Beethovenhaus in Baden
ORF/Reinhard Linke
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Kultur

Niederösterreich war Beethoven Welt genug

Während Mozart und Haydn bis nach London reisten, und selbst Schubert Reisen durch Österreich unternahm, kam Ludwig van Beethoven kaum über das Wiener Umland hinaus. Viele seiner Werke entstanden in Niederösterreich. Im Sommer war er meist in Mödling und Baden.

Zum 250. Geburtstag jenes Komponisten, dessen Werke weltweit am meisten gespielt werden, kann man – durchaus berechtigt – auch das Augenmerk auf Beethovens Niederösterreich-Aufenthalte lenken, wobei der genaue Geburtstag nicht belegt ist, wohl aber das Taufdatum, es ist der 17. Dezember 1770. Es kann als wahrscheinlich angenommen werden, dass Ludwig van Beethoven am Tag davor in Bonn (Deutschland) auf die Welt kam.

Berechtigt ist das Nachzeichnen seiner Spuren in Niederösterreich allein schon deshalb, weil viele bedeutende Werke hier entstanden sind, wie der Schlusssatz der 9. Sinfonie (Baden), die Hammerklaviersonate oder Teile der Missa Solemnis (Mödling). Nimmt man Wien-Heiligenstadt noch dazu, das damals geografisch zum „Viertel unter dem Manhartsberg“ zählte, erhöht sich die Zahl der Werke nochmals.

Die unsteten Komponisten und Bürger

Historisch belegt sind 26 Wohnungsumzüge Ludwig van Beethovens allein in Wien. Nur Schubert wechselte noch öfter die Wohnstatt. „Das war für damalige Verhältnisse nicht so ungewöhnlich“, erklärt dazu der Badener Musikwissenschafter und ehemalige Ö1-Musikredakteur Johannes Leopold Mayer. „Außer den Hausbesitzern und den Handwerkern, die meistens im Haus ihrer Werkstatt gewohnt haben, mussten bürgerliche Mieter oftmals umziehen, weil die Mietverträge nur für ein Jahr abgeschlossen wurden.“ Im Alter von 22 Jahren kam der junge Virtuose zu Studienzwecken nach Wien und blieb hier 35 Jahre bis zu seinem Tod.

Beethovenhaus Baden
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Beethovenhaus in Baden, Rathausgasse 10, Ecke Beethovengasse

Beethovens Werke in Niederösterreich:

Aufenthalte in Mödling, 1818 und 1819: Missa Solemnis, Hammerklaviersonate, Mödlinger Tänze, Diabelli-Variationen.

Baden 1821, 22 und 23: Schlusssatz der 9. Sinfonie, Wellingtons Sieg, späte Streichquartette.

Wien-Heiligenstadt: unter anderem die 3. Sinfonie („Eroica“).

Gneixendorf 1826: Streichquartett op. 135, seine letzte Komposition.

Die Musikgeschichte weiß von 17 Aufenthalten Beethovens in Baden, der erste 1803, der letzte 1825. Er besuchte hier die Schwefelquellen, denn früh plagten den schöpferischen Geist starke körperliche Leiden. Baden war damals ein nobler Kurort mit zwei Gesichtern, wie im Beethovenhaus zu lesen ist: Die Altstadt ist geprägt vom Theater, von Kaffeehäusern, von Spielzimmern und Palais von Familien des Hochadels und wohlhabender Bürger. Hier konnte der berühmte Musiker sehr gut netzwerken, um neue Kompositionsaufträge und damit Geld zu lukrieren.

An den Rändern wirkt die Stadt ländlich, mit prachtvollen Alleen, Spazierwegen, Pavillons und Aussichtspunkten. Mit der Kutsche ließ sich Baden von Wien in drei Stunden Fahrzeit erreichen. Beethoven nutzte gerne die Umgebung der Kurstadt mit Fußmärschen durch das Helenental. Einmal verirrte er sich im wahrsten Sinne des Wortes entlang des Kanals bis nach Wiener Neustadt.

Beethoven, der unangenehme Mieter

Die Sommermonate der Jahre 1821, 1822 und 1823 wohnte Beethoven in Baden in der Rathausgasse 10, im westlichen Teil der heutigen Altstadt, im ersten Stock des Hauses eines wohlhabenden Kupferschmieds. Diese Wohnung blieb bis heute praktisch unverändert. Sie gliedert sich in einen Vorraum, ein Schlaf- und ein Arbeitszimmer. Die Räume weisen noch die originale Wand-, Decken- und Bodengestaltung auf. Auch die Fensterkästen sind noch erhalten. In Ermangelung an Papier hatte Beethoven die Angewohnheit, seine Gedanken und Ideen auf die Fensterläden zu schreiben. Im Jahr 1823 musste er sie auf seine Kosten ersetzen lassen, dies war die Bedingung des Hausherren für den weiteren Aufenthalt. Die beschrifteten Fensterläden wurden danach Brett für Brett als Beethoven-Erinnerungsstücke verkauft.

Beethovens Schlafkammer im Beethovenhaus Baden
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Beethovens Schlafkammer im Beethovenhaus in Baden

In Mödling verbrachte Beethoven die Sommermonate der Jahre 1818 und 1819. Das sogenannte „Hafnerhaus“ ist ein Renaissancebau aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts mit wunderschönen Pfeilerarkaden im Hof und zwei gotischen Erkern. Er bewohnte die letzten beiden Zimmer im ersten Stock, um so wenig wie möglich zu stören. Doch das misslang ordentlich. Der von zunehmender Taubheit geplagte Komponist schritt laut stampfend und Melodien brüllend beim Komponieren durch die Wohnung, dazwischen schlug er laut in die Tasten seines mitgebrachten Broadwood-Flügels.

So entstand zum Beispiel der Beginn der Missa Solemnis, der allerdings nicht nur Beethoven großes Kopfzerbrechen bereitete, sondern auch seinen Mitbewohnern. „Beethoven tat sich sehr schwer mit dem Komponieren von Fugen, und er hat damals sehr viel die Händelsche Musik studiert. Dieses Ringen um die richtige Form äußerte sich in unentwegtem Gestampfe“, wie Johannes Leopold Mayer erzählt. „Beethovens Hauswirtin war schon ganz verzweifelt: Er lässt sich schon seit vier Tagen nicht blicken, er isst und trinkt nichts und wäscht sich auch nicht. Auf einmal schreit er laut auf, läuft auf die Straße und brüllt: ‚Ich hab es, ich hab es, Händel sei Dank‘. Da war ihm offenbar die große Eingangsfuge, so wie er sie sich vorgestellt hatte, gelungen.“

Wasserhof Gneixendorf
Köchel Gesellschaft Krems
Schloss Wasserhof in Gneixendorf, das Johann van Beethoven kaufte

Gneixendorf als Abgesang des Lebens

Während er in Mödling und Baden direkt in der Stadt wohnte und reichlich Umgang in bürgerlichen und adeligen Kreisen pflegen konnte, war Gneixendorf (Bezirk Krems) wohl so etwas wie das Ende der Welt. Über Gneixendorf schrieb er – laut örtlicher Überlieferung – dass ihn der Name an eine brechende Wagenachse erinnere, dass die Luft gesund sei, doch dass man über das Sonstige das „Memento mori“ („Bedenke, dass du sterblich bist“) machen müsse.

Auch die Gneixendorfer selbst waren vom Wesen des Komponisten nicht angetan. Er sei der „närrische und terrische Bruder vom Gnä´ Herrn“, der „grauperte Musikant“, der mit seinem ungewöhnlichen Gehabe „junge Zugochsen scheu machen“ könne. Beethoven kam 1826 in den Weinort Gneixendorf, weil sein Bruder Johann als wohlhabender Apotheker hier ein kleines Schloss gekauft hatte. Beethovens chronische Bauchprobleme hatten ein fürchterliches Ausmaß angenommen, sodass er sich Hilfe von seinem Bruder erwartet hatte. Er reiste Ende November im Streit wieder ab. Auf der Rückreise nach Wien erlitt er eine Lungenentzündung, von der er sich bis zu seinem Tod im März 1827 nicht mehr erholte.