Otto M. Zykan
Irene Suchy
Irene Suchy
Kultur

Otto M. Zykan, der aufmüpfige Komponist

Am 25. Mai vor 15 Jahren ist Komponist Otto M. Zykan in Sachsendorf (Bezirk Tulln) gestorben. Er sorgte mit seinen unkonventionellen Kompositionen für Aufsehen und Irritation. Seine „Staatsoperette“ rief einen der größten Kulturskandale Österreichs hervor.

Am Musikwissenschaftlichen Institut der Universität Wien wurde Otto M. Zykans Kunst einmal als „die wundersame Welt der Sprachmusik“ bezeichnet. Diese Definition hat bis heute Gültigkeit. Kein anderer österreichischer Komponist oder Performancekünstler hat in ähnlicher Weise den Rhythmus, die Melodie, den Sinn und die Muster der Sprache so virtuos mit der so genannten „Neue Musik“ des 20. Jahrhunderts verwoben wie Zykan. Heute würde man von „Wordraps“ sprechen, und doch träfe dieser Begriff zu kurz.

Zykan begann, wie die allermeisten Nachkriegskomponisten, mit der Schaffung von Werken in der Nachfolge Arnold Schönbergs im seriellen Stil. Doch schon bald löste sich der Schiske-Schüler von seinen Vorbildern und trat als Schöpfer heterogener musikalischer Werke sowie dadaistisch geprägter Sprach- und Verskunst hervor. Ihn interessierte nicht nur die Erfindung von Musik, sondern auch die metamusikalische Ebene: das Ritual der musikalischen Aufführung, die musikalische Struktur von sprachlichen Werken, das Theatralische von Musik, der Schaffensprozess des Komponierens, die Reflexion über musikalisches und literarisches Schaffen.

Erste Schallplattenproduktion mit sechs Jahren

Am 29. April 1935 wird Otto M. Zykan in Wien geboren. Als Kind einer musikalischen Familie bekommt er ab 1939 Klavierunterricht bei seinem Vater, der selbst Komponist ist. Wenig später erhält er zusätzlichen Klavierunterricht bei der Großmutter väterlicherseits. Schon zu Weihnachten 1941 spielt der sechsjährige Otto M. Zykan gemeinsam mit seiner Schwester Luise eine erste Platte mit Bachs „Zweistimmiger Invention“ ein.

Sein „opus 1“ wird anlässlich des Muttertags 1942 komponiert und am Klavier vorgetragen. Am 1. Oktober 1945 tritt Otto M. Zykan den Wiener Sängerknaben bei, kein Jahr später erfolgt bereits wieder der Austritt. In der Schule wird der Klavierunterricht fortgesetzt und ab dem Schuljahr 1946/47 ist Zykan Student der Wiener Akademie für Musik. Er studiert bei Karl Schiske. Zu seinen Schülern zählen Erich Urbanner, Iván Eröd, Gösta Neuwirth, Kurt Schwertsik, Otto M. Zykan, Charles Boone und Luca Lombardi.

Beginn der Staatsoperette

Erste Szene der „Staatsoperette“, die im Gesamten für Aufsehen sorgte

„Die Staatsoperette“ als bleibendes Erinnerungsstück

Wer sich an Zykan erinnert, erinnert sich fast im gleichen Atemzug an die „Staatsoperette“, die der Komponist gemeinsam mit dem Regisseur Franz Novotny als ORF-Produktion am 30. November 1977 ins Fernsehen brachte. Dieser Film löste einen der größten Kulturskandale der Zweiten Republik aus. Bereits im Vorfeld der Ausstrahlung schrieben Journalisten und Fernsehzuschauer heftige Protestnoten. Der Film wurde im Vorfeld in beispielloser Weise skandalisiert. Systematisch wurde der Öffentlichkeit ein Eklat suggeriert. Das Bemerkenswerte daran ist, dass die Entrüstung auf einem Gerücht basierte.

Novotny und Zykan im „Club 2“

Novotny und Zykan müssen sich im „Club 2“ für ihr Kunstwerk rechtfertigen

Novotny und Zykan thematisierten darin die Phase zwischen dem Ende des Ersten Weltkriegs und den Februarkämpfen 1934 in Form einer Operetten-Persiflage auf bissig-kritische und karikaturhafte Weise, wie man sie in der bildenden Kunst aus Zeichnungen von Otto Dix kennt. Grund der Empörung konservativer Kreise war vor allem die Tatsache, dass so ein ernstes Thema wie die „Katastrophenzeit der Ersten Republik“ als Operette entstand. Bevor überhaupt jemand dieses Kunstwerk gesehen hatte, wurde es nach bloßem Hörensagen, in verdächtig kanonischer Sprachregelung, als „Machwerk“ vorverurteilt. Beim ORF ging eine Bombendrohung ein.

Der Wort- und Klangkünstler in der Werbung

Ein interessantes Gedankenspiel wäre, ob die Werbe-Kampagne, wie sie in den 1970er-Jahren die Schuhmarke „Humanic“ in Kooperation mit Otto M. Zykan kreierte, heute noch solche Irritationen und Diskussionen auslösen würde wie damals, als das Fernsehen und die Werbung noch sehr bieder daherkamen. Jedenfalls war die Kampagne ein voller Erfolg und „Franz“ in aller Munde.

Franz, die Humanic-Werbung

Ein österreichischer Klassiker der Werbegeschichte

In den letzten Jahrzehnten schuf Zykan Werke mit Video-Performances für Festivals, wie etwa zur Linzer Klangwolke, zu den Wiener Festwochen oder für die Eröffnung des Landesmuseums in Sankt Pölten, Kammermusik sowie Bühnenmusik für das Burgtheater Wien, sowie zuletzt das im Dezember 2005 von Heinrich Schiff und den Wiener Philharmonikern unter Zubin Mehta uraufgeführte Konzert für Violoncello und Orchester mit dem Titel „Beethovens Cello“. Seine „Staatsoperette“ wurde auch im Festspielhaus Sankt Pölten konzertant zur Aufführung gebracht. 2003 komponierte er die Musik zu Nestroys Höllenangst für die Nestroy-Spiele Schwechat.