Polymun Impfung
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Coronavirus

Heimische Impfstoffproduktion für Weltmarkt

Wegen der Verzögerungen bei den Impfstoff-Lieferungen wurde zuletzt immer wieder die Forderung laut, Impfstoffe in Österreich zu produzieren. In Niederösterreich passiert das bereits. Zudem könnten Anlagen umgerüstet werden – doch das hat auch Nachteile.

In Niederösterreich haben bisher mehr als zwölf Prozent der Menschen eine erste Dosis der Coronavirus-Schutzimpfung erhalten, österreichweit sind es knapp 14 Prozent. Während in anderen Ländern die Durchimpfungsrate bereits deutlich höher ist, hinkt Österreich hinten nach. Einer der Gründe ist, dass es zuletzt immer wieder zu Lieferverzögerungen bei den Coronavirus-Impfstoffen gekommen ist.

25 Millionen CoV-Impfdosen aus Klosterneuburg

Aus der Politik kam daher immer wieder die Forderung, die Produktion in Österreich zu forcieren. Dabei muss man allerdings nicht über Ländergrenzen hinwegsehen, es reicht der Blick nach Klosterneuburg (Bezirk Tulln) zur Firma Polymun. „Wir haben im letzten Jahr 2020 etwa zehn Millionen Dosen für Biontech/Pfizer hergestellt. Heuer werden es im ersten Halbjahr etwa 25 Millionen Dosen sein“, sagte Polymun-Geschäftsführer Dietmar Katinger.

Mitarbeiter Polymun
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Im ersten Halbjahr 2021 stellt Polymun rund 25 Millionen Impfdosen für Biontech/Pfizer her

Vereinfacht gesagt führt Polymun die Rohstoffe, die für den mRNA-Impfstoff notwendig sind, zusammen. Aus mRNA und Lipiden werden sogenannte Lipid-Nanopartikel hergestellt. Im Grunde ist das der fertige Impfstoff. „Der Impfstoff geht fertig formuliert bei uns hinaus, allerdings in Bulkware und nicht in kleinen Fläschchen. Das findet dann bei einem anderen Hersteller statt“, erklärt Andreas Wagner, technischer Leiter bei Polymun.

Impfstoffproduktion als komplexes Unterfangen

Warum die Impfstoffe nicht auch gleich in Klosterneuburg abgefüllt werden, hat unter anderem damit zu tun, dass es in der Impfstoffherstellung komplexe, aufeinander aufbauende Produktionsprozesse gibt. Dabei hat jeder Hersteller unterschiedliche Expertisen. Die Impfstoffproduktion kann man sich im Wesentlichen in Form von drei Produktionsschritten vorstellen.

In einem ersten Schritt stellen Firmen die jeweiligen Inhaltsstoffe her. Das können Wirkstoffe sein, im Fall der mRNA-Impfstoffe ist es die mRNA, also der Bauplan eines bestimmten Virusmerkmals. In einem zweiten Schritt geht es um die sogenannte Formulierung. Firmen wie Polymun stellen aus der mRNA und anderen Rohstoffen den fertigen Impfstoff her. In einem dritten und letzten Schritt kommen schließlich Unternehmen ins Spiel, die auf die Abfüllung und die Auslieferung der Impfstoffe spezialisiert sind.

Grafik Impfstoff Produktionsprozess Herstellung
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Die Produktion von Impfstoffen ist sehr komplex. Vereinfacht dargestellt kann man sich drei Produktionsschritte vorstellen: Die Produktion der Inhaltsstoffe, die Formulierung und die Abfüllung

76 Prozent der Impfstoffe kommen aus Europa

All diese Prozesse passieren in der Regel nicht in einem Land, sondern in vielen Ländern, wobei Europa eine Vorreiterrolle innehat. Laut Renée Gallo-Daniel, Präsidentin des österreichischen Verbandes der Impfstoffhersteller (ÖVIH), werden bereits jetzt 76 Prozent der Impfstoffe in Europa produziert.

Die Debatte, Impfstoffe vermehrt in Österreich zu produzieren, hält Gallo-Daniel grundsätzlich für „sinnvoll“, unter anderem weil es den Wirtschaftsstandort Österreich stärken würde. Dabei müsse man aber immer die komplexen Produktionsprozesse im Auge behalten. „Wenn ich sage, ich möchte in Österreich eine Covid-Impfstoffproduktion haben, dann müssen wir diskutieren, was möchte ich? Möchte ich alles machen oder möchte ich Teile davon haben?“, so die ÖVIH-Präsidentin. Teile der Produktion finden mit Polymun in Niederösterreich bereits statt.

Pfizer produziert Impfstoffe in Orth an der Donau

Neben Polymun hat mit Pfizer auch ein Pharma-Riese einen Produktionsstandort in Niederösterreich, nämlich in Orth an der Donau (Bezirk Gänserndorf). Hier werden zwei Impfstoffe hergestellt: ein Impfstoff zum Schutz vor Meningokokken der Gruppe C und ein Impfstoff zum Schutz vor FSME, dieser ist allgemein besser als Zeckenimpfung bekannt. Jedes Jahr produziert Pfizer in Orth an der Donau zwischen 15 und 25 Millionen Impfstoffdosen für den weltweiten Bedarf, wobei vom Start der Produktion bis zum Zeitpunkt, an dem der Impfstoff verfügbar und freigegeben ist, rund ein Jahr vergeht.

Virusvermehrung Impfstoff FSME Meningokokken Pfizer Orth an der Donau
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Seltene Einblicke in die Impfstoffproduktion: In Orth an der Donau stellt Pfizer jedes Jahr bis zu 25 Millionen Impfdosen her

Grundsätzlich sei es „wünschenswert“ auch Coronavirus-Impfstoffe in Orth an der Donau zu produzieren, sagt Martin Dallinger, Geschäftsführer der Pfizer Manufacturing Austria GmbH. Dafür müsste man allerdings die gesamte Produktion umbauen und die Mitarbeiter neu trainieren. „Die Quintessenz wäre, dass ich die derzeitigen Impfstoffe – FSME und Meningokokken – nicht mehr produzieren könnte und das wiederum würde heißen, dass die Impfstoffe heute in einem Jahr nicht mehr zur Verfügung stehen“, führt Dallinger aus. Die Konsequenz wäre ein Engpass bei den beiden Impfstoffen und das Risiko, dass Erkrankungen wie FSME oder Meningokokken wieder verstärkt auftreten würden.

CoV-Impfstoffe nur „zusätzlich, nicht anstelle“

„Natürlich wäre es für uns von Interesse, zusätzliche Impfstoffproduktion nach Orth zu bekommen. Das Szenario muss aber so aussehen, dass wir nicht anstelle, sondern zusätzlich produzieren. Das bedeutet zusätzliche Flächen, zusätzliche Gebäude und eine zusätzliche Infrastruktur, die man parallel dazu aufbauen müsste“, so der Pfizer-Geschäftsführer. Grundsätzlich liegt die Expertise von Pfizer in Orth an der Donau in der Wirkstoffproduktion. Die Abfüllung und Auslieferung gehöre „nicht zu unserem Teilgeschäft“, sagt Dallinger.

Generell dürfte Niederösterreich auch in Zukunft bei der Produktion von Impfstoffen eine wichtige Rolle spielen. So arbeitet Polymun zum Beispiel auch mit dem Impfstoffhersteller CureVac zusammen, der schon bald einen Coronavirus-Impfstoff auf den Markt bringen will.

Gleichzeitig könnte auch die Diskussion um eine stärkere, heimische Impfstoffproduktion noch an Fahrt gewinnen. „Wir müssen in die Zukunft schauen“, sagt ÖVIH-Präsidentin Gallo-Daniel. „Wir werden das Coronavirus ja nicht los, es wird uns weiter begleiten.“ Laut Gallo-Daniel brauche es für den Aufbau einer weiteren Impfstoffproduktion aber ein Zusammenspiel zwischen den Herstellern und der Politik, etwa um Möglichkeiten der Kooperation, der Förderung und auch der Prämien auszuloten.