Der ehemalige IS-Sympathisant in einer unscharfen Aufnahme von hinten
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Politik

Ehemaliger Terrorist: „Tickende Zeitbombe“

Der Attentäter „war eine tickende Zeitbombe, weil viele Jugendliche in Städten schon radikalisiert sind“, sagt ein ehemaliger IS-Sympathisant über die Ereignisse in Wien. Im Interview erzählt er, wie er selbst mit 14 Jahren radikalisiert wurde.

Wir treffen den jungen Mann am Dienstag in einem Park in St. Pölten, einen Tag nach dem Anschlag in der Wiener Innenstadt mit fünf Toten – darunter der mutmaßliche Attentäter – und mittlerweile 23 Verletzten. Die Geschehnisse in Wien erinnern ihn an ein dunkles Kapitel in seinem noch jungen Leben.

Mit 14 Jahren für den IS begeistert

Als 14-Jähriger wurde er radikalisiert. Im Internet soll er sich laut damaliger Anklage Pläne zum Bau einer Bombe heruntergeladen und geplant haben, einen Anschlag auf den Wiener Westbahnhof zu verüben. Das bestreitet der Mann bis heute. Er wurde zu zwei Jahren teilbedingter Haft verurteilt. Der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) hat er mittlerweile abgeschworen, wie er im Interview mit ORF-NÖ-Reporter Gernot Rohrhofer betont.

noe.ORF.at: Sie sind selbst mit dem Terrorismus und Dschihadismus in Berührung gekommen und deswegen zwei Mal rechtskräftig verurteilt worden. Was sagen Sie zu den Ereignissen in Wien?

Es ist schrecklich, was da passiert ist. Meiner Meinung nach war das eine tickende Zeitbombe, weil so viele Jugendliche in Wien und in größeren Städten schon radikalisiert sind und sich gegenseitig radikalisieren, sich motivieren und hochpushen. Dann ist es eine Frage der Zeit, bis so etwas passiert.

noe.ORF.at: Wie geht es Ihnen, wenn Sie die Bilder aus Wien sehen, wo ein mutmaßlicher Dschihadist durch die Innenstadt läuft und mit dem Gewehr auf Menschen schießt?

Das hat mich betroffen gemacht, weil dieses Thema ein Stück zu meiner Vergangenheit dazugehört. Es hat mich sehr betroffen gemacht, dass das passiert ist.

ORF-NÖ-Reporter Gernot Rohrhofer im Gespräch mit dem ehemaligen IS-Sympathisanten
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„Das Thema gehört ein Stück zu meiner Vergangenheit“: Ein ehemaliger IS-Anhänger im Gespräch mit ORF-NÖ-Reporter Gernot Rohrhofer

noe.ORF.at: Wie ist es bei Ihnen dazu gekommen? Es hieß, Sie hätten einen Bomben-Bauplan im Internet heruntergeladen, wollten eine Bombe bauen und damit auf den Westbahnhof fahren. Was war der Auslöser dafür?

Damals war ich 14 Jahre alt. Es ist sehr einfach, einen 14-Jährigen zu manipulieren, der ohne Vater aufgewachsen ist, nicht viele Freunde hat und einfach nicht weiß, wo er dazugehören soll, und dann zu sagen, was gut ist und was schlecht.

noe.ORF.at: Können Sie ausschließen, dass Sie heute noch einmal für derartige Radikalisierungen empfänglich sind?

Wenn man da einmal hineingerät und wieder rauskommt, dann kennt man die Tricks, wie die das machen. Ich war damals 14 Jahre alt, nicht so reif. Es ist sehr schwer und unwahrscheinlich, dass ich da wieder hineinrutsche.

noe.ORF.at: Wie geht es Ihnen heute? Was machen Sie jetzt?

Ich bin nicht mehr auf Bewährung, habe keinen Kontakt mehr mit dem Verfassungsschutz. Die Deradikalisierung (die Abkehr von extremistischen Handlungen und Weltbildern; Anm.) wurde bei mir frühzeitig abgeschlossen, weil sie erkannt haben, dass ich damit nichts mehr zu tun habe. Mittlerweile habe ich auch eine österreichische Freundin.