Skulptur von Florian Pumhösl in Lunz am See
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Kultur

Lunz: Mahnmal gegen das Vergessen

Am Freitag wird in Lunz am See (Bezirk Scheibbs) ein Mahnmal zum Gedenken an die NS-Vergangenheit des Ortes präsentiert. Florian Pumhösl möchte mit einer minimalistischen Sgrafittowand auf die Gefahren der politischen Indoktrinierung hinweisen.

Das fünf Meter breite und drei Meter hohe Mahnmal entstand vor dem Hintergrund der Geschichte des Gebäudes des heutigen WasserCluster Lunz, dem Universitätszentrum für die Erforschung aquatischer Ökosysteme, das ab Sommer 1940 als neu gebautes Gaujugendheim unter anderem als Organisationszentrale für die Lunzer Wehrertüchtigungslager der Hitlerjugend verwendet wurde. Das Projekt ging aus einer Initiative des WasserCluster in Kooperation mit der Abteilung Kunst und Kultur/Kunst im öffentlichen Raum des Landes Niederösterreich hervor.

Ehemaliges Gaujugendheim in Lunz am see Postkarte nach 1945
WasserCluster Lunz
Dieses Gebäude wurde Ende der 1930er Jahre als „Gaujugendheim“ errichtet und ab den 1970er Jahren zum WasserCluster Lunz erweitert (Postkarte, nach 1945)

Der WasserCluster Lunz wollte die Vergangenheit rund um das Gebäude sichtbar machen und eine Auseinandersetzung mit der Geschichte ermöglichen. „1940 wurde ein Gaujugendheim errichtet, das unter anderem als Organisationszentrale für die Wehrertüchtigungslager der Hitlerjugend diente. 14- bis 18-jährige Burschen wurden hier militärisch ausgebildet und mit Vorträgen nationalsozialistisch ‚geformt‘. Sowohl der Leiter des Lunzer HJ-Lagers als auch der HJ-Gebietsführer vom Gau Niederdonau waren später an massiven Kriegsverbrechen beteiligt“, heißt es seitens Kunst im öffentlichen Raum Niederösterreich, Kooperationspartner des WasserCluster Lunz bei diesem Projekt.

Pumhösl ermöglicht eine Neubetrachtung der Ereignisse

Der international renommierte Künstler Florian Pumhösl verwendet für seine Werke häufig historische Themen als Grundlage und bezieht originales Quellenmaterial mit ein, das er reduziert, neu ordnet oder in ungewohnte Zusammenhänge stellt, um so eine Neubetrachtung zu ermöglichen.

So auch in Lunz: Auf den ersten Blick fügt sich eine weithin sichtbare, auf einer Wiese stehende Wand durch die regional gebräuchliche Sgraffito-Technik durchaus in die Umgebung ein. Dem weißen Verputz ist hier aber kein ornamentales Muster eingeschrieben, sondern ein Ausschnitt des Stimmzettels für die „Volksabstimmung zur Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich“ am 10. April 1938.

Buben eines der Lunzer Lager der erweiterten Kinderlandverschickung (KLV) vor der Pfarrkirche, Lunz am See. 
Fotoalbum G. Matthiae, 1943
NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln, N2429-307-4
Teilnehmer an einem Lager der erweiterten Kinderlandverschickung vor der Pfarrkirche Lunz am See (Fotoalbum Gerd Matthiae, 1943)

Die Volksabstimmung war weder frei noch geheim. Sie schloss viele Menschen aufgrund der rassischen Bestimmungen aus, und die wenigen Wahlberechtigten, die den Mut besaßen, dieser Wahl und damit dem NS-Regime mit einem Nein entgegenzutreten, wie der Lunzer Wilhelm Mathes, waren unmittelbaren Konsequenzen ausgesetzt. Zur gleichen Zeit fand bereits eine organisierte Indoktrinierung der Bevölkerung und vor allem der Jugend statt.

Die schlichte, doch weit sichtbare Markierung von Florian Pumhösl inmitten der Narzissenwiese ordnet die Geschehnisse in und um Lunz während des Dritten Reiches in einen größeren Zusammenhang ein. Pumhösl weist damit auf eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung hin, die jede Generation von Neuem tragen muss.

Skulptur von Florian Pumhösl in Lunz am See
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Florian Pumhösls fünf mal drei Meter große Mahnung in Lunz am See: „Demokratische Rechte müssen immer geschützt werden, weil sie kein natürlicher Umstand, sondern ein von Menschen erkämpftes Gut sind.“

„Verantwortung hört nirgends auf“

„Das Wandbild ist bewusst auf die beiden für die Abstimmung verwendeten Wahlmöglichkeiten reduziert: ein großer Kreis dem Ja und ein kleiner Kreis dem Nein. Einzig die verwendete Frakturschrift verweist auf die historische wie politische Dimension des Bildes und macht sie gleichzeitig unübersehbar. Umgeben von der malerischen Umgebung fügt sich die Wand in die Landschaft und bricht gleichzeitig aus ihr heraus – macht Bewohner*innen wie Besucher*innen bewusst, dass Verantwortung füreinander nirgends aufhört und demokratische Rechte immer geschützt werden müssen, weil sie kein natürlicher Umstand, sondern ein von Menschen erkämpftes Gut sind.“ (Kunst im öffentlichen Raum Niederösterreich)

Florian Pumhösl, Jahrgang 1971, lebt und arbeitet in Wien und München. Seine Arbeiten basieren häufig auf historischen Themen unter Verwendung zeitgenössischer Originalmaterialien. Er erhielt zahlreiche internationale Preise, seine Arbeiten werden seit vielen Jahren in den wichtigsten Galerien und Museen gezeigt. Seit 2018 ist Florian Pumhösl Professor für Bildhauerei an der Akademie der Bildenden Künste München.