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Wirtschaft

Kein Ende von Diesel bei Traktoren in Sicht

Während Automobilkonzerne Elektroantriebe forcieren, bleibt bei Traktoren der Dieselmotor Standard. Der größte heimische Produzent CNH Industrial in St. Valentin (Bezirk Amstetten) hält Elektrotraktoren für ungeeignet und sucht nach anderen Alternativen.

Trotz aller Entwicklungsarbeit der letzten Jahrzehnte ist bei Traktoren keine Alternative für den Dieselverbrennungsmotor in Sicht. So modern die neuesten Modelle auch sein mögen, Elektrotraktoren gibt es am Markt nicht. Bei CNH Industrial in St. Valentin (Bezirk Amstetten), Österreichs größter Produktion von Traktoren, etwa Steyr-Traktoren, rollt alle elf Minuten ein neues Exemplar vom Montageband. Obwohl jedes von ihnen eine Einzelanfertigung ist, und kein Traktor zwei Mal pro Jahr baugleich das Werk verlässt, findet man in keinem von ihnen einen verbauten Elektroantrieb.

Elektroantrieb bei Traktor „ungeeignet und unrealistisch“

Laut Geschäftsführer Christian Huber sei ein Elektroantrieb für den Einsatz in der Landwirtschaft „gänzlich ungeeignet und unrealistisch“. Landwirte, die heute in erster Linie Unternehmer seien und auf Wirtschaftlichkeit achten müssten, bräuchten verlässliche und vor allem autonome Arbeitsgeräte. „Würde ein Bauer heute mit einem Elektrotraktor zu seinem Feld fahren, müsste er drei Stunden später wieder zum Laden zu Hause sein und mehrere Stunden warten bis sein Hauptarbeitsgerät wieder einsatzfähig ist. In der Praxis funktioniert das nicht.“

Um einen Traktor mit einer Leistung von 300 PS antreiben zu können, bräuchte es Huber zufolge eine Batterie gigantischen Ausmaßes, die das Gesamtgewicht des Traktors erheblich erschweren würde. Seinen Berechnungen zufolge brächte eine Batterie mit entsprechender Leistung etwa drei Tonnen auf die Waage und selbst die könnte Energie für maximal drei Einsatzstunden liefern.

Neue Modelle mit Hybridtechnologie ausgestattet

Nach umweltfreundlicheren Methoden suche man aber auch in der Traktorproduktion. Das Image der „alten Dieselstinker trifft heute sicherlich nicht mehr zu“, so Huber gegenüber noe.ORF.at. Die heute verbauten Motoren seien wesentlich emmissionsärmer als früher. CNH Industrial zufolge hätten 147 der heutigen Zugmaschinen den gleichen Schadstoffausstoß wie ein vor 20 Jahren produzierter Traktor.

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Steyr Montagehalle
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Motor und Getriebe sind quasi Herz und Lunge der Maschinen – ohne Diesel geht auch im Jahr 2020 noch nichts
Traktorkabine
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Zentraler Bestandteil moderner Traktoren ist seine verbaute Elektronik. Immer mehr Arbeitsschritte werden automatisiert ausgeführt
Steyr Oldtimer
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Heutige Traktoren sind mit den ersten Modellen in Leistung und Optik kaum mehr vergleichbar
Steyr Kabinenproduktion
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In Zukunft könnte die Kabinenproduktion wegfallen. Schon heute laufen Tests für fahrerlose Traktoren
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Binnen eines Tages wird ein Traktor hergestellt. Jeder besteht aus etwa 10.000 Einzelteilen

Die mittlere Zukunft der Traktoren sieht Huber im Verbau von Hybridtechnologien. „Auch da kommen wir aber vorerst noch nicht ohne Diesel aus. Bei Hybridtraktoren wird mit Diesel ein elektrischer Generator betrieben, der dazu in der Lage ist, permanent und ausreichend elektrischen Strom für die landwirtschaftliche Arbeit zur Verfügung zu stellen – auch für acht bis zehn Stunden.“

Modelle solcher Traktoren existieren bei CNH Industrial bereits, in Serie gefertigt werden sie aber noch nicht. Während man dem Elektroantrieb keine Zukunft einräumt, laufen nach Angaben der Geschäftsführung aber Forschungsprojekte für alternative Antriebe mittels Methangas oder Wasserstoff mit Brennzellen.

Vom 30-PS-Oldtimer zum 300-PS-Hightechgerät

Unumstrittenes Faktum ist, dass Digitalisierung, Industrialisierung und Elektrifizierug längst auch die Landwirtschaft erreicht haben und in den vergangenen Jahrzehnten für massive Veränderungen sorgten. Die neuen Ansprüche und Bedürfnisse der Landwirte an ihre Arbeit spiegeln sich auch in den Traktoren wieder. Die Kabinen der modernen heute produzierten Zugmaschinen erinnern zunehmend an Cockpits.

Mechanik- und Hydraulikeinsatz werden zunehmend von Elektrik abgelöst. Immer mehr Arbeitsschritte laufen mittlerweile automatisiert ab, der Bauer wird zum Überwacher und Manager der Abläufe. Anstatt Hebel zu bedienen und den Traktor zu lenken, bedient er einen Multifunktionshebel samt großem Display, arbeitet mit Verbindung zu einem Satelliten, während sein Traktor vollautomatisch selbst fährt.

Automatikgetriebe sind mittlerweile Standard. „In einem modernen Traktor bedient der Bauer in erster Linie einen Computer und kein Fahrzeug mehr. Er programmiert zu Beginn alle Arbeitsschritte, sodass der Traktor das Programm ohne sein Zutun ausführt. Kuppeln und Lenken muss der Landwirt am Feld nicht mehr“, erklärt Huber.

Tests für den gänzlich fahrerlosen Einsatz von Traktoren führt der Konzern bereits in den USA durch. In nicht allzu ferner Zukunft, ist man bei CNH Industrial überzeugt, werden Traktoren keine Kabinen mehr brauchen und selbstständig zum Feld oder in der Wald fahren – „und Landwirte kontrollieren vom Hof aus, wo sich der Traktor befindet beziehungsweise wie viel Düngemittel oder welche Reichweite er noch hat. Davon sind wir nicht mehr weit entfernt“, erklärt Huber.

Konzern setzt auf niederösterreichische Entwicklungen

Im österreichischen Produktionswerk von CNH Industrial in St. Valentin werden Traktoren der Marken Steyr, Case IH und New Holland gefertigt und weltweit exportiert. In Österreich sind Traktoren der Marke Steyr Marktführer. Seit der Verlegung des Produktionswerks vom oberösterreichischen Steyr ins niederösterreichische St. Valentin im Jahr 1974 wurden bislang mehr als 600.000 Traktoren hergestellt. Der Standort ist Arbeitgeber für mehr als 600 Beschäftigte.

In der weltweiten Tätigkeit des Konzerns spielt der Standort in St. Valentin eine zentrale Rolle. Er ist nicht nur die Europazentrale der Marken Steyr und Case IH, sondern beherbergt auch ein konzerneigenes Forschungs- und Entwicklungszentrum, das als eines von weltweit acht Werken führend für die Umsetzung von neuen digitalen Technologien zuständig ist. Im Gegensatz zur Produktion ist es für externe Gäste nicht zugänglich.