Verschiedene Bücher in Bücherei, Sujet Bibliothek
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Wirtschaft

Mehr Leseratten durch Pandemie

Im vergangenen Jahr dürften viele Menschen ihre Liebe zum Buch entdeckt haben. Trotz Lockdowns freuen sich die Bibliotheken über gute Entlehnzahlen und der Buchhandel verzeichnete deutlich weniger Umsatz-Einbußen als andere Branchen.

Lesen ist „Wellness für den Kopf“, heißt es – und diesen Mini-Spa-Urlaub hatten im vergangenen Jahr wohl viele nötig. Buchhändlerin Irene Alexowksy aus Groß-Enzersdorf (Bezirk Gänserndorf) geht sogar noch weiter: „Bücher sind Lebensmittel. Wir brauchen sie zum Leben, sie sind Nahrung für’s Hirn.“

„Menschen wollen in der Heimat kaufen“

Das zeige sich auch dadurch, dass der Buchhandel im Vergleich zu anderen Branchen derzeit relativ gut dasteht. „Das Vorjahr haben wir abgeschlossen mit acht bis zehn Prozent minus – das ist zu schaffen“, zeigt sich Alexowsky auch als Spartenobfrau der Fachgruppe Buch- und Medienwirtschaft in der Wirtschaftskammer Niederösterreich zufrieden.

„Im Jänner hatten wir ja wieder einen Lockdown, da war drei Wochen geschlossen und wir hatten eine Umsatzreduktion von 28 Prozent“, so Alexowsky, „das heißt, den Rest haben wir mit Click and Collect sowie Onlinebestellungen abgefangen.“ Im Februar sei der Umsatz schon wieder auf einem normalen Niveau gewesen – „und das, obwohl ja gar nicht so viele Leute auf der Straße sind. Es gibt noch viele, die sehr vorsichtig sind.“

Beratung in Büchergeschäft
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Viele Kundinnen und Kunden halten dem lokalen Buchhandel in der Pandemie die Treue

In den Ausbau der Onlineshops wurde deshalb im vergangenen Jahr viel Zeit und Geld investiert, im Kampf gegen internationale Onlinegiganten seien die Kundinnen und Kunden Verbündete. Seit etwa einem halben Jahr sei deutlich zu spüren, dass die Kundschaft bewusst ihr Geld „in der Heimat“ lassen will. „Diese Grundemotion ist ganz, ganz stark. Das haben wir auch vor Weihnachten sehr oft gehört. Da sind die Leute mit dem Ausdruck vom Internet gekommen und haben gesagt: Ich will das, aber bei euch kaufen“, erzählte Alexowsky.

Auch viele Bibliotheken bieten kontaktloses Service

Auch viele Bibliotheken überbrückten die Schließzeiten mit kontaktlosem Liefer- und Abholservice, etwa die Bücherei und Spielothek in Deutsch-Wagram (Bezirk Gänserndorf). Mit unerwartetem Nebeneffekt, schildert die Leiterin, Maria Harbich-Engels: „Wir haben bemerkt, dass das den Bestand ein bisschen durchmischt, weil Bücher, die ein nicht so interessantes Cover haben, werden nicht so gern genommen, und vom Titel her sind sie aber interessant. Es sind also dann Bücher genommen worden, die sonst eher weiter hinten im Regal stehen.“

Die Bücherei als sozialer Treffpunkt sei natürlich in den Hintergrund gerückt. Veranstaltungen und Lesungen werden wohl noch eine Weile nicht stattfinden können und nach wie vor sind die Menschen angehalten, sich eher nur kurz in den Räumlichkeiten aufzuhalten. Trotzdem: „Es sagen viele, sie haben noch nie so viel gelesen wie jetzt“, so Harbich-Engels. Sie spüre auch „eine größere Offenheit“, etwas Neues auszuprobieren.

Kinder in Bibliothek
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Die Bibliothek als erweitertes Wohnzimmer rückt während der Pandemie zwar in den Hintergrund, die Liebe zum Buch bleibt aber

Hohe Entlehnzahlen vor Lockdowns

Grundsätzlich steigen die Entlehnzahlen in den 260 öffentlichen Bibliotheken in Niederösterreich seit Jahren. 2019 wurden über 2,4 Millionen Bücher und Medien entliehen, seit 2014 ergibt das eine Steigerung um fast 46 Prozent. Für 2020 liegen die abschließenden Zahlen noch nicht vor, die Rückmeldungen aus den Bibliotheken bestätigen aber den Trend zum Buch.

„Immer, wenn es geheißen hat, die Bücherei muss schließen, sind gehäuft Menschen in die Bibliothek gekommen. Das war fast ein Ansturm“, schildert Ursula Liebmann, Geschäftsführerin von Treffpunkt Bibliothek, „in den Tagen vor den Lockdowns haben die Bibliotheken dann die zwei- bis dreifache Menge an Medien verliehen.“ Mit noe-book.at habe man auch ein digitales Angebot als Ergänzung. Aktuell biete man hier rund 18.500 Exemplare zum Verleih an, es gibt etwa 9.000 angemeldete Nutzerinnen und Nutzer. Dass der Trend zum Lesen anhält, ist man sowohl im Buchhandel als auch in den Bibliotheken überzeugt, denn die Liebe zum Buch lasse einen nicht mehr los.