Kern Tec Start up Herzogenburg Obstkerne
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Wirtschaft

Start-up setzt auf nachhaltige „Kernspaltung“

Obstkerne galten bisher als Abfallprodukte, die im besten Fall verheizt werden. Ein Herzogenburger Start-up sieht darin einen zukunftsträchtigen Rohstoff und kauft Obstkerne in halb Europa ein. Daraus enstehen etwa Öle, Pasten oder Cremen.

In tonnenschweren Säcken reihen sich die Kerne von Marillen, Zwetschken und Kirschen aneinander – auch wenn sich die Lagerhalle in Herzogenburg (Bezirk St. Pölten) seit dem Sommer schon deutlich geleert hat. Gewaschen und getrocknet warten die Kerne nun darauf, geknackt zu werden, denn der Samen enthält viele hochwertige Inhaltsstoffe: ungesättigte Fettsäuren, Ballaststoffe und Proteine.

Was für den Laien nach einem scheinbar leichten Schritt klingt, war in der Praxis mit viel Mühe und Selbststudium verbunden. „Es war sehr schwierig, einen Prozess zu entwickeln, damit man die Kerne möglichst schonend aufbricht“, erklärt einer der Gründer von Kern Tec, Luca Fichtinger: „Die Schale ist sehr hart und man muss aufpassen, dass dabei der kleine und weiche Samen nicht zerdrückt oder zerquetscht wird.“ Die Maschinen dafür mussten die Gründer erst selbst entwickeln und sind deshalb ein gut gehütetes Geheimnis.

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In tonnenschweren Säcken reihen sich die Kerne von Marillen, Zwetschken und Kirschen – gewaschen und getrocknet – in der Lagerhalle aneinander

„Einzigartig“ im Geschmack und Geruch

Die Maschine schafft es zudem, die Samen und die Schalen automatisch zu trennen. Dieser komplexe Prozess ist auch der Grund, warum Obstkerne bisher weltweit kaum verwendet wurden. Kern Tec verarbeitet diese u.a. zu proteinreichen Mehlen, Pasten und Ölen, sagt Gründerkollege Michael Beitl: „Die Öle sind einerseits einzigartig im Geschmack und Geruch, andererseits weisen die Samen viele Wirkstoffe und eine hochwertige Fettsäurezusammensetzung auf, die für die Kosmetikindustrie wichtig sind“.

Die Kerne haben je nach Sorte unterschiedliche Aromen, erklärt Beitl: „Der Kern der Marillen ist am nussigsten. Wenn man den Kern röstet, bekommt man ein schönes Nussaroma. Dann geht es weiter zur Kirsche und Zwetschke, bei denen man immer stärker einen Amaretto- bis Marzipangeschmack bekommt.“ Die Öle kann man etwa zum Backen verwenden, „mit dem großen Vorteil: Marzipangeschmack, aber ohne Zucker“.

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Von Herzogenburg aus wollen Michael Beitl (li.) und Luca Fichtinger den Obstkernmarkt in Europa erobern

Kaffeebecher und Peelings

„Unser Ziel war es, den Kern zu 100 Prozent zu verwerten“, sagt Beitl. Deshalb wird auch die Schale gemahlen und soll etwa Mikroplastik in Kosmetikprodukten ersetzen. „Dadurch, dass es so hart ist, hat es eine starke Abriebwirkung. Das kann man etwa in der Kosmetik in Peelings verwenden und damit Plastik ersetzen“, sagt Beitl. Darüber hinaus kann man aus den gemahlenen Schalenresten nachhaltige Verpackungen für Einwegkaffeebecher produzieren.

In dieser Form ist Kern Tec, das 2019 gegründet wurde und mittlerweile aus zehn Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern besteht, Pionier in Europa. Den Anstoß zum Unternehmen lieferten ursprünglich Obstbauern aus der Wachau, „die sich schon länger Gedanken gemacht haben, Obstkerne sinnvoll zu nutzen“, sagt Fichtinger. Im Zuge eines Universitätsprojekts entwickelten die beiden Jungunternehmer schließlich die Idee zur industriellen Verwertung.

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Sowohl die Samen (u.) als auch die Schalen (o.) der Kirschen-, Marillen- und Zwetschkenkerne werden verarbeitet

Einkaufstour quer durch Europa

Die Wachau beziehungsweise die Marillenkerne blieben in der Anfangsphase „ein wunderbarer Anknüpfungspunkt“, erinnert sich Fichtinger, doch nach den ersten Testläufen waren sie allein zu wenig. „Wir sind dann zu den großen, heimischen Konserven- und Saftverarbeitern gekommen, später auch nach Italien, Frankreich und Ungarn und mittlerweile sind wir schon in ganz Europa unterwegs.“

Trotzdem liefern nach wie vor auch viele kleine Obstbauern aus der Region. „Wir haben nach wie vor viele Projekte, bei denen wir die Kerne direkt vom Betrieb abholen und dann veredelt wieder zurückbringen“, sagt Beitl. Zudem zahlt Kern Tec pro Tonne 100 Euro. Bedarf gibt es genug, allein aus der Vorsaison wurden etwa 1.000 Tonnen Obstkerne verarbeitet. Zum Vergleich: In Europa fallen pro Jahr hunderttausende Tonnen an – es gibt also genügend Wachstumspotenzial.