noe.ORF.at: Herr Schneider, wie geht es Ihnen mit ihrer kreativen Arbeit im Auf und Ab der Lockdowns und Lockerungen?
Norbert Schneider: Diese Situation ist ja schon dermaßen lang andauernd, dass ich sehr viele Facetten an Stimmungsschwankungen bereits durchlebt habe. Von der totalen Starre bis hin zur Arbeitswut war da bis jetzt alles drin. Im Moment arbeite ich gerade wieder sehr viel und habe dabei einen schrägen Rhythmus entwickelt. Ich arbeite überwiegend in der Nacht, zwischen zwei Uhr und vier Uhr nachts erlebe ich witzigerweise die produktivste Zeit. Aber: es ist eine gute Zeit. Man wird nicht gestört, es ruft niemand an. Man hat das Gefühl, alle anderen ruhen und schlafen und man ist der Einzige auf der Welt, der etwas tut. Das ist gerade so meine Phase.
noe.ORF.at: In dieser bitteren Zeit, ohne Auftrittsmöglichkeiten, Publikum und Applaus, ist man als Musiker auf sich selbst zurückgeworfen. Wie erleben Sie das?
Schneider: Ich habe keinen Einfluss darauf, wann ich mit meiner Musik wieder öffentlich auftreten darf. Deshalb war mir wichtig, mich wieder darauf zu besinnen, warum ich eigentlich damit angefangen habe. Und da sind wirtschaftliche Gründe in den Hintergrund gerückt und die Liebe zur Musik in den Vordergrund. Und diese Liebe ist mehr denn je als neues Feuer entfacht. Ich höre so viel Musik, wie seit 20 Jahren nicht mehr. Das macht so viel Spaß. So „dran an der Musik“ wie jetzt, das war ich schon lange nicht mehr.
noe.ORF.at: In den letzten Monaten ist wohl auf diese Weise die besondere Langspielplatte „Mondsüchtig“ entstanden?
Schneider: Die Idee zu diesem Projekt trage ich schon seit Jahren mit mir herum: Ein Album mit Jazz-Titel aufzunehmen, bei dem meine Gitarrenarbeit im Fokus steht und viele Instrumentalnummern drauf sind. Weil ich ein großer Liebhaber dieses Musikstils bin und ich mich darin gerade in den letzten Jahren sehr weitergebildet habe. Das war jetzt das perfekte Projekt. Das musste wirtschaftlich nicht funktionieren, das war eine reine Herzensangelegenheit. In meinen bisherigen Projekten ging es viel mehr um den Text und die Geschichten, die ich darin erzählen möchte. Und da musste das ausgiebige Spiel auf der Gitarre etwas zurücktreten. Nur im Live-Konzert konnte ich davon mehr zeigen. Und da hat sich dieses Bedürfnis angestaut, und das konnte ich in dem Projekt „Mondsüchtig“ ausleben.
noe.ORF.at: Die Besetzung ist sehr originell, auch die Vermarktung. Wie hat sich das ergeben?
Schneider: Mein Leib- und Seelenpianist ist aus einem Missverständnis heraus nicht zu einem Probentermin erschienen. Da haben wir eben zu dritt, Bass, Posaune und E-Gitarre, begonnen, und wir waren am Ende der ersten Nummer so erstaunt und perplex über diesen neuen Sound, über diese fragile und interessante Linienführung, dass wir beschlossen haben, so weiterzumachen. Und weil das Album eben eine Herzensangelegenheit für mich darstellt, sollte es so auch hinausgehen.
Das Album ist als Ten-Inch-Langspielplatte erschienen, auf die etwa vier Titel pro Seite passen. Das ist ein in Amerika beliebtes Format. Und: Es gibt sie nur in einer limitierten Auflage von 750 Stück. Aber man kann Sie auch in digitaler Form erwerben. Lustig ist, dass ich in früherer Zeit Songs in englischer Sprache gesungen habe. Mit meinen deutschsprachigen Liedern war dann meine Fangemeinschaft geografisch eingeschränkter. Nun melden sich wieder Menschen aus Amerika und England, die dieses Projekt interessant finden. Ich habe selbst herumgeforscht: Die Besetzung Bass, Posaune und E-Gitarre habe ich so noch nirgendwo gefunden.