Karin Kuhn mit ihrem Hund
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„Menschen im Blickpunkt“

Wenn sensible Schnauzen Leben retten

Wenn Menschen vermisst werden – ob nach einem Einsturz unter Trümmern oder weil sich jemand verlaufen hat – treten die Rettungshunde in Aktion. Karin Kuhn bildet sie seit 25 Jahren aus und perfektionierte das Zusammenspiel zwischen Mensch und Hund.

Die Schnauze eines Hundes ist unglaublich sensibel. Kein technisches Instrument kann es damit aufnehmen. Karin Kuhn nützt es seit genau einem Vierteljahrhundert und entwickelt diese Fähigkeiten durch ihre Erfahrungen laufend weiter. Regelmäßig wird trainiert, vor allem im Zentrum der Rettungshunde Niederösterreich in Sieghartskirchen (Bezirk Tulln). Sie bildet Mensch und Hund für die Suche nach Vermissten aus – auf ihre Weise: „Es ist zu 90 Prozent Gefühlssache, wie ich damit umgehe. Ein Hund ist recht einfach zu lesen, aber das Zusammenspiel zwischen Mensch und Hund zu entwickeln, das ist oft die Herausforderung. Es ist auch Gefühlssache, wie gehe ich jetzt mit dem Menschen um.“

Fast jeder Hund geeignet

Die Ausbildung von Rettungshunden beginnt schon sehr früh, denn der ideale Start für Rettungshunde ist im Welpenalter. Es gebe nur wenige Rassen, die weniger geeignet sind dafür, wie etwa Huskies. Generell aber könne fast jeder Hund ein Rettungshund werden, sagt Karin Kuhn: „Die meisten Hunde, die motivierbar sind, mit Futter oder mit Spielzeug, die eine natürliche Veranlagung haben, etwas tun zu wollen, die können das auch.“

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Karin Kuhn
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Karin Kuhn widmet ihr Leben der Suche nach vermissten Personen
Karin Kuhn spazierengehend mit ihrem Hund
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Mit ihren Hunden ist ist ständig im Training
Karin Kuhn bei einer Einsatzbesprechung
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Bei Einsätzen hat Karin Kuhn (link, von hinten) das Sagen
Karin Kuhn auf Auslandseinsatz mit ihren Hunden
Karin Kuhn
Auch bei Suchaktionen im Ausland war sie mit ihren Hunden schon im Einsatz

Die Königsklasse der Ausbildung ist das „Mantrailing“, das ist die Suche nach bestimmten Menschen, auch wenn viele andere Spuren da sind. Diese Ausbildung hat Karin Kuhn in Deutschland vor fast zwei Jahrzehnten entdeckt und als Erste in Österreich etabliert. Jeder Mensch hat seinen individuellen Geruch und Hunde besitzen die Fähigkeit, diese Spur eines Menschen zu verfolgen, von dem sie zuvor ein Kleidungsstück oder Ähnliches beschnupperten. Und zwar auch mitten in der Stadt oder im Wald, wo es hunderte andere Spuren gibt.

„Wow – es funktioniert!“

1996 begann sie als Rettungshundeführerin, im Jahr 2004 war sie Mitbegründerin des Vereines Rettungshunde Niederösterreich, dessen Chefin sie seit vier Jahren ist. Mehr als 800 Einsätze absolvierte sie in den 25 Jahren – in ihrer Freizeit, alle Rettungshundeführer sind Freiwillige. „Ab und zu ist es mühsam, das Handy ist dein dauernder Begleiter. Dann bist du bei einer Familienfeier und sagst – nein, nicht jetzt! Aber dann gehst du doch. Bereut habe ich es in keinem Fall.“

Zu Beginn ihrer Tätigkeit war ihre Expertise in der Männerdomäne Rettungseinsatz noch ausbaufähig, was sich aber bald änderte: „Ich erinnere mich an Einsätze mit viel Mitgliedern der Feuerwehr und vielen Polizisten und der oberste Feuerwehrmann sagte, ihr horcht jetzt alle auf sie – also mich – und da dachte ich – oh, wow, es funktioniert!“

Im Gedächtnis bleiben ihr Auslandseinsätze wie in Algerien nach einem Erdbeben im Jahr 2003. Ganze Stadtteile waren dort eingestürzt. „Es sind verschüttete tote Menschen unter demselben Haus wie die Lebenden, die wir aufspüren sollten. Und wenn man dann sieht, der Hund kann das tatsächlich umsetzen, was wir jahrelang geprobt haben, da habe ich heute noch Gänsehaut. Denn das gibt die Motivation, es so viele Jahre hindurch zu machen.“ Eine Motivation, die sie und ihre Hunde wohl noch lange nicht verlassen wird.