.

Laut Walter Schwarzenecker von der Landespolizeidirektion Niederösterreich war der russische Asylwerber am Samstag kurz nach 19.00 Uhr im Bereich der Einfahrt zu einer Baufirma an der Brünner Straße (B7) erschossen worden.

Mordopfer hatte Angst vor Attentat

Der erschossene gebürtige Tschetschene dürfte Angst vor einem Attentat gehabt haben. Der 43-Jährige habe ihn Mitte Juni um Hilfe bei der Beschaffung einer kugelsicheren Weste ersucht, berichtete der ukrainische Ex-Politiker Ihor Mossijtschuk am Sonntag der APA. Mossijtschuk selbst hat 2017 einen Terroranschlag in Kiew überlebt. Davon soll das Opfer laut ukrainischen Ermittlungen vorweg gewusst haben.

„Er hat mich gebeten, beim Kauf einer kugelsicheren Weste sowie eines Hemds aus Kevlar (widerstandsfähiger Stoff, Anm.) zu helfen. Er gab mir auch seine Maße“, schilderte der Ex-Abgeordnete. Er habe in Folge Bekannte in Israel kontaktiert, wo derartige Spezialkleidung produziert wird, sagte Mossijtschuk. Die in Österreich im Exil lebenden Tschetschen sorgen sich nun um ihre Sicherheit und fordern eine Aufklärung der Tat. Deswegen ist auch für Dienstag eine Demonstration in Wien geplant.