Yellow von Luc Perceval im NTGent
Maria Shulga
Maria Shulga
Kultur

Theater im Stream: Belgien und die Nazis

Am Donnerstag ist die Online-Premiere von „Yellow“, dem zweiten Teil von Luk Percevals Trilogie „The Sorrows of Belgium“. In dieser Gemeinschaftsproduktion des Landestheaters Niederösterreich mit dem NTGent geht es um Belgien während der NS-Zeit.

Schwarz, Gelb und Rot sind die Farben der belgischen Nationalflagge. Sie geben Regisseur Luk Perceval die Orientierung für eine Trilogie zur belgischen Geschichte und deren Tabuthemen. Nach dem Auftakt mit „Black“, der sich mit der Kolonialvergangenheit Belgiens auseinandersetzte und vor einem Jahr in St. Pölten gastierte, folgt am Donnerstag nun „Yellow“ als Stream.

Perceval: „Ein Schandfleck in der Geschichte Belgiens“

Neben dem Massenmord im Kongo, mit dem die Trilogie „The Sorrows of Belgium“ eröffnete, „ist die Kollaboration mit den Nazis der zweite Schandfleck in der Geschichte Belgiens“, erklärt der Regisseur im Zoom-Interview mit der Austria Presse Agentur. Nicht nur die Flamen, die sich als Teil der deutschen Rasse verstanden, sondern auch die französischsprachigen Wallonen hätten das Unrechtsregime unterstützt. Gleichzeitig habe es aber einen richtigen Bürgerkrieg zwischen den Kollaborateuren und den Widerstandsgruppen gegeben, der in den 1980er-Jahren in einer viel beachteten Fernsehserie aufgearbeitet worden sei.

„Yellow“ zeigt nicht nur flämische und wallonische Freiwillige in der SS, sondern auch den österreichischen SS-Offizier Otto Skorzeny (1908-1975). „Er ist eine unfassbar kontrastreiche Figur und würde einen eigenen Abend verdienen“, sagt Perceval. „Er war ein enger Vertrauter Hitlers, wurde für die Befreiung Mussolinis gefeiert, hat nach dem Krieg mit dem Mossad zusammengearbeitet und unbehelligt in Spanien gelebt.“

Yellow von Luc Perceval im NTGent mit Ensemble
Maria Shulga
„Yellow“, der Mittelteil der Trilogie „The Sorrows of Belgium“, als Koproduktion mit dem Landestheater Niederösterreich, mit Oscar Van Rompay, Lien Wildemeersch, Philip Kelz, Chris Thys und Valery Warnotte (v.l.)

Dort stand er in engem Kontakt mit einer der schillerndsten Figuren der belgischen Kollaboration, dem Wallonen Leon Degrelle (1906-1994). „Er war sehr eloquent, traf zweimal persönlich mit Hitler zusammen und wurde mit dem Eisernen Kreuz ausgezeichnet. In Spanien wurde er ein guter Freund von Skorzeny und sein Wohnort in Marbella zur Pilgerstätte für Rechtsradikale.“

„Die Österreicher waren auch voll dabei“

Dass sich diese Verbindung auch in „Yellow“ wiederfindet, ist der Zusammenarbeit des NTGent mit dem Landestheater Niederösterreich geschuldet. Gemeinsam mit der österreichischen Dramaturgin Margit Niederhuber, die auch in Gent die Proben begleitete, habe man nach augenfälligen historischen Parallelen gesucht, erzählt Perceval. „Die Belgier haben kollaboriert – aber die Österreicher, die sich später als Opfer stilisiert haben, waren natürlich auch voll dabei.“ In Gent dabei ist auch Landestheater-Ensemblemitglied Philip Leonhard Kelz, der Skorzeny spielt – „auf Deutsch und auf Flämisch“, wie der Regisseur schmunzelnd versichert. Zum Stream werden aber (neben holländischen, englischen und französischen) auch deutsche Untertitel angeboten.

Es handle sich bei der Online-Premiere am Donnerstag (live soll die Produktion im Herbst ihre Österreich-Premiere in St. Pölten feiern) nicht einfach um eine abgefilmte Vorstellung, sondern um eine mit mehreren Kameras aufgenommene Filmversion der Aufführung, für deren Aufzeichnung man sich zwei Wochen Zeit genommen habe, erzählt Luk Perceval.

Yellow von Luc Perceval im NTGent mit Philip Kelz und Lien Wildemeersch
Maria Shulga
Philip Kelz und Lien Wildemeersch (v.l.) in Luk Percevals „Yellow“

Mit einer adäquaten Transferierung des Bühnengeschehens ins Digitale beschäftige er sich schon seit langem, sagt der Belgier. Diese Entwicklung habe durch die Coronavirus-Pandemie natürlich an Dynamik gewonnen. „Überall laufen die Leute mit ihren Smartphones in der Hand durch die Gegend. Das ist ein riesiges Potenzial für die Theater, die Internet-Kanäle nicht nur für die Werbung zu nutzen, sondern auch inhaltlich Präsenz zu zeigen.“

In einem Jahr soll dann in Gent mit „Red“ der Schlussteil der Trilogie herauskommen. „Es geht um die Anschläge in Brüssel und um die Tatsache, dass die meisten ausländischen IS-Kämpfer aus Brüssel gekommen sind“, sagt Perceval. Für Herbst 2022 ist eine Gesamtaufführung von „The Sorrows of Belgium“ geplant.

„Yellow“-Premiere im Online-Stream

Luk Percevals „Yellow – The Sorrows of Belgium II“, eine Koproduktion von NTGent, dem Landestheater Niederösterreich und Le Manege Maubeuge, wird am Donnerstag ab 20.00 Uhr als Live-Stream mit deutschen, holländischen, englischen und französischen Untertiteln gezeigt. Nach der Premiere gibt es backstage die Möglichkeit, via Vimeo-Chat Fragen an das Leading Team und das Ensemble zu stellen.

Das Leading Team sind Luk Perceval (Regie), Sam Gysel (Musik), Annette Kurz (Bühnenbild), Ilse Vandenbussche (Kostüme), Mark Van Denesse (Licht), Daniel Demoustier (Kamera und Schnitt) sowie Peter van Kraaij, Steven Heene und Margit Niederhuber (Dramaturgie). Auf der Bühne stehen Peter Seynaeve, Chris Thys, Lien Wildemeersch, Bert Luppes, Maria Shulga, Oscar Van Rompay, Philip Kelz und Valery Warnotte.