Szene aus Utopia im Theater im Bunker 2020
Bettina Frenzel
Bettina Frenzel
Kultur

„Utopia“: Ein Blick auf „schöne neue Welten“

Im Bunker von Hinterbrühl bei Mödling war am Sonntagabend die Premiere der neuen Produktion „Utopia. Schöne neue Welt(en)“ als extravagantes Stationentheater – mit kleineren Gruppen als sonst und unter Beachtung der Sicherheitsvorschriften.

Gut eindreiviertel Stunden lang durchwandern die mit Plastik-MNS ausgestatteten Besucher 18 Stationen in den ehemaligen Luftschutzstollen, die Marcus Ganser ganz unterschiedlich gestaltete. Intendant und Regisseur Bruno Max stellte diesen Streifzug durch Utopien und Dystopien, durch spannende Räume, reale Vergangenheit, ausgedachte Zukunft und ungewöhnliche Geschichten zusammen.

Ein Streifzug von Jules Verne bis Aldous Huxley

Natürlich bilden Auszüge aus Aldous Huxleys Roman „Schöne neue Welt“ eine Art roten Faden. So wird man etwa Zeuge der Besichtigung einer zentralen Brut- und Konditionierungsanstalt durch Alphastudenten. Immer wieder geht es um totalitäre gesellschaftliche Trends und um die Ohnmacht intellektueller Visionäre angesichts realer Entwicklungen, besonders deutlich in der „Bar der überholten Utopisten“, wo Isaac Asimov (Max) auf die vom Verlauf der Geschichte desillusionierten Leitfiguren Thomas Morus, Jules Verne, Lenin und Orwell trifft, Friedensaktivistin Bertha von Suttner liegt überhaupt schon betrunken unter der Theke.

Szene aus Utopia im Theater im Bunker 2020
Bettina Frenzel
Simon Schober (l.) und Bernadette Mold in „Utopia. Schöne neue Welt(en)“

Auch die idealistischen Stadtplanungskonzepte von Walt Disney (Hermann J. Kogler) werden nach seinem Ableben von Mickey Mouse brutal zum kommerziellen Zerrbild umfunktioniert. Ein Zukunftsforscher namens Matthias H. (Bernie Feit) liefert „schöne“ Aussichten für 2021, und der Wahrsager Hanussen II (Wolfgang Lesky) wird mit falschen Voraussagen aus dem Jahr 1973 zitiert. Selbst die Internetseite des amerikanischen Zivilschutzes bietet allerlei Skurriles. Es ist eben wirklich schwer, Prognosen zu machen, vor allem, wenn sie die Zukunft betreffen – ein Bonmot, das Mark Twain ebenso wie Karl Valentin zugeschrieben wird.

„Wir haben die Idee für ‚Utopia‘ bereits vor der Covid-Krise erdacht, aber die Wirklichkeit überholt die Kunst gelegentlich unter Nichteinhaltung jeglicher Verkehrsvorschriften“, erläuterte Max. Ein Großaufgebot an Mitwirkenden ist auch heuer wieder mit dabei. Für die meisten, so Max, sei es „die erste professionelle Arbeit seit mehr als einem halben Jahr“. Entscheidend sei die „Versammlung Gleichgesinnter“, sagt der Prinzipal, das „unmittelbare körperliche Erlebnis, das nicht durch Videos, sonstige Konserven und Auf-dem-Balkon-Singen“ ersetzt werden könne. Ein wahres Wort samt Antritt des Wahrheitsbeweises.