Johannes Huber im Interview mit Eva Steinkellner-Klein
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„Ganz persönlich“

Johannes Huber: „Gut sein kann man trainieren“

Wer ein guter Mensch ist, ist gesünder, schreibt Mediziner, Theologe und Autor Johannes Huber in seinem neuen Bestseller. Die CoV-Krise sieht der gebürtige Hainburger (Bezirk Bruck/Leitha) als Rechnung für unser Leben, erklärt er im „Ganz persönlichen“-Interview.

Es ist ganz und gar nicht egal, ob wir nett und emphatisch oder rücksichtslos und egoistisch sind. Negative Gedanken und Taten schwächen uns. Das schlägt sich auch auf die Gesundheit nieder. So schreibt es der 74-jährige Arzt, Theologe und Autor Johannes Huber in seinem neuen Bestseller „Das Gesetz des Ausgleichs“. Darüber und wie man das „Gut sein“ trainieren kann sprach er mit Eva Steinkellner-Klein für „NÖ heute“.

noe.orf.at: Sie sagen, man kann nicht nur Muskel trainieren, sondern auch das „Gutsein“. Haben Sie Tipps dafür?

Johannes Huber: Der erste Tipp ist zweifelslos das, was große Konzerne auch machen: Qualitätskontrolle. Früher war das die Gewissensforschung. Und der zweite – wenn man wirklich etwas besser machen möchte, aber Schwierigkeiten hat, dass man das Gespräch sucht und mit jemandem diskutiert: Ein Gespräch mit einem Mediator oder Therapeuten. Früher war das die Beichte. Wichtig ist auch, Kompromisse zu machen. Die Kultur des Kompromisses wird heute sehr vernachlässigt, denn es ist besser etwas einzustecken als permanent Prozesse zu führen.

noe.orf.at: Sie schreiben ja sogar in Ihrem Buch, man solle die zweite Wange hinhalten. Das finden viele sicher schwierig.

Huber: Das ist zweifelsohne schwierig! Aber es ist besser, einzustecken und vielleicht noch einmal einzustecken als zurückzuschlagen. Natürlich spreche ich hier nicht von physischen Schlägen, aber wenn man sich so manche Postings anschaut, sieht man ärgste Brutalität. Wenn man es ignoriert, löst man wohl am ehesten das Problem, weil ja jede Reaktion eine Gegenreaktion erzeugt.

noe.orf.at: Ich glaube, die Allermeisten wollen gute Menschen sein, aber es gelingt eben nicht immer. Was meinen Sie dazu?

Huber: Das ist richtig. Das ist genauso wie mit dem gesunden Leben. Alle wollen gesund leben, aber die Lebensführung ist oft nicht gesund. Allein die Tatsache, dass wir das „Gut sein“ in uns tragen, sollten wir kultivieren. Es hat aber keinen Sinn, am Vormittag bei einer Charity-Veranstaltung eine große Summe hinzulegen und am Nachmittag jemanden digital zu beleidigen. Der gute Gedanke ist sicher der Anfang von allem. Gedanken werden bekanntlich zu Worten und zirkulieren in Sekunden um den Erdball. Und aus Worten werden Taten.

Johannes Huber im Interview
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noe.orf.at: Sie sind – und das schreiben Sie auch in Ihrem Buch – der Ansicht, dass der Familienverband die ideale Lebensform ist. Stellt das in Hinblick auf eine moderne Gesellschaft nicht die Berufstätigkeit der Frau infrage?

Huber: Ich glaube, man muss versuchen, das auf einen Nenner zu bringen und das kann sicher gelingen. Die Familie ist von der Natur vorgegeben. Das heißt, es ist etwas, das Millionen von Jahre funktioniert hat und das Überleben der Art gewährleistet hat. Gerade in Zeiten von Corona, in der die Einsamkeit ein großes Problem ist, wäre das ein neues Postulat. Es muss nicht darin bestehen, dass man dauernd zusammenklebt, aber zu wissen, dass man einen Verband hat, auf den man sich verlassen kann, ist die beste Lebensschule.

noe.orf.at: Sie haben in einem Interview gesagt, dass Kinder in der Coronavirus-Krise lernen müssen, dass das Leben hart ist. Wie haben Sie das gemeint?

Huber: Es geht ja vor allem in der aktuellen Diskussion um die Frage, was man den Kindern alles wegnimmt. Das ist auch berechtigt. Aber auf der anderen Seite ist das Leben eben kein Kinderspiel und das muss man den Kindern ohne Traumatisierung beibringen, denn sie werden in ihrem Leben noch vielem begegnen, das ihnen nicht gefällt. Das muss auch gelernt werden und da ist Covid-19 eine Gelegenheit. Wenn wir im Paradies leben würden, müssten sie es nicht lernen. Gerade im Hinblick auf die Großeltern können Kinder Rücksicht nehmen und beispielsweise ein paar Wochen nicht auf den Spielplatz gehen. Das mag hart sein aber man kann es auch als Lebensschule sehen. Das wird in der jetzigen Situation völlig ausgeblendet.

noe.orf.at: Sie sind ja nicht nur Mediziner sondern auch Theologe. Warum ist es schlussendlich der Arztberuf geworden?

Huber: Die Medizin hat mich immer mehr interessiert. Ich war am Gymnasium in Hollabrunn. Einer meiner Lehrer dort war Hans Groer. Er hat mich für die Theologie begeistert – für die Theologie als Lebensphilosophie. So weit sind ja Medizin und Theologie nicht auseinander, denn ein guter Arzt muss auch ein guter Seelsorger sein.

noe.orf.at: Sie waren viele Jahre der private Sekretär von Kardinal König. Wie war diese Zeit?

Huber: Das war schon eine Herausforderung! Ich war ja ein Kind, ein einfaches Kind, mehr oder weniger vom Land. Dann wurde ich plötzlich mitgenommen zur Kennedy-Familie, zur Tagung der Nobelpreisträger, ich durfte mich mit dem ehemaligen Bundeskanzler Kreisky unterhalten. Das war für mich ein völlig neuer Horizont. Und natürlich die Erkenntnis, dass man Toleranz auch üben muss, denn das war sicher eine Eigenschaft, die Kardinal König praktiziert hat – auch gegenüber Andersdenkenden, selbst gegenüber Atheisten. Ich kann mich an viele wunderbare Mittagessen mit dem Atheisten Konrad Lorenz erinnern. König und Lorenz haben sich wunderbar miteinander verstanden. Diese Zeit war für mich die große pädagogische Zeit meines Lebens.

noe.orf.at: Ist die Coronavirus-Krise die Rechnung, die wir für unser bisheriges Leben präsentiert bekommen?

Huber: Ja, da ist schon was dran. Denn es ist so, dass wir mit der Natur zu großzügig umgehen, dass wir permanent eine Migration um die ganze Welt durchführen. Oder denken Sie nur an die industrielle Tierhaltung. Das ist möglicherweise ein Fingerzeig der Evolution, dass der Homo Faber, der Zauberlehrling, einen Schritt zu weit gegangen ist. Ich glaube, dass man das auch beherzigen sollte.