Jochen Rindt gewinnt GP von Zandvoort 1970
Sport

Jochen Rindt: Ein Mythos lebt weiter

Am Samstag jährt sich zum 50. Mal der Todestag von Jochen Rindt. Der Formel-1-Rennfahrer verunglückte in Monza. Dreimal gewann er das Formel-2-Rennen in Langenlebarn. Als Mythos lebte Rindt auch in Niederösterreich in den letzten Jahren weiter.

Eine Zigarette im Mundwinkel, eine auffällige Nase, die Sonnenbrille, ein verschmitztes Lächeln, ein schlaksiger Gang: lässig, selbstbewusst, charismatisch kam Jochen Rindt daher. Ein Typ, der auf- und gefiel. Ein Draufgänger, sobald er in einem Rennwagen saß. Am 5. September 1970 wurde ihm diese Leidenschaft zum Verhängnis, Rindt verunglückte im Training in Monza (Italien) tödlich.

Marko: „Der populärste Sportler, den Österreich je hatte“

„Er ist mit seinem ganzen Auftreten herausgeragt aus der Masse“, erinnerte sich sein Schulfreund und heutiger Red-Bull-Motorsportberater Helmut Marko Anfang Juli am Rande des Grand Prix von Österreich. Für den 77-jährigen Steirer ist Rindt viel mehr als eine Formel-1-Legende.

Jochen Rindt 1970
dpa
Jochen Rindt (1942-1970)

„Egal wann man hinkommt, sind auch 50 Jahre nach seinem Tod immer Blumen und Kerzen an seinem Grab. Wir sind eine Skination, aber ich glaube, Jochen ist der populärste Sportler, den Österreich je hatte. Er war ein Mythos“, sagte Marko am Montagabend in der ServusTV-Sendung „Sport und Talk aus dem Hangar-7“.

Jochen Rindt verfolgte in seiner Karriere ein Ziel: Er wollte unbedingt Formel-1-Weltmeister werden. Als Nina Rindt die von ihrem Mann ersehnte WM-Trophäe entgegennahm, war er aber schon seit zwei Monaten tot. „Es war seine Leidenschaft. Er hat das gemacht, was er liebte“, sagt die Finnin in der ARD-Dokumentation „Jochen Rindts letzter Sommer“ aus dem Jahr 2010.

Vor 50 Jahren kam es im Training zum Grand Prix von Italien zum Unglück: In der Parabolica krachte Rindt mit seinem Lotus 72 in die Leitschienen. Die Ursache war eine gebrochene Bremswelle vorne rechts. Rindt wurde nur 28 Jahre alt und zum bisher einzigen Piloten, der posthum Formel-1-Weltmeister wurde.

Fotostrecke mit 7 Bildern

Jochen Rindt GP Deutschland 1969
Jochen Rindt mit dem Lotus 49 beim Grand Prix von Deutschland 1969
Jochen Rindt Grand Prix Zandvoort 1969
Jochen Rindt beim Grand Prix Zandvoort 1969
Jochen Rindt Grand Prix Deutschland 1969
Jochen Rindt in seinem Lotus 49 beim Grand Prix Deutschland 1969
Jochen Rindt GP Zandvooert 1970
Jochen Rindt mit dem Lotus 72 beim Grand Prix Zandvoort 1970
Colin Chapman und Jochen Rindt GP Zandvoort 1970
Colin Chapman (l.) und Jochen Rindt, Grand Prix Zandvoort 1970
Jochen Rindt Jackie Icky GP Zandvooert 1970
Jochen Rindt führt im GP von Zandvoort 1970 vor Jacky Ickx (Ferrari), der Dritter wird
Jochen Rindt 1966
APA/dpa/Steiner
Jochen Rindt, 1966

Die Bilder sind unvergesslich. Ehefrau Nina auf einem Barhocker in der Lotus-Box sitzend, mit bangem Blick, eine Stoppuhr in der Hand. Sie wartete auf ihren Mann, während alle anderen Fahrer zurück von der Strecke kamen. Es wurde immer ruhiger. Jackie Stewart, Rindts Rivale und enger Freund, kam zu ihr, sagte, was geschehen war. Bernie Ecclestone, späterer Formel-1-Boss, hatte den blutverschmierten Helm seines Freundes in Händen.

Rindt: „Ich fühle mich als Europäer“

„Fünf der der ersten acht Weltmeisterschaftsläufe sahen den Wahlgrazer als Sieger und einsam führenden Mann in der Weltmeisterschaft. An einen möglichen Unfall konnte und wollte man einfach gar nicht glauben, so sicher schienen Rindt und sein Lotus. Aber war es nicht auch so bei Rindts großem Vorbild Jimmy Clark der Fall, der vor mehr als zwei Jahren am Hockenheimring aus dem Leben gerissen wurde? Jochen Rindt, vor Jahren noch als fahrzeugmordender, junger, rücksichtsloser Rennfahrer bezeichnet, entwickelte sich in den letzten beiden Jahren zu einem der ganz großen Fahrer aller Zeiten. Rindt konnte auf einmal auch auf den richtigen Zeitpunkt warten, fuhr mit Kopf und nie mehr über seine Verhältnisse “, so ORF-Reporter Robert Seeger in seinem Nachruf am 5. September 1970 in Radio Steiermark.

Die Erschütterung in und außerhalb der Motorsport-Welt über Rindts Tod war groß, vergleichbar nur mit den Unfall-Tragödien des Briten Jim Clark 1968 in einem Formel-2-Rennen auf dem Hockenheimring und des Brasilianers Ayrton Senna 1994 in Imola. 30.000 Menschen gaben Rindt in Graz sechs Tage nach dessen Tod das letzte Geleit. Rennfahrer-Kollege Joakim Bonnier sagte in seiner Trauerrede: „Und egal, was in den nächsten Wochen noch passiert: Für uns ist Jochen der Weltmeister.“

Rindt hatte Mut, Selbstvertrauen und eine Vision

Laut Marko ist es „dem kleinen Österreich gelungen, einen Weltstar in der Formel 1 hervorzubringen“. Dabei war Rindt gar kein Österreicher. Geboren wurde er am 18. April 1942 in Mainz. Sein Vater war Deutscher, seine Mutter Österreicherin. Sie besaßen eine Gewürzmühle. Als seine Eltern 1943 bei einem Bombenangriff in Hamburg ums Leben kamen, nahmen ihn seine Großeltern in Österreich zu sich. Er blieb Deutscher, doch fuhr er mit österreichischer Rennfahrerlizenz. „Ich fühle mich als Europäer“, sagte er einmal bei einem TV-Interview.

Formel-2-Rennen am Flugplatz in Langenlebarn

Auf dem Flugplatz in Langenlebarn (Bezirk Tulln) fand am 16. Juli 1967 ein Formel-2-Rennen statt, an dem zahlreiche prominente Fahrer am Start waren, unter anderem der dreifache Formel-1-Weltmeister Jack Brabham und Jungstar Jochen Rindt.

Seinen Entschluss, Rennfahrer zu werden, traf er 1961 bei einer Reise zum Nürburgring mit seinem Jugendfreund Marko. Er ging nach England, um Anschluss an die internationale Szene zu finden. „Unser Schulenglisch hat ja grad mal gereicht, um etwas zu essen zu bestellen. Da brauchst du Mut, eine Vision. Und viel Selbstvertrauen“, erinnerte sich Marko im Juli im „Red-Bull-Bulletin“.

Rindt stieg schnell zum Star auf und gewann bereits 1965 den 24-Stunden-Klassiker in Le Mans. Seine ORF-TV-Sendung „Motorama“ wurde Kult. Er moderierte im Pelzmantel oder interviewte seine Formel-1-Kollegen. In Wien veranstaltete er 1965 erstmals die Jochen-Rindt-Show. Privat fand er sein Glück mit Nina, sie heirateten 1967, 1968 kam Tochter Natascha.

„Bei Lotus kann ich Weltmeister werden oder sterben“

In der Formel 1 fehlte ihm lange ein siegfähiges Auto. 1964 bestritt er sein erstes von 60 Rennen. Erst 1969 kam die große Chance: Lotus-Chef Colin Chapman wollte ihn als Clark-Ersatz. Der Brite galt als genialer, aber rücksichtsloser Konstrukteur. „Bei Lotus kann ich Weltmeister werden oder sterben“, sagte Rindt vor seiner Vertragsunterzeichnung.

Fotostrecke mit 9 Bildern

Jochen Rindt im Cooper Climax 1966
Jochen Rindt im Cooper Climax, 1966
Jochen Rindt Grand Prix Zandvoort 1969
Jochen Rindt im Grand Prix Zandvoort 1969
Jochen Rindt und Colin Chapmann GP Zandvoort 1970
Jochen Rindt und Colin Chapmann (r.) nach der Siegerehrung beim Grand Prix Zandvoort 1970
Jochen Rindt Formel 2 Nürburgring 1970
Jochen Rindt bei einem Formel-2-Rennen, Nürburgring 1970
Jochen Rindt Grand Prix Zandvoort 1969
Beim Grand Prix in Zandvoort im Jahr 1969 schied Jochen Rindt aus
Jochen Rindt Grand Prix Deutschland 1969
Grand Prix Deutschland 1970
Fahrlehrgang in Aspern 1966
Fahrlehrgang mit Jochen Rindt (l.) in Wien-Aspern im Jahr 1966
Porsche 907 Jochen Rindt Gerhard Mitter Le Mans 1967 Techno-Classica 2019
Bei der Techno-Classica 2019 wurde jener Porsche 907 ausgestellt, mit dem Jochen Rindt und Gerhard Mitter 1967 beim 24-Stunden-Rennen von Le Mans teilnahmen, jedoch ausfielen
Jochen Rindts Lotus 49 Stadtmuseum Graz
APA/Ingrid Kornberger
Im Stadtmuseum Graz wurde 2007 Jochen Rindts Lotus 49 gezeigt, mit dem er 1969 seinen ersten Grand Prix in Watkins Glen gewann

Die Beziehung war von Beginn weg schwierig. „Ich habe zu Lotus noch nie ein Vertrauen gehabt“, schimpfte Rindt, nachdem in Barcelona ein Flügel an seinem Wagen gebrochen und er verunfallt war. Doch im vorletzten Rennen der Saison 1969 in Watkins Glen feierte er doch noch den ersten Sieg.

Im Jahr darauf triumphierte Rindt in Monaco nach einer Aufholjagd durch die engen Straßen des Fürstentums. In Zandvoort startete er eine Siegesserie (Bild oben). Doch der Feuertod seines Freundes Piers Courage überschattete das Rennen. Es folgten erste Plätze in Clermont-Ferrand, Brands Hatch und beim Formel-1-Debüt des Hockenheimrings. Bei seinem Heimatrennen auf dem Österreichring schied er zwar aus, dennoch hatte er mit 45 Punkten als Führender alle Chancen auf den Weltmeistertitel.

Dann kam die Tragödie in Monza. Bis zum vorletzten Rennen hatte Ferrari-Pilot Jacky Ickx die Chance, seinen toten Rivalen noch abzufangen. Ein Defekt und Platz vier in Watkins Glen verhinderten das. Der Belgier war erleichtert, wie er Jahre später gestand: „Das Schönste war zu erleben, wie der Weltmeistertitel dann doch noch an Jochen ging.“

Hannes Steindl besuchte für „NÖ heute“ 2009 die Rindt-Rennwagensammlung von Joe Willenpart

Der aus Scheibbs stammmende österreichisch-amerikanische Unternehmer Joe Willenpart war Besitzer einer großen Sammlung von Oldtimern und Formel-1- und Formel-2-Wagen. Für „Niederöstererich heute“ besuchte 2009 Hannes Steindl ihn und seine Rindt-Rennwagensammlung.

Die 60er und der Lotus 49

In den Jahren 2005 und 2010 wurde in zwei Ausstellungen in Niederösterreich jener Lotus 49 gezeigt, mit dem Jochen Rindt 1970 den Grand Prix von Monaco gewonnen hatte. Dieser Rennwagen war das Prunkstück in der Niederösterreichischen Landesausstellung „Zeitreise Heldenberg“ im Jahr 2005, fünf Jahre später stand der Lotus 49 im Innenhof der Schallaburg und zog viele Besucher der Schau „Die 60er. Beatles, Pille und Revolte“ an. Leihgeber war der aus Scheibbs stammende Unternehmer Joe Willenpart (1953-2015), der die weltweit größte Sammlung an Jochen-Rindt-Rennautos hatte.