Agrana-Zuckerwerk in Leopoldsdorf
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Wirtschaft

Zuckerfabrik Leopoldsdorf vor dem Aus

Wie die Agrana in einer „Ad-hoc-Mitteilung“ am Dienstag bekanntgegeben hat, soll die Zuckerfabrik in Leopoldsdorf (Bezirk Gänserndorf) geschlossen werden. Der Standort könnte nur fortgeführt werden, wenn es die Zusicherung einer Anbaufläche in Österreich von zumindest 38.000 Hektar bis Mitte November 2020 gebe.

Seit 1901 wird in Leopoldsdorf Zucker produziert, nun soll mit Ende des Jahres nach der heurigen Rübenkampagne Schluss sein. Der Aufsichtsrat der Agrana Beteiligungs-AG stimmte in seiner Sitzung am Dienstag der Schließung im Dezember 2020 zu. Künftig soll Wiener Zucker in Niederösterreich nur noch in Tulln produziert werden. Für die 150 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Leopoldsdorf gibt es einen vorbereiteten Sozialplan, bis zu 20 könnten weiterhin für einen Lagerstandort und ein Rübenlabor beschäftigt bleiben.

Heuer war der Betrieb von zwei Zuckerwerken in Niederösterreich trotz der geringen Rübenanbaufläche von nur 26.000 Hektar noch sinnvoll, hieß es – aufgrund der vorteilhaften Vegetationsbedingungen und der dadurch zu erwartenden außerordentlich hohen Rübenerträge.

Agrana-Zuckerwerk in Leopoldsdorf
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Um das Werk zu erhalten, müsste die Rübenanbaufläche auf 38.000 Hektar steigen

Künftig sei die Erhaltung von zwei Standorten aber nicht mehr sinnvoll, sagte das Unternehmen. „Eine Zuckerfabrik braucht Rüben“, so Vorstandsvorsitzender der Agrana, Johann Marihart. „Unser Thema war der Flächenverlust, insbesondere in den letzten drei Jahren, wo wir letztlich von etwa 40.000 Hektar auf heuer 26.000 gefallen sind.“ Als Gründe dafür wird die Rüsselkäfer-Plage, aber auch generell die Trockenheit genannt.

Marihart: „Unmögliche Bedingungen stellen wir nicht“

Sollte bis Mitte November keine Zusicherung einer Anbaufläche in Österreich von zumindest 38.000 Hektar gegeben sein, werde das Werk Leopolsdorf endgültig geschlossen. Zu den Forderungen, die Anbaufläche zu erhöhen, sagte Marihart gegenüber noe.ORF.at: „Ich denke, es ist möglich. Unmögliche Bedingungen stellen wir nicht.“

„Aus heutiger Sicht würden die Restrukturierungsaufwendungen im Falle einer endgültigen Schließung bis zu 35 Millionen Euro betragen, wovon bis zu 15 Millionen Euro liquiditätswirksam wären“, schrieb die Agrana in der Mitteilung.

Köstinger lädt alle Beteiligten zu Gipfelgespräch

Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) sagte am Dienstag, dass die Schließung der Zuckerfabrik in Leopoldsdorf „ein schwerer Schlag für die Zuckerproduktion und den Rübenanbau in Österreich" wäre. Es ginge vor allem um die Selbstversorgung Österreichs mit Zucker aus heimischer Produktion. „Ich werde umgehend alle Beteiligten – Vertreter der Rübenbauern, Bundesländer, Landwirtschaftskammer und Agrana – zu einem Gipfelgespräch einladen, um gemeinsam Lösungen zu erarbeiten“, so Köstinger.

Agrana-Zuckerwerk in Leopoldsdorf
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Klares Bekenntnis zu Mitteln für Schädlingsbekämpfung

Der für Landwirtschaft zuständige Landeshauptfrau-Stellvertreter Stephan Pernkopf (ÖVP) sagte im Interview mit noe.ORF.at, dass es nun „eine nationale Kraftanstrengung“ brauche. Es müsse in Österreich das klare Bekenntnis dazu geben, wirksame Mittel zur Schädlingsbekämpfung zur Verfügung zu stellen. Denn: „Wenn Zucker nicht in Österreich produziert wird, dann kommt er von irgendwo her, im schlimmsten Fall von Zuckerrohrplantagen in Brasilien, wo zuvor Regenwald gerodet wurde. Das können wir nicht wollen.“

Bürgermeister spricht von „Katastrophe“ für die Region

Von einer „Katastrophe für die Marktgemeinde Leopoldsdorf im Marchfelde und die gesamte Region“ sprach Bürgermeister Clemens Nagel (SPÖ) in einer Reaktion. 150 Voll- und 100 Kampagnenarbeitsplätze gingen verloren, sagte er Dienstagabend zur APA. Das sei eine Tragödie für viele Familien. Für die Marktgemeinde bedeutet die Schließung der Fabrik eine finanzielle Einbuße. In guten Jahren seien 300.000 Euro an Kommunalsteuer seitens der Agrana geflossen, so der Bürgermeister.