Ein Covid-19-Spitalsbett auf der Intensivstation in St. Pölten
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Intensivstation: „Kostet enorm viel Kraft“

Etwa 460 Covid-19-Patienten liegen auf Intensivstationen. Wenn diese Zahl gegen 1.000 geht, wird es kritisch. Eine der modernsten Intensivstationen Österreichs befindet sich im Landesklinikum St. Pölten. ORF-Reporter Bernt Koschuh hat sich dort umgeschaut.

Um sich nicht anzustecken, tragen die Pflegekräfte auf der Intensivstation 1 im Universitätsklinikum St. Pölten zwei Paar Gummihandschuhe übereinander, dazu Schutzmaske, Schutzmantel, Haube, Schutzbrille und manchmal zusätzlich ein Visier. Unter Anleitung einer Kollegin zieht sich ein Pfleger an. Durch eine Glas-Schiebetür geht er anschließend in eine Covid-Patientenkoje mit zwei Betten und voller technischer Geräte.

Am Vormittag bleiben die Pflegekräfte viele Stunden durchgehend in Schutzausrüstung bei den Patienten, sagt der leitende Pfleger, Martin Wagner. „Das sind Pflege-Marathons, die bis zu sechs Stunden am Stück dauern können. In der Koje, in der Schutzausrüstung. Der erste Weg ist dann danach zum Trinken und Duschen“, so Wagner im Gespräch mit ORF-Reporter Bernt Koschuh für das Ö1 Morgenjournal.

Intensivstation 1 in St. Pölten
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Die Intensivstation 1 im Universitätsklinikum St. Pölten ist die modernste ihrer Art in Österreich

In den Kojen wird die Beatmung eingestellt, Körperpflege ist nötig, bis zu 20 Medikamente werden dosiert und über Infusionszugänge verabreicht. Manche Patienten werden zur besseren Sauerstoffversorgung auf den Bauch gelegt, erklärt Oberärztin Helga Dier. „Das Anstrengendste ist die Bauchlagerung. Man muss aufpassen, dass ja keiner der Zugänge verloren geht, dass die eigene Schutzausrüstung nicht verrutscht und das kostet enorm viel Kraft“, sagt Dier.

Maschinen können Lunge ersetzen

Als einzige Intensivstation in Niederösterreich hat man hier auch Maschinen, die die Lunge vorübergehend entlasten oder ersetzen können. Ein Patient ist angeschlossen. „Er hat eine ECMO, eine Maschine, die das Blut außerhalb des Körpers mit Sauerstoff versorgt und wieder über ein Pumpensystem in den Körper zurückführt“, so die Oberärztin.

Bernt Koschuh im Schutzanzug
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ORF-Reporter Bernt Koschuh machte sich ein Bild von den Herausforderungen auf St. Pöltens Intensivstation 1

„Wir können den Körper unterstützen, aber letztendlich muss das Immunsystem des Patienten selber das Virus besiegen“, erklärt Primar Christoph Hörmann im Gespräch mit Bernt Koschuh. Gegen Viren gibt es dem Primar zufolge keine wirksamen Medikamente. Bei Covid-Intensivpatienten habe sich ein einziges, ein Cortison-Präparat, nachweislich bewährt. „Das Dexamethason kann dann helfen, wenn der Patient invasiv beatmet wird. Da sind die Outcome-Daten signifikant besser.“

In einer Covid-Koje sitzt eine Patientin und schält sich eine Orange. Ist sie schon über den Berg? „Leider nicht. Wir haben lernen müssen, dass die Erkrankung in mehreren Gipfeln verlaufen kann“, sagt Oberärztin Dier. Der leitende Pfleger, Martin Wagner, ergänzt: „Da gab es einen Fall, wo du mit der Gattin telefoniert hast und gesagt hast, es geht ihm schon besser und der Patient hat herausgeschrien aus der Koje, ‚geht mir gut‘, und zwei Stunden später ist er verstorben. Das war sehr traurig.“

Personal auf der Intensivstation in St. Pölten
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Der leitende Pfleger, Martin Wagner, und Oberärztin Helga Dier, im Interview

Angehörige von Sterbenden müssen hinter Glastür bleiben

Zum Glück kann von einer Überlastung der Sankt Pöltener Intensivstationen derzeit keine Rede sein. Sechs von 60 Intensivplätzen waren am Freitag mit Covid-Patienten belegt. Sollte sich die Situation zuspitzen, was Primar Hörmann befürchtet, müsste man auf 80 Intensivplätze aufstocken. Drei Covid-Intensivpatienten sind letzte Woche im Universitätsklinikum gestorben. Angehörige dürfen bei Sterbefällen auf die Station, müssen aber hinter den Glasschiebetüren bleiben.

„Reingehen und die Hand halten, geht momentan leider nicht“, sagt Dier. Ansprechbaren Patienten ermöglicht das Spital aber Videotelefonie. Trotzdem: Kranksein heißt in Covid-Zeiten auch einsam sein, getrennt von der Familie.