MIB Jauker Josef Steinacher
ORF
Berthold Traxler
„Menschen im Blickpunkt“

Männer, die Tauben Walzer tanzen lassen

Beim traditionellen Jauken werden eigens dafür gezüchtete Hochflugtauben möglichst hoch in den Himmel aufgejaukt. Ihre Flugbewegungen erinnern dabei an das Walzertanzen. In Niederösterreich gibt es nur mehr wenige Jauker.

Auf der UNESCO-Liste des Immateriellen Kulturerbes von Österreich steht seit dem Vorjahr auch das Jauken. Darunter versteht man die Zucht, das Training und das Wettfliegen mit Wiener Hochflugtauben. Die Ursprünge dieser Tradition, die es nur in Niederösterreich, Wien und dem Burgenland gibt, reichen bis ins 16. Jahrhundert zurück.

Und nur mehr wenige betreiben diese, darunter Jauker Josef Steinacher aus Hirtenberg (Bezirk Baden): „Ich habe vor etwa 40 Jahren begonnen Wiener Hochflugtauben zu züchten“, erzählt er, „durch strenge Selektion werden Tauben gezüchtet, die im Schwarm besonders hoch in den Himmel hinauffliegen können.“

MIB Jauker Josef Steinacher
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Jauker Josef Steinacher in seinem Taubenschlag

Mehr als 1.000 Meter über dem Boden

Wenn Steinacher seine Tauben aus dem Schlag lässt, dann fliegt der gesamte Schwarm, im Fachjargon Stich genannt, höher und höher in den Himmel hinauf. Die sogenannte Preishöhe, die die Tauben erreichen sollen, ist jene, bei der man den Flügelschlag der einzelnen Tauben mit freiem Auge nicht mehr erkennen kann. Dabei fliegen die Tauben mindestens 1.000 Meter über dem Grund. Der Stich bleibt dabei zusammen und vollbringt eine einzigartige Choreografie, die Taubenfreunde an den Tanz eines Walzers erinnert.

Falken und Hubschrauber als Trainer

„Mindestens eine Stunde muss der gesamte Stich in der Preishöhe bleiben“, ergänzt Jauker Alfons Rückl, der am Wiener Stadtrand bei Brunn am Gebirge (Bezirk Mödling) wohnt: „Man sagt, dass ein Falke der beste Trainer sei. Da fliegen die Tauben besonders hoch. Vor einigen Tagen ist ein Hubschrauber unter dem Taubenschwarm geflogen, der hat die Tauben auch in die Höhe getrieben.“

MIB Jauker Josef Steinacher
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In der Preishöhe sind die Tauben nur mehr als Punkte erkennbar

Um das Jahr 1850 erlebte das Jauken eine erste Hochblüte. An warmen Sommertagen sollen damals bis zu 200 Taubenschwärme am Wiener Himmel zu sehen gewesen sein. Auch der Hochadel wie Kaiser Franz I. ließ im Park des Schlosses Schönbrunn Hochflugtauben züchten und jauken. Um die Jahrhundertwende konnten Jauker bei Flugwettbewerben stattliche Preisgelder gewinnen. Die Hochflugtaube galt als „Rennpferd des kleinen Mannes“.

Goldene Zeit des Jaukens zur Jahrhundertwende

Tierarzt Berthold Traxler aus Maria Anzbach (Bezirk St. Pölten) erforscht Geschichte und Gegenwart des Jaukens: „Bis zum zweiten Weltkrieg wurde das Jauken fast ausschließlich im Wiener Stadtgebiet betrieben. Heute gibt es nur mehr wenige Jauker, die in ihrer Mehrzahl außerhalb der Stadt leben, insbesondere im Weinviertel und entlang der Südbahnstrecke“, weiß Traxler. Die Gründe dafür seien Platzprobleme und Nachbarschaftskonflikte in Wien.

Wie beliebt das Jauken um das Jahr 1900 gewesen sei, erkenne man daran, dass damals eigene Taubenlieder komponiert und gesungen worden sind. Es gibt auch einen Jauker-Fachjargon, berichtet Traxler: „Besonders liebliche Täubinnen mit bläulichen Augen nennen die Jauker ‚perlaugerte Pupperl‘. Die hübschen Männchen werden ‚Gigerl‘ genannt. Das ‚Göderl‘ ist der Hautsack unter dem Schnabel der Taube. Und wenn eine Taube ‚hosert‘ ist, dann hat sie dicht befiederte Beine.“

Zwei Hochflugtauben
Berthold Traxler
Wiener Hochflugtauben: Ein „Gigerl“ (links) und ein „Pupperl“ (rechts)

Die Anerkennung des Jaukens als immaterielles Kulturerbe durch die UNESCO freut die Jauker. „Zugleich ist es ein Auftrag für uns, junge Taubenfreunde für das Jauken zu begeistert“, sagt Alfons Rückl: „Ich würde sogar Tauben von mir weiterschenken, wenn sich jemand dafür interessiert. Für mich ist es wichtig, dass der alte Brauch des Jaukens nicht ausstirbt!“