Bernhard Kohl
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„GANZ PERSÖNLICH“

Kohl zu Doping: Ausstieg ist „schwer“

Vor knapp 13 Jahren wurde Bernhard Kohl des Dopings überführt. Im Gespräch mit noe.ORF.at erzählt der ehemalige Radrennfahrer vom schweren Ausstieg aus der Doping-Szene und seinen heutigen Erfolgen als Unternehmer im Fahrradgeschäft.

Im Juli 2008 stieg Bernhard Kohl praktisch aus dem Nichts zum österreichischen Sporthelden auf. Nach mehreren Plätzen unter den ersten Zehn auf Bergetappen und im abschließenden Zeitfahren ließ er sich der Rennradfahrer aus Wolkersdorf (Bezirk Mistelbach) vor Hunderttausenden Fans als Gewinner des rot gepunkteten Bergtrikots und Gesamtdritter der Tour de France feiern.

Der tiefe Fall folgte zweieinhalb Monate nach der großen Ehrung in Paris. Bei einer nachträglichen Kontrolle der Blutproben wurde Kohl des Dopings überführt. Der damals 26-Jährige gestand medienöffentlich, vor der Tour de France mit dem EPO-Dopingmittel CERA gedopt zu haben. Nach einer Dopingsperre beendete Kohl im Jahr 2009 seine Karriere als aktiver Sportler. Heute ist er Inhaber eines Fachgeschäftes für Radsport und beschäftigt dort 40 Angestellte.

noe.ORF.at: Wir sind hier in Ihrem Radgeschäft im Süden von Wien. Mit Ihrer Familie leben Sie in Brunn am Gebirge (Bezirk Mödling). Während des ersten harten Lockdowns im vergangenen Frühjahr war Ihr Geschäft geschlossen. Wie hart war der Einschnitt?

Bernhard Kohl: Für uns war Mitte März eigentlich Hauptsaison, da werden normalerweise sehr viele Räder gekauft. Das Ungewisse war ein großer Schlag, aber Gott sei Dank sind wir in einer Branche, die boomt. Der Radsport hat sehr viel an Wertigkeit gewonnen: Einerseits wegen der Mobilität, andererseits für die Freizeit. Radfahren hat man immer dürfen, man kann es alleine im Freien machen und das spielt uns aktuell sehr in die Karten.

noe.ORF.at: Die Bewegung im Freien boomt nach wie vor, auch der Wunsch, sich ein Fahrrad zuzulegen. Spüren sie das auch jetzt?

Kohl: Einerseits ist die Nachfrage sehr hoch, andererseits kämpfen wir mit der Verfügbarkeit. Sehr viele Lieferanten haben Probleme, die Ware rechtzeitig zu liefern. Das macht es nicht gerade einfach für uns, aber das ist Jammern auf einem sehr hohen Niveau. Andere Branchen leiden wirklich. Eigentlich ist das bei uns ein Luxusproblem.

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Bernhard Kohl (re.) im Gespräch mit Robert Friess in seinem Farradgeschäft in Wien

noe.ORF.at: Kommen wir zu ihrer Karriere als Radrennfahrer. Sie sind in Wolkersdorf im Weinviertel aufgewachsen. Wie sind Sie zum Radsport gekommen?

Kohl: Ich bin immer sportlich gewesen, habe Fußball gespielt, Tennis. Mein Vater war Hobbyradfahrer. In Wolkersdorf ist ein Verein gegründet worden. Irgendwie hat mir das Spaß gemacht, man eifert natürlich auch seinem Vater nach. So hat mit 12, 13 Jahren die Liebe zum Radsport begonnen, die nach wie vor in meinem Herzen brennt.

noe.ORF.at: Sie hatten einen raschen Aufstieg und im Jahr 2008 einen tiefen Fall. Zuerst waren Sie Dritter bei der Tour de France, Sieger der Bergwertung und dann kam die positive Dopingprobe.

Kohl: Es war ein Lebensabschnitt, der zu meinem Leben dazugehört. Ich bin nicht stolz darauf, was da passiert ist. Es war für mich eine ganz schwierige Zeit. Damals, als ich mich im Profisport befunden habe, war Doping leider gang und gebe. Ich hab mich in sehr
jungen Jahren leider dafür entschieden. Man macht dann mit und das wird dann leider zur Normalität. Wenn man einmal drinnen ist, kommt man schwer aus der Sache heraus. Dann war die Tour de France ein riesiger Erfolg. Zuerst bin hochgehoben worden in Österreich, dann kam der tiefe Fall. Es war in meinem Leben eine ganz schwierige Phase. Ich habe mich für den Ausstieg aus dem Profisport entschieden, habe reinen Tisch gemacht, habe mit den Behörden kooperiert. Dann habe ich mein neues Leben gestartet und bin heilfroh, wie alles passiert ist. Ich hab sehr viel daraus gelernt.

noe.ORF.at: Haben Sie nicht ständig Angst gehabt, erwischt zu werden?

Kohl: Natürlich, aber eine Eigenschaft als Profisportler ist, dass man negative Gedanken verdrängt. Sobald man negative Gedanken hat, bringt man keine sportliche Leistung mehr. Man schiebt das irgendwo in eine Schublade, in die man nicht hineinschaut oder darauf zugreift. Würde einen das belasten, hätte man keinen Erfolg.

Bernhard Kohl beim Wiener Rathauskriterium 2008
APA/Herbert Pfarrhofer
Bernhard Kohl beim Rathauskriterium 2008 in Wien, kurz vor Bekanntwerden des Dopingskandals

noe.ORF.at: Nach Auffliegen des Dopingskandals sind Sie gesperrt worden, 2014 hätten Sie wieder fahren können. Wieso haben Sie es nicht gemacht?

Kohl: Als ich 2009 meinen Rücktritt erklärt habe, habe ich gewusst, dass es keinen Weg mehr zurück gibt. Es gibt ein ungeschriebenes Gesetz: Wenn man gegen die Familie spricht – und der Radsport ist eine kleine Familie – und wenn man auspackt, dann hat man keine Berechtigung mehr. Ich habe damals gewusst, dass es keinen Weg mehr zurück geben kann.

noe.ORF.at: 13 Jahre ist es mittlerweile her, dass Sie des Dopings überführt wurden. Bereuen Sie es jetzt?

Kohl: Das Gute im Leben ist, dass man die Vergangenheit nicht ändern kann. Wichtig ist, dass man aus der Vergangenheit lernt, dass man nach vorne schaut und dass man Fehler, die man begangen hat, kein zweites Mal macht. Das ist mein Lebensmotto: Aus der Vergangenheit lernen und es in Zukunft besser machen.