Nutria
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Umwelt

Klimawandel zieht Biberratten an

Weil die europäischen Winter wärmer werden, breiten sich Nutrias – besser bekannt als Biberraten – auch in Niederösterreich aus. Die ursprünglich zur Pelztierzucht eingeschleppten Nager können große Schäden anrichten. Die EU will ihre Ausbreitung daher stoppen.

Die dem Biber zum Verwechseln ähnlich sehenden Nutrias fressen Feldfrüchte, wie Mais oder Zuckerrüben, und leben in selbst gegrabenen Erdbauten und Höhlensystemen. Infolgedessen können sie in größeren Beständen nicht nur Ernten schädigen, sondern auch Uferbefestigungen und Dämme zerstören sowie ganze Straßen untergraben. In vielen Ländern sind Nutrias bereits gefürchtete Invasoren. In den Niederlanden beispielsweise werden die Nager in großem Stil gejagt, nachdem sie bereits ganze Dämme zerstörten und den Hochwasserschutz gefährden.

Weil die Biberratte aus Südamerika stammt und für Zwecke der Pelzindustrie nach Europa eingeschleppt wurde, trifft sie bei uns kaum auf natürliche Feinde. Gleichzeitig pflanzt sich der Nager extrem schnell fort. Nutrias erreichen bereits mit dem Alter von fünf Monaten die Geschlechtsreife, sind das ganze Jahr über fortpflanzungsfähig und pro Wurf bekommt ein Weibchen bis zu acht Jungtiere.

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Nutrias und Enten
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Nutrias kommen mittlerweile nachweislich in Österreich vor
Nutria
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Ein Charakteristikum der bis zu zehn Kilogramm schweren Tiere sind die orangen Nagezähne
Nutria schwimmt
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Nutrias sind etwas kleiner als Biber, aber ebenso ausgezeichnete Schwimmer
Nutria in Prag
Anna Schertler
Nutrias siedeln sich auch in Städten an – hier beispielsweise in Prag. In Wien sind noch keine Bestände bekannt
Nutria Fütterung
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Nutrias können Menschen gegenüber sehr zutraulich werden. Expertinnen und Experten raten dringend von der Fütterung ab

Anwachsende Populationen zu erwarten

Bis vor kurzem gab es kaum fundierte Untersuchungen zu den existierenden Nutriabeständen in Österreich. Nun zeigt eine Studie der Universität Wien, die in der Fachzeitschrift „NeoBiota“ erschien, dass im Falle der Nutria in den nächsten Jahren europaweit mit einer deutlichen Ausbreitung zu rechnen ist. In der dort veröffentlichten Untersuchung wurden europaweit bekannte Daten von Nutriavorkommen der vergangenen Jahrzehnte mit klimatischen Parametern verglichen, die eine Ansiedlung der Tiere begünstigen. Dabei zeigte sich, dass ihr weiteres Verbreitungspotenzial über die vergangenen Jahre deutlich zunahm.

„Die Nutria bewohnt jetzt etwa ein Drittel jener Räume, die klimatisch mittlerweile für sie in Frage kämen. Somit muss man in den nächsten Jahren mit einer deutlichen Ausbreitung rechnen. Begünstigt wird sie durch die immer milder werdenden Winter“, erklärt Studienautorin Anna Schertler. Als wärmeliebendes Tier, das seinen Ursprung in Südamerika hat, kann die Nutria mittlerweile auch in nördlicheren Regionen überleben. In Österreich dürfte sie sich in Niederösterreich vergleichsweise wohlfühlen. Gruppen von Tieren sind entlang der March, Thaya, Leitha und Fischa bekannt. Darüber hinaus gibt es Exemplare am Neusiedlersee im Burgenland sowie an der Mur.

Nagetier soll bekämpft werden

Spätestens seit Veröffentlichung der Studie ist klar, dass Nutrias langfristig in Europa bleiben und auch noch Österreich beschäftigen werden. „Daher ist es sinnvoll, sich auf eine Reduktion der Populationsdichten und Schäden zu konzentrieren. Vor allem in urbanen Gebieten ist Aufklärungsarbeit gefragt, um Wildtierfütterungen und die Folgeschäden zu vermeiden“, so die Biologin. Die Europäische Union setzte die Nutria bereits im Jahr 2015 auf die Liste invasiver Arten und fordert von ihren Mitgliedsstaaten den Stopp ihrer weiteren Ausbreitung.

In Österreich liegt der Tierschutz in der Zuständigkeit der Bundesländer. Eine Anfrage von noe.ORF.at bei der zuständigen Stelle des Landes Niederösterreich, ob und inwieweit die Nutria in Niederösterreich bereits bekämpft wird, blieb unbeantwortet. Auf der Website des Landes findet man die Nutria jedenfalls auf der Liste der zu bekämpfenden invasiven Tier- und Pflanzenarten.

Das Ziel sei „nicht die vollständige Beseitigung, sondern der Schutz der heimischen Biodiversität.“ Als Maßnahmen gegen die Nutria werden ein Fütterungsverbot, Zäune sowie deren Bejagung genannt. In manchen Ländern werden Biberratten gegessen. „Die Nutzung zu Speisezwecken ist prinzipiell möglich, wenngleich verschiedene Parasiten übertragen werden könnten“, ist unter den Bekämpfungsmaßnahmen des Landes zu lesen. Auch Schertler bestätigt die Biberratte als potenzielle Überträgerin von Krankheiten und nennt die Infektion mit Toxoplasmose als Beispiel.

Nutria
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Nutrias leben in der Nähe von Flüssen, Seen, Teichen und Sümpfen. In Niederösterreich gibt es bestätigte Vorkommen entlang der March, Thaya, Leitha und Fischa

Erste noch nicht nennenswerte Schäden bekannt

Anna Schertler zufolge gibt es mittlerweile auch in Niederösterreich Schadensmeldungen, die auf Nutrias zurückzuführen sind. „Ich kenne Berichte, dass die Nutria Schäden in der Landwirtschaft verursacht und auch Uferbefestigungen beschädigt hat.“ Mancherorts seien bereits Schilder aufgestellt worden, die auf das Fütterungsverbot hinweisen – zum Beispiel in Ebergassing (Bezirk Bruck an der Leitha).

Bei der Landwirtschaftskammer Niederösterreich wurden bisher keine nennenswerten Schäden in Folge der Biberratten gemeldet, sagt Sprecherin Christina Spangl gegenüber noe.ORF.at. Auch in Landwirtschaftskreisen seien zwar bereits Populationen im Bezirk Bruck an der Leitha bekannt, „jedoch in keinem besorgniserregenden Ausmaß“. Das entspricht auch den Forschungsergebnissen von Anna Schertler. Trotz anwachsender Gruppen von Tieren müssten sich ihre Vorkommen noch deutlich ausdehnen, um nennenswerte Schäden verursachen zu können.

Ursprung europäischer Tiere in französischen Pelzfarmen

Nurias wurden vor allem wegen ihres Fells von Südamerika aus auf vielen anderen Kontinente gebracht und dort für Pelzfarmen gezüchtet. Auch in Europa wurde die Nutria häufig in Zuchtfarmen gehalten. Vor allem nach dem Zusammenbruch des Pelztiermarktes kam es zu zahlreichen Freisetzungen in die Natur. Schertler zufolge gehen sämtliche europäische Bestände der Biberratte auf entlaufene oder freigelassene Tiere aus Farmen zurück – vorrangig aus Frankreich.

Seither sorgten die Nagetiere in Europa nicht nur für Schäden in der Land- und Forstwirtschaft sowie im Hochwasserschutz. Wie alle invasiven Tiere und Pflanzen bedroht auch die Nutria die heimische Biodiversität. „Bei großen Vorkommen kann es beispielsweise vorkommen, dass sie ganze Schilfgebiete abnagen und damit geschützten Tieren wie etwa seltenen Brutvögeln den Lebensraum nehmen“, erklärt Schertler.

Um der Wissenschaft bei der weiteren Dokumentation und Bestandsaufnahme der Nutria zu helfen, können Sichtungen auf Wildtierplattformen gemeldet werden. Ähnlich wie der Biber haben Nutrias auffallend gelbe bis orange Nagezähne, sind jedoch kleiner. Anna Schertler achtet bei ihrer Bestimmung auch „auf die langen weißen Tasthaare, die man besonders gut erkennt, wenn die Tiere im Wasser schwimmen.“