Erich Hackl in seiner Wiener Wohnung 2010
Florian Müller
Florian Müller
Kultur

Theodor-Kramer-Preis 2020 für Erich Hackl

Erich Hackl hat den Theodor Kramer Preis für Schreiben im Widerstand und im Exil erhalten. Der Autor habe als einer der ersten Schriftsteller in Österreich begonnen, „von den schlichten Handlungen derer zu erzählen, die sich der Vernichtung entgegenstellten“, so die Jury.

„Seine Gestalten sind von kompakter Lebendigkeit, sind plastisch: Man glaubt, um sie herum gehen zu können, kann sich ihr Verhalten und ihre Gefühle in anderen Situationen als den geschilderten vorstellen“, hieß es in einer Aussendung der Theodor Kramer Gesellschaft über die Überreichung des Preises an den 66-jährigen Autor am Wochenende in Niederhollabrunn (Bezirk Korneuburg).

Hackl schreibt gegen „die Schwaden der Vergesslichkeit“

Erich Hackl „eröffnete mit seinen Erzählungen die Zugänge zu Traditionen des Widerstands. In diesem nur hatte sich der geschichtliche Zusammenhang, das Ringen der Menschheit um ihre Befreiung aus den selbst auferlegten Fesseln erhalten. Erich Hackl beschreibt nicht Vergangenheit, der es bei diversen Jubiläen zu gedenken gilt, sondern den ganzen, den großen Zusammenhang, der durch die Schwaden der Vergesslichkeit verdeckt wird, und er beschreibt mit einem Aufmerken fürs Besondere, nicht Plausible, das Zerbrechliche“, so die Jury.

Mit dem Theodor Kramer Preis für Schreiben im Widerstand und im Exil werden sowohl die literarische Qualität als auch die Haltung und das Schicksal der Preisträger gewürdigt. In den letzten Jahren wurden auch „Autorinnen und Autoren ausgezeichnet, die nicht mehr selbst die Zeit des Nationalsozialismus erlebt haben, sondern – wie auch der diesjährige Preisträger – sich in ihren Texten mit Ausgrenzung, Verfolgung und Entrechtung auseinandersetzen“, so die Theodor Kramer Gesellschaft.

Erich Hackl bei der Verleihung des Kramer Preises 2020
Harald Maria Höfinger
„Seine Gestalten sind von kompakter Lebendigkeit, sind plastisch, man glaubt, um sie herum gehen zu können“: Erich Hackl bei der Verleihung des Theodor Kramer Preises 2020 in Niederhollabrunn

Der nach dem aus dem Weinviertel stammenden Dichter Theodor Kramer (1897-1958) benannte Preis ist mit 8.000 Euro dotiert und wird seit 2001 alljährlich verliehen. Unter den bisher 26 Preisträgern waren u.a. Fred Wander, Georg Stefan Troller, Jakov Lind, Milo Dor, Ruth Klüger, Manfred Wieninger, Renate Welsh und Martin Pollack.

12.000 Gedichte über Knechte, Huren und Außenseiter

Die Preisverleihung fand im Pfarrsaal von Niederhollabrunn statt. In diesem 1.600-Einwohner-Ort im Bezirk Korneuburg wurde am 1. Jänner 1897 Theodor Kramer als Sohn des Gemeindearztes geboren. Er war Offizier im Ersten Weltkrieg, arbeitete danach als Beamter und Buchhändler und lebte ab 1931 als freier Schriftsteller. Nach dem „Anschluss“ 1938 erhielt er als Jude und Sozialdemokrat ein Arbeits- und Berufsverbot. Er konnte Österreich verlassen – seine Mutter wurde 1942 im KZ Theresienstadt ermordet – und lebte als Bibliothekar und Autor bis 1957 in England. Er war Vorstandsmitglied des Österreichischen Exil-P.E.N.-Clubs und in engem Kontakt mit Elias Canetti, Erich Fried und Hilde Spiel. Ein Jahr vor seinem Tod kehrte er nach Österreich zurück, wo er – von der heimischen Kulturszene wenig beachtet – am 3. April 1958 nach einem Schlaganfall in Wien starb.

Theodor Kramer schrieb an die 12.000 Gedichte, wovon mehr als 2.000 publiziert wurden. In der online-Enzyklopädie Wikipedia kann man über Kramers Werk lesen: „Er errang große Erfolge und wurde im ganzen deutschen Sprachraum bekannt. Sein Werk geriet nach dem Zweiten Weltkrieg in Vergessenheit. Seine liedhafte, jedoch unromantische Lyrik schöpft Kraft und Poesie aus einem sinnlich erfassten Milieu der Außenseiter: der Proletarier, Landstreicher, Handwerker, Knechte und Huren. Kramer schrieb einfühlsame Rollengedichte und eigenwillige Landschaftslyrik, literarische Vorbilder waren Georg Trakl und Bertolt Brecht.“

Hackls Erfolge: Von „Auroras Anlass“ bis „Am Seil“

Erich Hackl, geboren am 26. Mai 1954 in Steyr, studierte Germanistik und Hispanistik an den Universitäten in Salzburg, Salamanca und Malaga. Ab 1977 war er Lektor für deutsche Sprache und österreichische Literatur an der Universität Complutense Madrid, von 1979 bis 1983 unterrichtete er als Lehrer für Deutsch und Spanisch in Wien, von 1981 bis 1990 am Institut für Romanistik der Universität Wien. Seit 1983 arbeitet er als freier Schriftsteller.

Hackl erhielt bisher zahlreiche Auszeichnungen, u.a. den Bruno-Kreisky-Preis für das politische Buch, den Ehrenpreis des österreichischen Buchhandels für Toleranz in Denken und Handeln, den Österreichischen Staatspreis für literarische Übersetzung, den Anton-Wildgans-Preis sowie das Ehrendoktorat der Universität Salzburg. Zu seinen bekanntesten Werken zählen „Auroras Anlass“ (1987), „Abschied von Sidonie“ (1989) und „Die Hochzeit von Auschwitz. Eine Begebenheit.“ (2002), zuletzt erschienen „Am Seil“ (2018) und „Im Leben mehr Glück“ (2019).