Unter den 40.000 jungen Menschen befindet sich Anja Koller. Sie hat sich in ihrer Jugend um ihren kranken Vater gekümmert. „Im Alltag haben sich die Aufgaben zwischen mir und meinen Brüdern aufgeteilt. Nachdem ich aufgestanden bin, habe ich meinem Vater aus dem Bett geholfen, ihm Frühstück gemacht und die Medikamente gebracht. Tagsüber habe ich ihn begleitet, zum Beispiel zum Einkaufen, in die Apotheke oder zum Arzt“, erzählt Anja Koller. Seit ihrem 14. Lebensjahr war die jetzt 25-jährige Studentin eine wichtige Stütze für ihren schwerkranken Vater.
Bis zu seinem Tod 2019 halfen sie – ihre beiden Brüder und ihre Mutter – zusammen, daher konnte sie sich auch Zeit für sich nehmen: „Ich hab genug Freizeit gehabt und meine schulischen Leistungen haben nicht gelitten, bei meinen Brüdern auch nicht. Es war eher so, dass diese Tatsache im Raum stand, und immer im Hinterkopf war, wann immer ich was unternommen habe. Es war eine Sorge, die mich immer begleitet hat.“
Schlafmangel und Lernstörungen oft Folge der Belastung
Doch nicht alle haben ein derart unterstützendes Umfeld. Um pflegenden Kindern und Jugendlichen zu helfen, gibt es etwa beim Jugendrotkreuz Projekte für sogenannte Young Carer. Die Johanniter gründeten vor acht Jahren die Initiative Superhands. Auf ihrer Homepage sowie über Social Media findet man ein breites Hilfsangebot und praktische Tipps, zum Beispiel, wie man Verbände anlegt. Die oft jahrelange Pflegearbeit hinterlässt Spuren, erklärt Anneliese Gottwald, Mitarbeiterin der Johanniter und Gründerin von Superhands.
ORF-Initiative
Wichtigen Fragen rund um das Thema Pflege widmet sich der ORF in der „Bewusst gesund“-Initiative „Pflege – Die große Herausforderung“ vom 7. bis 15. November 2020
„Das ist in Studien mittlerweile nachgewiesen. Betroffene leiden an Angstzuständen, können oft nicht schlafen oder bekommen Lernschwierigkeiten in der Schule.“ Und das hat dann oft anhaltende Auswirkungen, erklärt die Gesundheits- und Krankenpflegerin: „Manche stecken die Belastung besser weg, machen sogar eine Pflegeausbildung. Andere wiederum brauchen Psychotherapie, um das Erlebte zu bewältigen. Denn diesen Kindern wird die Jugend genommen.“
Gespräche mit Familie und Freunden als Unterstützung
Anja Koller hatte Glück. Sie fand in ihrem engsten Umfeld ein offenes Ohr für ihre Sorgen. „Ich hab mit meinen besten Freunden darüber gesprochen und auch Verständnis dafür bekommen, wenn ich zum Beispiel einmal nicht rausgehen konnte. Auch im engsten Kreis unserer Familie haben wir uns sehr unterstützt. Wir waren da so eine Art Sicherheitsnetz“, erzählt Koller.
Immer wieder wurde ihr geraten, mehr auf sich und ihre eigenen Bedürfnisse zu achten. Trotzdem würde sie rückblickend genauso handeln: „Denn ich möchte die Zeit nicht missen, die ich noch mit meinem Vater hatte, weil er ja Teil der Familie und auch für uns da war.“