Helmut Szagmeister vor Schutzanzug
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„Menschen im Blickpunkt“

Ein Leben zwischen Bomben und Pyrotechnik

Es sind zwei gegensätzliche, aber laute und gefährliche Welten, in denen Helmut Szagmeister unterwegs ist. Der Tullner ist seit mehr als 20 Jahren beim Entschärfungsdienst der Cobra, aber auch Konzertpyrotechniker.

Helmut Szagmeister trifft man bei seiner Arbeit in der Rossauer Kaserne in Wien nur im Team an und man kann ihn auch nur gemeinsam mit seinen Teamkollegen des Entschärfungsdiensts beschreiben. „Es gibt für jeden Bereich einen Experten. Der eine fährt Roboter, der andere geht mit dem Schutzanzug hin, der dritte ist der Waffentechniker, so spielt das zusammen“, schildert Szagmeister. Vor 30 Jahren lernte der Tullner seinen heutigen Kollegen Franz Scharler über eine gemeinsame Ausbildung kennen, enger zusammen arbeiten sie seit sechs Jahren.

Und seitdem stellen sich die Partner einem breiten Aufgabengebiet. Auch die Entschärfung und Bergung von Kriegsrelikten gehört dazu, erzählt Szagmeister. „Es beginnt bei Chemikalien, die bei Jugend-Wettbewerben verwendet werden, geht über alte Sprengstoffe, die unberechenbar sind, Pyrotechnik bis zu Rohrbomben und Anschlägen – das war der traurige Höhepunkt im November.“ Szagmeister war damals nicht im Dienst, fuhr aber wie viele andere Kollegen sofort in die Wiener Innenstadt. „Da gibt es bei uns kein Zögern. Das ist reines Teamwork. Wenn du da nicht zusammenarbeitest, bist du falsch.“

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Entschärfungsroboter der Cobra
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Der ORF Niederösterreich durfte am Standort der Sprengmeister in Wien drehen. Dort sind u.a. Entschärfungsroboter zu Hause
Entschärfungsroboter der Cobra
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Die Steuerung zeigt die Bewegungen des Roboters auf drei Ebenen. Auch eine Kamera hat das Gerät montiert
Helmut Szagmeister (r.) und Kollege Franz Scharler
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Seit sechs Jahren arbeiten Helmut Szagmeister (r.) und Franz Scharler zusammen. Viel Absprechen bräuchten sie bei Einsätzen nicht mehr, die Handgriffe seien automatisiert

„Wenn es jetzt passiert, dann ist es so“

Der Entschärfungsdienst ist immer in Bereitschaft. Von drei Standorten aus sind die 25 Entschärfer im vergangenen Jahr zu etwa 4.000 Einsätzen ausgefahren. Was einen dort wirklich erwartet, könne man vorab nie genau sagen. „Nach uns kommt niemand mehr. Also wir müssen das abarbeiten, welche Lage das auch immer ist. Es gibt nichts Schlimmeres als wenn du zu einem Einsatz fährst und Angst hast oder nervös bist. Mein Kollege und ich sind da schon lockerer, wir schauen uns das erstmal aus der Entfernung an und ohne Druck.“

Dem Risiko sei man sich aber immer bewusst. Natürlich habe es Einsätze gegeben, bei denen man gedanklich mit dem eigenen Leben abgeschlossen hatte, so Szagmeister: „Es gab eine Zeit mit Anschlägen mit Feuerlöschern. Und da sind mein Partner und ich unter einer Brücke gelegen und wir haben beide gesagt, wenn es jetzt passiert, dann ist es so. Dann kannst du es nicht ändern.“

Erfolgreich als Sprengmeister und Pyrotechniker

Es sind zwei Welten, in denen Helmut Szagmeister unterwegs ist: Auf der einen Seite arbeitet der Tullner seit mehr 20 Jahren als Bombenentschärfer bei der Cobra, auf der anderen Seite gestaltet er bunte Pyrotechnikshows.

Vom Entschärfer zum Konzertpyrotechniker

„Helmut ist unser Experte für die Pyrotechnik. Das ist sein Gebiet“, sagt Franz Scharler. Dabei war das eher Zufall. Die Ausbildung zum Pyrotechniker und zum Sprengbefugten machte Szagmeister nur, um bei einer Vorfeldorganisation des Entschärfungsdienstes aufgenommen zu werden. Heute ist er in ganz Österreich im Einsatz. Wenn in einem Haus Sprengstoff, altes Kriegsmaterial oder illegale Pyrotechnik gefunden werden, wird er in schwierigen Fällen gerufen. Er sammelt all diese Gegenstände ein und vernichtet sie in einer Bunkeranlage in Niederösterreich. Die Frage, weshalb jemand so etwas aufbewahrt oder sammelt, stelle er sich nach all den Jahren nicht mehr, sagt er.

Nach den beruflichen Ausbildungen begann Szagmeister selbst Feuerwerke zu verkaufen und Pyrotechnikshows zu gestalten. „So wie es immer ist, bin ich durch Zufall über einen befreundeten Tontechniker dazu gekommen“, erzählt der Tullner. Dieser habe ihn gefragt, ob er nicht ein paar Effekte machen könne auf einer Bühne. „Die Bühne war die Hauptbühne am Nova Rock. Das war der erste Auftrag.“ Damals sei er von der Stimmung begeistert gewesen.

Helmut Szagmeister (r.) und DJ Felix Jaehn
privat
Szagmeister (r.) mit DJ Felix Jaehn

„Ich habe noch alle zehn Finger“

„Ich hatte ja damals für Effekte bei Konzerten erst wenig Erfahrung und dann hat uns kurzerhand die Crew von den Toten Hosen geholfen. Das war schon alles sehr imposant.“ Mittlerweile sei er in der Szene gut vernetzt, arbeite etwa für das Donauinselfest, für Sänger wie Eric Papilaya oder DJ Felix Jaehn. Auch klassische Feuerwerke gestaltet er für private Veranstaltungen oder Messen.

Das vorige Jahr war durch die Pandemie natürlich ein ruhiges, aber nach 22 Jahren als Bombenentschärfer sei Ruhe durchaus willkommen. Die Pension nach diesem lauten Leben sei „in Sichtweite“, wie Szagmeister sagt. „Natürlich wird es eine Umstellung werden. Wir sind ja als Team immer wochenlang zusammen und das hört sich dann auf. Aber das Wichtigste ist, dass du hier gesund hinausgehst. Ich habe noch alle zehn Finger. Das passt schon so.“