Wirtschaft

2020: Arbeitslosigkeit so hoch wie noch nie

Noch nie in der Geschichte der Zweiten Republik war die Arbeitslosigkeit so hoch wie im Coronavirus-Jahr 2020. Im Jahresdurchschnitt waren in Niederösterreich 65.900 Menschen auf Arbeitssuche, das ist ein Plus von 29,7 Prozent.

Die Arbeitslosigkeit nahm vor allem im Frühjahr massiv zu, als Österreich im ersten harten Lockdown war. Der höchste Anstieg an Jobsuchenden wurde im April verzeichnet. Besonders hart traf die Coronavirus-Pandemie Branchen wie die Hotellerie, die Gastronomie und die sogenannten körpernahen Dienstleister wie etwa Friseure. Andere Branchen blicken hingegen auf eine gute Entwicklung im Jahr 2020 zurück. Im Baugewerbe etwa wurde von Juli bis September österreichweit der höchste Zuwachs an Beschäftigten verzeichnet.

Mit einem Anstieg von 29,7 Prozent bei den Menschen auf Arbeitssuche kam Niederösterreich im Vergleich zu anderen Bundesländern eher glimpflich durch die Krise. Österreichweit fiel das Plus mit 37 Prozent deutlich höher aus, 412.900 Menschen waren bundesweit auf Jobsuche. Dass der niederösterreichische Arbeitsmarkt weniger stark in Mitleidenschaft gezogen wurde, begründet man beim Arbeitsmarktservice (AMS) mit dem Mix an unterschiedlichen Branchen im Bundesland.

AMS Bilanz
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Am stärksten stieg die Arbeitslosigkeit 2020 in Niederösterreich im Mostviertel. Im Bezirk Melk gab es bei der Zahl der Jobsuchenden etwa ein Plus von 52,6 Prozent. Am niedrigsten fiel der Anstieg im Waldviertel aus. Im Bezirk Gmünd waren es plus 17,4 Prozent. Der Chef des AMS Niederösterreich, Sven Hergovich, sieht die Gründe dafür in den unterschiedlichen Wirtschaftsstrukturen in den Regionen.

Leiharbeit besonders stark betroffen

„Im Mostviertel haben wir besonders viele Industriebetriebe und deshalb sehr viel Leiharbeit. Die Leiharbeit war der Sektor, wo die Arbeitslosigkeit in dieser Krise am stärksten angestiegen ist“, so Hergovich. Trotz des stärksten Anstiegs habe das Mostviertel aber nach wie vor auch im Niederösterreich-Vergleich eine unterdurchschnittliche Arbeitslosigkeit, hielt Hergovich fest.

Die gute Entwicklung im Waldviertel führt er hingegen auf die „kleinräumige wirtschaftliche Struktur des Waldviertels“ zurück. Mit den 22 Geschäftsstellen in ganz Niederösterreich könne man „regional abgestimmte und unterschiedliche Lösungen für die verschiedenen Herausforderungen der Regionen anbieten“, so der Chef des AMS Niederösterreich.

AMS Bilanz
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Im Bezirk Melk stieg die Arbeitslosigkeit 2020 um 52,6 Prozent, im Bezirk Gmünd um 17,4 Prozent

Etwa 18.500 Betrieben wurde in Niederösterreich die Coronavirus-Kurzarbeit genehmigt, knapp 900 Millionen Euro an Beihilfen wurden bisher ausgezahlt. Sie sind an die Bedingung gekoppelt, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mindestens einen Monat nach Auslaufen der Kurzarbeit weiter beschäftigt werden.

Kurzarbeit: „Die meisten halten sich an die Regeln“

Für „schwarze Schafe“, die sich auf Kosten der Allgemeinheit mit der Kurzarbeit bereichern, zeigte Hergovich kein Verständnis. „Die überwältigende Mehrheit der Unternehmen, die in Kurzarbeit sind, halten sich aber an alle Spielregeln und nutzen die Kurzarbeit, um Beschäftigungsverhältnisse zu sichern. Die gehören mehr und nicht weniger unterstützt.“

Der Chef des AMS Niederösterreich geht davon aus, dass die Kurzarbeit „über den März hinaus“ noch einmal in die Verlängerung gehen wird. „Auf der anderen Seite bin ich sehr zuversichtlich, dass die überwältigende Mehrzahl der Unternehmen, die jetzt in Kurzarbeit sind, ein so stabiles Geschäftsmodell haben, dass wir die meisten dieser Beschäftigungsverhältnisse sichern können. Alle Zahlen, Daten, Fakten, die wir haben, deuten jedenfalls auf diese erfreuliche Nachricht hin.“

Schaltung Hergovich
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Sven Hergovich, Chef des AMS NÖ, sprach mit „NÖ heute“- Moderatorin Claudia Schubert über die Lage am Arbeitsmarkt

Für bestimmte Personengruppen wie Langzeitarbeitslose, ältere Menschen oder gesundheitlich beeinträchtigte Menschen war die Situation schon vor Beginn der Coronavirus-Pandemie schwierig. Für sie sei die Lage am Arbeitsmarkt „tatsächlich noch einmal schwieriger geworden“, so Hergovich. Das Angebot an freien Stellen und Lehrstellen ging 2020 in Niederösterreich um 23 Prozent zurück. „Die gute Nachricht ist aber, dass es immer Chancen gibt. Alleine im heurigen Jahr haben mehr als 80.000 Menschen in Niederösterreich aus der Arbeitslosigkeit heraus einen Job gefunden. Das gibt ein Stück weit Hoffnung in dieser schwierigen Zeit.“

Spürbare Entspannung ab Ende März erwartet

Das AMS Niederösterreich will im kommenden Jahr 2021 eine Qualifizierungsoffensive starten. Die Schwerpunkte sollen im technischen Bereich und im Bereich des Handwerks liegen, „weil wir hier besonders viel Nachfrage nach Arbeitskräften und damit besonders viele Chancen für Arbeitssuchende sehen“, sagte der AMS-Niederösterreich-Chef. Ein weiterer Schwerpunkt sei für den betriebsnahen Bereich vorgesehen, „weil es uns wichtig ist, Ausbildungen anzubieten, mit denen man nachher einen Job findet“.

Hergovich geht davon aus, dass die Arbeitslosigkeit im gesamten Winter noch steigen wird. Eine spürbare Entspannung soll es im Frühjahr geben. Ab Ende März erwartet das AMS auch in Niederösterreich sinkende Arbeitslosenzahlen.