Die Kammersängerin Christa Ludwig am Sonntag, 17. März 2013, anl. einer Matinee zu ihrem 85. Geburtstag in der Staatsoper in Wien
APA/GEORG HOCHMUTH
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Kultur

Opernstar Christa Ludwig gestorben

Die Sängerin Christa Ludwig ist im Alter von 93 Jahren gestorben. Die Mezzosopranistin zählte zu den großen Stimmen ihres Fachs im 20. Jahrhunderts und lebte in Klosterneuburg (Bezirk Tulln).

Am 14. Dezember 1994 hatte die gebürtige Deutsche als Klytämnestra mit ihrem 769. Auftritt in der Wiener Staatsoper ihren Bühnenabschied genommen. Allerdings bedauerte Ludwig ihre große Karriere auch nicht. Sie erkannte in ihren 2018 erschienenen Lebenserinnerungen „Leicht muss man sein“ (Amalthea Verlag) allerdings die Vorteile des Lebens nach dem Scheinwerferlicht, das sich zwischen der Tätigkeit als Lehrerin und ihrem Haus in Klosterneuburg abspielte: „[…] bis dahin hatte ich wie in einer Traumwelt gelebt.“

Man nannte sie eine „gottbegnadete Künstlerin“

Und so war Ludwig keine, die wehmütig zurückblickte. „Ich habe diese Seite meines Lebensbuches umgeschlagen und verließ mit leichtem Herzen und leichten Händen meinen Sängerberuf“, unterstrich die Künstlerin im Gespräch mit den beiden Autoren Erna Cuesta und Franz Zoglauer. Ludwig habe sich, „zum großen Unterschied von sehr vielen, nur einmal verabschiedet“, würdigte einst auch Direktor Ioan Holender in einer Staatsopernfestschrift zum 80. Geburtstag die klare Linie der „wahrhaftig gottbegnadeten Künstlerin“.

Dabei dürfte das Talent der am 16. März 1928 in Berlin geborenen Ludwig nicht nur von Gott, sondern auch von den Genen herrühren, war sie doch Tochter des Sängerpaares Anton Ludwig und Eugenie Besalla. Sie wuchs in Aachen und Hanau auf und versuchte sich unter der Obhut der Mutter schon bald an Koloraturarien. Als Achtjährige bewältigte Ludwig bereits die große Arie von Mozarts Königin der Nacht. In Aachen besuchte sie neben der Schule auch das Konservatorium, wo sie Unterricht in Klavier, Cello, Flöte und Musiktheorie erhielt. Gesang studierte sie jedoch ausschließlich bei ihrer Mutter.

Die österreichische Mezzosopranistin Christa Ludwig waehrend der Gala zu ihrem  75. Geburstag, am , 16. Maerz 2003 im Theater an der Wien
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Christa Ludwig während der Gala zu ihrem 75. Geburstag im März 2003 im Theater an der Wien

Wiener Staatsoper: 43 Partien in 769 Aufführungen

1946 debütierte Ludwig als Prinz Orlofsky in der „Fledermaus“ an den Städtischen Bühnen in Frankfurt am Main, wo sie bis 1952 als Altistin Mitglied des Ensembles war. Auch in den folgenden Jahren wurde sie noch bevorzugt als Altistin eingesetzt, bis sie ihre eigentliche Stimmlage im Mezzosopran fand. Dennoch unternahm sie immer wieder Ausflüge sowohl ins Alt- als auch ins Sopranfach und bewahrte sich ihre Liebe zur Koloratur. So sang sie zum Beispiel Partien wie die der Rosina in „Der Barbier von Sevilla“ oder der Angelina in „La Cenerentola“ von Gioacchino Rossini.

Nach weiteren Engagements in Darmstadt (1952 bis 1954) und Hannover holte sie Karl Böhm 1955 an die Wiener Staatsoper, wo sie insgesamt 43 Partien singen sollte. Seit ihrem ersten Auftritt bei den Salzburger Festspielen 1955 war sie dort ebenso Stammgast wie in Bayreuth und bei vielen anderen bedeutenden Musikfestspielen. Zwar war sie auch in der Deutschen Oper Berlin, der Grand Opera in Paris oder der Metropolitan Opera in New York zu Hause und absolvierte große Tourneen, ihre künstlerische Heimat blieb jedoch Wien.

Kundry, Venus, Leonore und Lady Macbeth

Ludwigs Repertoire umfasste die wichtigsten Alt- und Mezzosopranpartien von Mozart bis Bela Bartok, aber auch zahlreiche dramatische Sopranpartien. Zu ihren Glanzrollen zählten etwa die Marschallin im „Rosenkavalier“ von Richard Strauss, die Kundry in Richard Wagners „Parsifal“ und die Leonore in Ludwig van Beethovens „Fidelio“ oder Giuseppe Verdis Lady Macbeth. Daneben erwies sich Ludwig zunehmend als glänzende Liedinterpretin, insbesondere der romantischen und spätromantischen Werke von Schumann, Brahms und Mahler.

(v.l.) Intendant Thomas Angyan, Kammersängerin Christa Ludwig, Evi Angyan, Altbundespräsident Heinz Fischer und seine Gattin Margit Fischer am Montag, 6. Jänner 2020, im Rahmen des Festaktes anlässlich 150 Jahre Musikverein in Wien
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Anfang Jänner 2020 nahm Ludwig (2.v.l.) noch am Festakt anlässlich 150 Jahre Musikverein in Wien teil. Hier im Bild mit (v.l.) Intendant Thomas Angyan, Evi Angyan, Altbundespräsident Heinz Fischer und Gattin Margit Fischer

Und dabei nahm sich die Sängerin, die seit Ende 1971 in zweiter Ehe mit dem 2011 verstorbenen französischen Regisseur und Schauspieler Paul-Emile Deiber verheiratet war, nie ein Blatt vor den Mund, wie sich das für einen Kommandeur der französischen Ehrenlegion gehört, ein Titel den sie seit 2010 trug. Das zeigte sich auch in der #MeToo-Debatte, die Ludwig in einem „WAZ“-Interview kritisierte: „Die hässlichen Frauen sagen: ‚Och, bitte, me too!‘ Das alles ist so ein Quatsch.“ Sie selbst nutzte ihre Reize in ihrer Karriere durchaus, wie sie in ihrer Autobiografie klarstellte: „Ja, damals konnte man die Männer noch bezirzen. Zuerst haben sie gesehen und dann erst gehört. Später saßen dann beim Vorsingen auch Frauen. Das hatte ich gar nicht gern.“

Die Liste ihrer Auszeichnungen und Ehrungen ist lang: Bereits 1962 wurde sie zur Kammersängerin ernannt, 1981 wurde sie Ehrenmitglied der Wiener Staatsoper, von den Wiener Philharmonikern erhielt sie 1980 die Silberne Rose, von den Salzburger Festspiele wurde sie 2013 mit der Ehrennadel mit Rubin geehrt. Sie war u.a. Trägerin des Großen Silbernen Ehrenzeichens für Verdienste um die Republik Österreich (1994), wurde mit der Mozart-, Wolf- und Mahler-Medaille ausgezeichnet und war seit 2008 Ehrendoktor der Fryderyk-Chopin-Musikakademie Warschau. Nun ist diese markante Stimme der Opernwelt für immer verstummt.