Gerhard Ruiss 2018
APA/Hans Punz
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Kultur

Dichter und Kämpfer: Gerhard Ruiss wird 70

Gerhard Ruiss feiert am Samstag seinen 70. Geburtstag. Der aus Ziersdorf (Bezirk Hollabrunn) stammende Autor hat sich einen Namen als Lyriker, literarischer Standesvertreter und unermüdlicher Streiter für die Anliegen der Kulturszene gemacht.

Nur wenige Tage vergehen, an denen sich Gerhard Ruiss nicht zu Wort meldet: In der Coronavirus-Pandemie, als wie in vielen anderen Bereiche auch in der Kultur dichtgemacht wurde, kamen beharrlich und verlässlich Ein- und Widersprüche, Aussendungen und Einwendungen von dem seit 1982 amtierenden Geschäftsführer der Interessensgemeinschaft (IG) Autorinnen Autoren.

Mit seiner Erfahrung ist er seit Jahrzehnten kenntnisreicher Verhandlungspartner von Kulturpolitikern jeglicher Couleurs, für seine Kolleginnen und Kollegen meist die erste Anlaufstelle, wenn es gilt, Solidaritätsaktionen zu organisieren, Protest zu erheben oder Offene Briefe zu schreiben. Dabei geht es nicht nur um Autoren- und Urheberrechte, Verlagswesen und Buchmarkt – wo er unbestritten zu den führenden heimischen Experten zählt – sondern auch um Weltkulturerbe-Angelegenheiten, Impfpläne und Lockdown-Regelungen, um die Deutschmatura, den Funkhaus-Wien-Verkauf, die Flüchtlingspolitik oder verfolgte Literaten und Journalisten in aller Welt.

Ein unermüdlicher Aktiver

Gerhard Ruiss wurde am 29. Mai 1951 in Ziersdorf geboren, absolvierte an der Österreichischen Staatsdruckerei eine Schriftsetzerlehre und arbeitete als Reproduktionsfotograf. Seit 1978 ist er freiberuflicher Schriftsteller und Musiker. Zu seinem mit zahlreichen Auszeichnungen bedachten Oeuvre zählen etliche Gedichtbände und Songtexte, aber auch Hörspiele und Stücke. Vom Musiker Gerhard Ruiss erschienen zwei CDs mit Nachdichtungen des Schweizer Chansonniers Mani Matter. 2011 brachte der Folio Verlag die drei Bände mit seinen Nachdichtungen der Lieder von Oswald von Wolkenstein in einer gemeinsamen Ausgabe heraus.

Gerhard Ruiss 2013
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Gerhard Ruiss

Seinen 2005 erschienenen „Kanzlergedichten“ ließ er 2017 „Kanzlernachfolgegedichte“ folgen, bei denen er jeweils aktuelle politische Ereignisse, Medienberichte oder Aussagen zum Anlass nahm, um angedeutete Dinge weiterzuspinnen, näher zu untersuchen oder zu entlarven.

dynamo

streckt die schnecke
erst einmal ihre fühler aus
ist noch lang nichts los.

(Aus: lieber, liebste, liebes, liebstes. Andichtungen, Literaturedition NÖ, 2021)

Es folgten weitere Bände wie „Schundlyrik“ (2018). Sein in der Literaturedition Niederösterreich erschienener jüngster Lyrikband „lieber, liebste, liebes, liebstes“ (der am 1. Juni im Literaturhaus Wien präsentiert wird) nimmt persönliche und allgemeine Anreden, Vorlieben und Behauptungen zum Ausgangspunkt.

Von Beginn an war er in der IG Autorinnen Autoren engagiert. Auch in der Grazer Autorenversammlung, der österreichischen UNESCO-Kommission und der Literar-Mechana bekleidet(e) er Funktionen. Seit Mitte der 1980er-Jahre erschienen auch wichtige von Ruiss initiierte bzw. herausgegebene kulturpublizistische Veröffentlichungen wie „Handbuch Literarisches Leben in Österreich“, „Handbuch für Autoren und Journalisten“ oder das „Weißbuch zur Reform der Kulturpolitik in Österreich“. Als Lehrbeauftragter war er an den Universitäten Wien, Salzburg und Innsbruck tätig. 2012 wurde Gerhard Ruiss der Professorentitel verliehen, 2016 bekam er den Würdigungspreis des Landes Niederösterreich für Literatur, bereits 1977 und 1987 hatte er Anerkennungspreise des Landes für Literatur erhalten.

Er geht „in präziser Äußerung auf soziale Zustände“ ein

Als ihm vor einem Jahr der H.C.Artmann-Preis zuerkannt wurde (dessen Überreichung coronavirusbedingt bisher ausgesetzt werden musste und erst am 14. Juni abgehalten werden kann), hieß es in der Jury-Begründung u.a.: „In präziser Wahrnehmung und Äußerung geht die Dichtung von Gerhard Ruiss auf soziale Zustände ein, auf Beziehungen zwischen Privatem und Politischem, auf Sprachmasken. In konsequenter Manier findet Ruiss adäquate Klang-Formen der Verknappung und Rhythmisierung, auch im Dialekt.“