Ganzkörperreliquie der heiligen Felicitas
Museum am Dom St. Pölten/Tobias Seebacher
Museum am Dom St. Pölten/Tobias Seebacher
Kultur

Museum: Reliquien, die „knöchernen Juwelen“

Das Museum am Dom in St. Pölten, das bisher Diözesanmuseum hieß, zeigt nach einer fast zweijährigen Schließung und umfangreichen Adaptierungsarbeiten seine erste Ausstellung, die den Titel „Himmlische Seelen. Knöcherne Juwelen“ trägt.

Das Museum am Dom spürt in seiner Eröffnungsausstellung „Himmlische Seelen. Knöcherne Juwelen“ der Entwicklung der Reliquienverehrung von der Frühzeit des Christentums bis in die Gegenwart nach „und stellt Fragen hinsichtlich des menschlichen Bedürfnisses nach konkreten Erinnerungsstücken“, heißt es auf der Website des Museums. Coronavirusbedingt wurde die für das Vorjahr geplante Ausstellung auf 2021 verschoben und wird nun nach dem Lockdown unter jenen Auflagen gezeigt, die für österreichische Kultureinrichtungen gelten.

Angekündigt sind wertvolle und seltene Exponate aus klösterlichen Sammlungen, Pfarrkirchen und Schatzkammern, die ein eindrucksvolles Bild gelebten Glaubens zeichnen sollen. Die Jahresausstellung schlägt auch eine Brücke in das 21. Jahrhundert: Zeitgenössische Beiträge und Auseinandersetzungen zu Ausstellungsexponaten und dem -thema wurden in einem Projekt mit der fünften Klasse des Wienerwaldgymnasiums in Tullnerbach (Bezirk St. Pölten) erarbeitet. Entstanden sind Kunstobjekte der Schülerinnen und Schüler als Schwerpunkt während des künstlerisch-bildnerischen Unterrichts, heißt es in einer Aussendung des Museums am Dom.

Der heilige Hippolyt
Ruth Brozek
Reliquienbüste des heiligen Hippolyt, um 1700, Domkirche St. Pölten

Der heilige Hippolyt als Namensgeber für St. Pölten

Zu sehen sind neben Objekten aus den Beständen des Museums am Dom Leihgaben u.a. aus der Stadtpfarrkirche St. Nikolaus in Hall (Tirol), der Basilika Maria Loreto in St. Andrä im Lavanttal (Kärnten), der Domkirche St. Stephan in Wien, der Basilika Sonntagberg (Bezirk Amstetten), der Schatzkammer Maria Taferl (Bezirk Melk), dem Stiftsmuseum Klosterneuburg (Bezirk Tulln) sowie Privatsammlungen.

Die Eröffnungsausstellung über Reliquien steht auch in einem Zusammenhang mit der Geschichte der einzigen österreichischen Landeshauptstadt mit einem Heiligen als Namensgeber: „Die räumliche Verortung des Schädelknochens des heiligen Hippolyt war maßgeblich für die Stadtgründung und die Ansiedelung des Klosters, dessen Gebäude heute Bischofssitz und Haupthaus der Diözese St. Pölten ist“, erklärt Barbara Taubinger, die Direktorin des Museums am Dom. Die Schau „Himmlische Seelen. Knöcherne Juwelen“ gehe somit ganz an den Beginn der Stadt- und Diözesangeschichte zurück, so die Historikerin.

Ganz selten zu sehen: Ganzkörperreliquien

Besonders sehenswert ist die Ganzkörperreliquie der heiligen Felicitas (Bild ganz oben). Sie war im zweiten Jahrhundert eine Märtyrerin. Normalerweise ist die Reliquie in der Basilika am Sonntagberg zu sehen. Etwas Besonderes ist auch eine Leihgabe aus Hall in Tirol: Ebenfalls eine Ganzkörperreliquie, und zwar des heiligen Tiburtius, der um 230 in Rom wegen seines Glaubens hingerichtet wurde. Das Besondere: Tiburtius ist sitzend dargestellt, was eher außergewöhnlich ist.

Ganzkörperreliquie des heiligen Tiburtius
Museum am Dom St. Pölten/Tobias Seebacher
Ganzkörperreliquie des heiligen Tiburtius, 18. Jhdt., Stadtpfarrkirche Hall in Tirol

Aus dem Jahr 1760 stammt ein Reliquienkreuz, in dem ein Splitter jenes Kreuzes enthalten ist, auf dem Jesus Christus gekreuzigt wurde. Oder eine Monstranz aus dem Benediktinerstift St. Paul im Lavanttal mit einer Reliquie des heiligen Bonifatius. Es gibt auch ein Reliquienfragment des Göttweiger Klostergründers Altmann zu sehen, ein Reliquiar aus Augartenporzellan mit einem Knochenstück des heiligen Johannes Nepomuk oder Monstranzen mit Reliquien der heiligen Barbara oder des heiligen Antonius von Padua.

Reliquien als Zeichen von Sehnsucht und Hoffnung

„Die Kostbarkeit der Reliquien ist vorrangig nicht im Materiellen begründet, sie basiert auf etwas darüber Hinausgehendem, nämlich auf dem Heil, das in ihnen ruht“, kann man in der Ausstellung im Museum am Dom lesen. Heilige sind nach christlicher Vorstellung Mittler zwischen Himmel und Erde. Sie waren Menschen aus Fleisch und Blut, die trotz großer Widerstände für ihren Glauben eingetreten und oft für ihre Überzeugungen gestorben sind. „Als Vorbilder wurden sie häufig schon zu Lebzeiten verehrt – ihre Kraft, gebündelt in den sterblichen Überresten, reicht allerdings weit über den Tod hinaus.“

Die Ausstellung stellt aber auch Fragen hinsichtlich des menschlichen Bedürfnisses nach konkreten Erinnerungsstücken („reliquiae“, lateinisch für „Zurückgelassenes“) . „Reliquien offenbaren nicht nur eine Geschichte der Ausdrucksformen des Glaubens, sondern auch eine Geschichte von Macht und Herrschaft, Identität und Zusammengehörigkeit, Sehnsucht und Hoffnung – und sind damit im 21. Jahrhundert aktuell wie eh und je“, heißt es in dem zur Ausstellung erschienenen Begleitheft.

Fotostrecke mit 8 Bildern

Ganzkörperreliquie der heiligen Felicitas
Museum am Dom St. Pölten/Tobias Seebacher
Ganzkörperreliquie der heiligen Felicitas, 2. H. 18. Jhdt., Pfarre Sonntagberg
Ganzkörperreliquie der heiligen Felicitas
Museum am Dom St. Pölten/Tobias Seebacher
Detail
Der heilige Tiburtius
Ruth Brozek
Reliquie des heiligen Tiburtius
Reliquienschädel sogenanntes Ursula-Köpferl
Museum am Dom St. Pölten/Tobias Seebacher
Reliquienschädel (sogenanntes Ursula-Köpferl), 1672, Stiftsmuseum Klosterneuburg
Ungefasste Reliquien
Museum am Dom St. Pölten/Tobias Seebacher
Ungefasste Reliquien
Reliquienausstellung Schülerarbeit
Museum am Dom St. Pölten/Tobias Seebacher
Carina Nahler (Wienerwaldgymnasium Tullnerbach), Alltägliche Heiligkeit
Reliquienausstellung Schülerarbeit
Museum am Dom St. Pölten/Tobias Seebacher
Fußspur Christi, 18. Jh., Museum am Dom St. Pölten (l.), Amelie Fürnsinn (Wienerwaldgymnasium Tullnerbach), Zeitgenössischer Fußabdruck (r.)
Der neue Zugang zum Museum am Dom Sankt Pölten
Ruth Brozek
Neuer Zugang zum Museum am Dom

„Reliquien sind Erinnerungsstücke, manchmal etwas ganz Kostbares, das einem Menschen wichtig war und was wir in Erinnerung halten. Und so nehmen wir mit diesem kleinen Zeichen gleichsam den Menschen uns ans Herz, auch wenn er jetzt gestorben ist, aber wissend, dass er uns Fürsprecher ist“, sagt Diözesanbischof Alois Schwarz.

Bischof Alois Schwarz: „Wir wollen im Dialog sein“

Das frühere Diözesanmuseum St. Pölten wurde 1888 gegründet und war das erste derartige Museum in Österreich. Unter der Patronanz des christlich-religiösen Kunstvereins in Niederösterreich erlebte es in seinen Anfängen eine reiche und vielfältige Sammeltätigkeit, wobei die Bestände von archäologischen Funden über historische Dokumente, Münzen und Medaillen bis zu Objekten der Malerei, Plastik und Kleinkunst aus allen Epochen reichen. Schwerpunkt der umfangreichen Sammlung ist die sakrale Kunst, die in ihrer gesamten Vielfalt – von Skulpturen, Gemälden, Altären, liturgischen Geräten und Kleidern – präsentiert wird.

Neues Museum am Dom

Das „Museum am Dom Sankt Pölten“ hat früher den Namen Diözesanmuseum getragen, und es zeigt nun nach einer längeren Schließung und umfangreichen Adaptierungsarbeiten die erste Ausstellung.

Ausstellungshinweis

„Himmlische Seelen. Knöcherne Juwelen“, bis 31. Oktober 2021, Museum am Dom, St. Pölten, mittwochs und freitags 10.00 bis 17.00 Uhr, donnerstags 10.00 bis 19.00 Uhr, samstags 10.00 bis 16.00 Uhr und sonn- und feiertags 11.00m bis 16.00 Uhr

Direktorin Barbara Taubinger erklärte zum früheren Namensbestandteil „Diözesan“, dieses Wort werde heute nicht mehr unmittelbar verstanden, zudem „grenzt es massiv ein, was wir kuratieren, zeigen, verbinden können“.

Die Kernaufgabe kirchlicher Museen sieht sie im Vermitteln von sakralen Inhalten über kulturelle Zugänge: „Das Lesen von kirchlicher Kunst muss heute neu gelernt, Codes neu entziffert werden.“ Als Historikerin und Kunsthistorikerin ist Taubinger einerseits der Dialog mit einem breiten Publikum, andererseits die Vernetzung mit städtischen und niederösterreichischen, aber auch internationalen Kulturschaffenden ein großes Anliegen.

Bischof Alois Schwarz zeigt sich erfreut über den neuen Namen und das neue Konzept: „Mit einem kirchlichen Museumsbetrieb geht auch ein seelsorgerischer Aspekt einher. Wir wollen als Kirche in der Gegenwart für die Gegenwart wirken, wir wollen im Dialog und relevant sein.“