Isolationsprojekt Bitte nicht berühren
Birgit Schaller
Birgit Schaller
Kultur

HIN & WEG: Eine andere Art von Festival

Von Freitag bis Sonntag findet das zweite und damit letzte Wochenende des Theaterfestivals HIN & WEG in Litschau (Bezirk Gmünd) statt. Am Sonntagabend geht auch das Isolationsexperiment „Bitte nicht berühren“ von kollekTief zu Ende.

Im Schuppen und im Stadl, in der alten Strickereifabrik und im aufgelassenen Supermarkt, in der Werkshalle des Spenglermeisters und im ehemaligen Lichtspieltheater, in Wohnzimmern und sogar in einem Sonderzug der Waldviertelbahn – überall in Litschau wird in diesen Tagen musiziert und gespielt, gelesen und performt.

"Fertig ist hier wenig, improvisiert wird viel. Alles darf ausprobiert werden, und scheitern gibt’s nicht. Denn die bis 16. August dauernden „Tage für zeitgenössische Theaterunterhaltung" verstehen sich nicht nur als künstlerische Mutinjektion für eine Gegend, die sonst eher für ihre Wälder und Teiche bekannt ist, sondern auch als Experimentierfeld für alle Formen von Dramatik“, schrieb Wolfgang Huber-Lang von der Austria Presse Agentur über das erste Festivalwochenende.

Alina Schaller beim Isolationsprojekt Bitte nicht berühren
Constantin Widauer
Alina Schaller

14 Tage Isolation: „Bitte nicht berühren“

Heuer sind es nicht nur die etwa 140 Performances, die bei der dritten Auflage des Festivals stattfinden, sondern es ist das Isolationsexperiment „Bitte nicht berühren“. Etwas abseits des Festival- und Publikumstrubels stehen beim Feriendorf Königsleitn kreisförmig gruppiert fünf Boxen mit je einer Glasfront. Hier bezogen fünf Mitglieder der Gruppe kollekTief (Alina Schaller, Anna Marboe, AntoN Widauer, Felix Kammerer und Tilman Tuppy) am 1. August ihr Quartier und leben, schlafen, essen und arbeiten öffentlich, aber ohne hautnahen Kontakt zu einander und zum Publikum.

Das Isolationsprojekt wird von einem strikten Zeitplan strukturiert, der vom Weckruf um 9.00 Uhr bis zu abendlichen gemeinsamen „Ritualen“ und Performances reicht. In den Boxen, die in ihrer Größe, aber auch in ihren Einrichtungen spartanischen „Tiny Houses“ gleichen, erleichtern Mikrofone die Kommunikation untereinander und mit dem Publikum, und eine Performerin hat bereits eine Möglichkeit gefunden, in dieser Zoo-Situation doch Privatheit herzustellen: Sie hat die Glasfront von innen mit A4-Seiten beklebt, um sich zumindest vorübergehend vor Blicken zu schützen.

Felix Kammerer beim Isolationsprojekt Bitte nicht berühren in Litschau
Birgit Schaller
Felix Kammerer

„Ein bisschen geht ein utopischer Traum in Erfüllung“

Box 8 teilte einer Festivalmitarbeiterin mit: „Mir geht’s sehr gut, letzte Woche war hart“ und „Wir bekommen so viel, wie in einem Mutterbauch, sagen wir Boxen oft, Geschenke und Liebe von den Menschen draußen. Wir wissen teilweise gar nicht, wie wir damit umgehen sollen“. Und: „Durch das Eliminieren der Ablenkungen ist man so frei, so kreativ“ – Geräte wie Mobiltelefone oder Tablets sind zwei Wochen lang verboten. Dazu Box 11: „Das analoge Leben ist schön!“. Und der Zwiespalt, denn „ein bisschen geht ein utopischer Traum in Erfüllung, allerdings hätte ich so was alleine nicht durchgezogen" und „Umarmungen und körperliche Nähe werden wieder etwas sehr Schönes sein“.

Nach zwei Wochen wird das Projekt in eine Abschlussperformance münden (Sonntag, 20.30 Uhr, Herrenseetheater). „Um auch den Zusehenden die Isolationswelten der Performerinnen und Performer erfahrbar zu machen, werden alle Boxen nach diesen zwei Wochen für das Publikum begehbar sein – ein Rundgang durch Ausstellungsräume, ein Besuch der Einsamkeit anderer“, schreiben die fünf von kollekTief.

Bis dahin gibt es bei HIN & WEG noch zahllose Gespräche (morgens in der „Teelöffel-Lounge“, abends rund um den Feuerkorb), szenische Lesungen, Gastspiele, einen der niederösterreichischen Autorin Magda Woitzuck gewidmeten Hörspiel-Schwerpunkt, Konzerte, Workshops und sogar Yoga-Sessions. „Vor allem aber gibt es eine einzigartige Stimmung“, so APA-Kulturchef Wolfgang Huber-Lang.