Primar Peter Errhalt im Interview mit Reporter Gernot Rohrhofer
ORF / Gernot Rohrhofer
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Coronavirus

„Dankbar, dass man Luft bekommt“

Jutta Pirker-Kerschbaumer hat sich mit dem Coronavirus infiziert und ist schwer daran erkrankt. Sie wird im Krankenhaus in Krems behandelt und ist dankbar, „dass man wieder atmen kann und Luft bekommt.“ Ein Team des ORF Niederösterreich durfte für eine Reportage auf eine Covid-Station.

Seit einer Woche liegt Jutta Pirker-Kerschbaumer im Krankenhaus. In einem Zweibettzimmer im vierten Stock. Noch immer bekommt die Juristin aus Imbach (Bezirk Krems) Sauerstoff verabreicht. Ein Schnelltest war negativ, ihre Symptome waren untypisch. Schwindel, Übelkeit und kein Hinweis auf Kontakt mit einem Infizierten. „Ich war vorsichtig, ich habe aufgepasst, aber es hat mich trotzdem erwischt.“

Der PCR-Test war schließlich positiv. „Ich habe es dann schon gespürt: Ich bin schwer krank und es ist anders als diese Lungengeschichten, die ich bisher hatte, etwa Bronchitis.“ Pirker-Kerschbaumer war erschöpft; sie bat ihren Mann, sie ins Spital zu bringen. „Seither geht es mir besser.“ Unvorstellbar ist für sie, „dass man daran denken kann, dass das eine leichte Erkrankung ist, die man auf die leichte Schulter nimmt.“

„Wünsche jedem einen leichten Verlauf“

Pirker-Kerschbaumer teilt ihre Erfahrungen mit knapp 50 anderen Patienten, die im Kremser Krankenhaus derzeit auf einer eigens dafür eingerichteten „Normalstation“ und zwei Intensivstationen wegen des Coronavirus behandelt werden müssen. „Ich wünsche jedem einen leichten Verlauf. Diesen gibt es. Aber die, die es brauchen, die müssen die Betten haben. Die Betten müssen für die Patienten frei sein, die diese schweren Verläufe haben und das ist das Allerwichtigste.“

Die Helden der Juristin „sind der Herr Primar und sein Team bis hin zu den Putzkräften. Meine Zimmerkollegin und ich, wir haben die höchste Achtung vor ihnen.“ Primar Peter Errhalt ist, seitdem die Pandemie in Österreich angekommen ist, an der Behandlung von Covid-Patienten beteiligt. Er ist Lungenfacharzt und weiß, wie rasch sich der Zustand verschlechtern kann. „Ich erinnere mich an eine Frau, die sich in der Früh noch selbstständig gewaschen hat. Wenige Stunden später bin ich mit ihr auf die Intensivstation gefahren, weil sie auch unter maximaler Sauerstoffzufuhr nicht mehr ausreichend Sauerstoff aufgenommen hat.“

Primar Peter Errhalt auf seinem Schreibtisch
ORF / Gernot Rohrhofer
Peter Errhalt ist Leiter der Lungenfachabteilung im Krankenhaus Krems und koordiniert die Abläufe auf der Covid-Station

Auf den Intensivstationen im Kremser Krankenhaus werden derzeit acht Covid-Patienten behandelt. Die meisten von ihnen sind intubiert, liegen im künstlichen Tiefschlaf und werden „standardmäßig“ mit Dexamethason, einem Cortison, und dem Schmerzmittel Fentanyl behandelt. Sie liegen abwechselnd auf dem Bauch und auf dem Rücken in Kojen. Schaumstoff soll verhindern, dass die Patienten Gewebeschäden durch das dauernde Liegen, also einen Dekubitus, erleiden.

Wer in diese Kojen will, braucht zusätzlich zur Bereichskleidung Schutzmantel, Schürze, zwei Paar Handschuhe, FFP-3-Maske, Haube, Schutzbrille und Schutzschild – „körperlich, aber auch geistig extrem anstrengend. Und natürlich nimmt man das mit nach Hause, hängt das nicht einfach an den Nagel, wenn man da rausgeht“, erzählt Silvia Bockhorn. Sie ist Stationsleiterin der Abteilung für Anästhesie und Intensivmedizin. Dort werden Patienten nach Unfällen oder schweren Eingriffen behandelt. Seit dem Frühjahr auch Covid 19-Patienten. „Zusätzlich, also nicht statt einer anderen Krankheit“, ergänzt der Leiter der Abteilung, Primar Herbert Koinig.

„Ein Allheilmittel haben wir nicht“

Eine Covid-Erkrankung wirkt oft Wochen und Monate nach, sagt Koinig: „Wir sehen, dass Patienten nach der Langzeitbeatmung und Intensivtherapie oft sehr geschwächt sind. Dass die Nierenfunktion gestört ist.“ Und: „Ein Allheilmittel haben wir nicht. Wir können die Patienten so betreuen, dass sie durch diese Krise kommen, aber ein Allheilmittel steht uns leider nicht zur Verfügung.“

Kameramann Helmut Muttenthaler und Reporter Gernot Rohrhofer in Schutzkleidung
Universitätsklinikum Krems
Kameramann Helmut Muttenthaler und ORF-NÖ-Redakteur Gernot Rohrhofer (v.l.) auf der Covid-Station im Krankenhaus in Krems. Bevor es weiter in den Patientenbereich ging, mussten sie dieselben Schutzkleidung anlegen, wie es das Personal mehrmals am Tag tut.

Angst, sich selbst anzustecken, habe sie nicht, sagt Stationsleiterin Bockhorn, „aber ich habe Respekt. Respekt vor der Situation, vor der Erkrankung, weil wir tagtäglich sehen, was passieren kann.“ Seit 30 Jahren ist sie in der Pflege tätig, „und das ist sicherlich die größte Herausforderung, die wir bisher hatten.“

Die Zahl der Covid-Betten im Universitätsklinikum Krems wurde in den vergangenen Tagen von 20 auf 80 erhöht. „Wir kriegen reichlich neue Patienten“, sagt Lungenfacharzt Errhalt. Er ist überzeugt, dass der neuerliche Lockdown richtig ist: „Wir sind im Spital sehr froh darüber, weil wir hoffen, dass dieser Zustrom irgendwann aufhört und wir mit den Betten, die uns zur Verfügung stehen, auch tatsächlich auskommen werden.“