Neubau in Schwechat
ORF/Pöchhacker
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Umwelt & Klima

Bausperre: Vom Übergang zum Dauerzustand

Gemeinden rund um Wien wollen langsamer und weniger wachsen, viele verhängen deswegen Bausperren. Der Zuzug ist aber weiter hoch, was die Preise in die Höhe treibt. Expertinnen und Experten mahnen zur Vorsicht.

Eine Bausperre beschränkt das Bauen, verbietet es aber nicht komplett. In Ebreichsdorf (Bezirk Baden) dürfen unter der aktuellen Bausperre im Zentrum sechs Wohnungen pro Grundstück gebaut werden. Für viele Investoren und Bauträger ist das aber nicht lukrativ genug, einige Großprojekte wurden also gestoppt.

„Investoren, Bauträger, die müssen jetzt warten, bis die Gemeinde entscheidet, welche Einschränkungen es geben wird, oder sie bauen. Dass es Bausperre heißt, ist eigentlich irrtümlich, aber es bedeutet, dass das Bauen auf ein Minimum reduziert wird“, sagt Bürgermeister Wolfgang Kocevar (SPÖ). Die Gemeinde ist die entscheidende Baubehörde in einem Ort.

Preise für Bauland

  • Niedrigster Preis: 7,7 Euro/Quadratmeter in St. Martin (Bezirk Gmünd)
  • Teuerster Preis: 707 Euro/Quadratmeter in Perchtoldsdorf (Bezirk Mödling)
  • Durchschnittspreis in NÖ: 80 Euro/Quadratmeter

Quelle: Statistik Austria, ÖROK

Boden wird immer wertvoller

Von den Bausperren erhofft man sich, Ebreichsdorf gesteuerter und kontrollierter wachsen lassen zu können. Investoren und der starke Zuzug – 170 neue Einwohnerinnen und Einwohner zählt der Ort jährlich – haben die Grundstückspreise in die Höhe steigen lassen. 180 Euro kostet ein Quadratmeter Bauland in Ebreichsdorf, um ein Drittel mehr als 2015. Da werde es für Einheimische, die bauen möchten, schon schwer, so Kocevar.

„Diese Einfamilienhäusergrundstücke waren früher zwischen 600 und 1.000 Quadratmeter groß. Nachdem die Grundstücke immer teurer werden, bleibt oft nichts anderes übrig, als kleiner zu bauen oder mehrere Wohneinheiten zu errichten“, sagt Kocevar. Durch große Wohnhauskomplexe gehe aber nach und nach der dörfliche Charakter verloren. Zudem müsse in Folge viel für die Infrastruktur gebaut werden, auch da sei es für Gemeinden schwer, Schritt zu halten.

Wohnsiedlung in Schwechat
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Wohnhaus an Wohnhaus reiht sich in Schwechat auf den ehemaligen Brauereigründen aneinander

Schwechat: 4.000 Einwohner mehr in fünf Jahren

In Schwechat (Bezirk Bruck an der Leitha) sind auf den ehemaligen Brauereigründen mittlerweile 600 von 840 Wohnungen bezogen, sagt Bürgermeisterin Karin Baier (SPÖ). Durch mehrere Bauträger sei ein eigener Stadtteil entstanden, für den es keine Gesamtplanung gegeben habe. „Wir haben das infrastrukturelle Problem, dass wir in den letzten Jahren fünf Kindergärten gebaut oder erweitert haben und jetzt gerade die Volksschule, die dreimal so groß wird wie die frühere. Das zieht sich weiter über Wasser, Kanal, Internet – alles, was es bei 860 Wohneinheiten hier und noch für viele weitere in anderen Regionen der Stadt braucht.“

Grund und Boden

Der Bodenverbrauch ist einer der größten Treiber der Klimakrise. Der ORF Niederösterreich widmet sich in einem Schwerpunkt jeden Samstag verschiedenen Aspekten des Bauens, Wohnens und der Bodenversiegelung.

Um solche großen Projekte besser zu kontrollieren, gibt es in Schwechat nun etwa 15 Bausperren quer über das Gemeindegebiet. Gebaut werden dürfen dort zwei Wohnungen pro Grundstück. Für Bauland wird immer mehr verlangt. Etwa 300 Euro pro Quadratmeter zahlt man derzeit, ein Fünftel mehr als 2015. „So wirklich freie Flächen sind kaum mehr verfügbar und bei den Grundstückspreisen, wie sie derzeit gehandelt werden, kaum leistbar“, sagt Bürgermeisterin Baier.

Bausperren als Bevölkerungsbremse

Sofern bereits ein Haus auf einem Grundstück steht, darf es unter der Bausperre nur mehr um eine zusätzliche Wohneinheit erweitert werden. Seit 2015 verhängt und verlängert die Gemeinde immer wieder Bausperren. Rechtlich gelten diese für maximal drei Jahre und sind eigentlich dazu gedacht, die Zeit bis zum neuen Flächenwidmungs- oder Bebauungsplan zu überbrücken. In der Praxis verwenden sie Gemeinden jedoch als Schutz vor Immobilieninvestoren und als Zeitpolster, um die Infrastruktur aufzurüsten.

„Das langfristige Ziel sollte im Flächenwidmungsplan oder Bebauungsplan festgehalten werden und die Bausperre ist nur die Übergangslösung, bis die langfristige Planung abgeschlossen ist“, sagt Barbara Steinbrunner im Gespräch mit noe.ORF.at. Sie ist Universitätsassistentin am Institut für Raumplanung an der Technischen Universität Wien. Das Problem, wenn über lange Zeit nur wenige Wohnungen pro Grundstück erlaubt sind: Für wenige Menschen wird vergleichsweise viel Boden versiegelt.

Wohnhausanlagen: Infrastruktur frisst Fläche

„Also effizient ist natürlich beim Flächensparen, wenn mehr Wohneinheiten mit mehr Personen auf wenig Fläche leben. Es muss aber zur Gemeinde passen. Es gibt ländliche Bereiche, wo großvolumige Bauten weniger in die Siedlungsstruktur oder in das gesamte Gebiet passen. Das muss im Einklang stehen“, so Steinbrunner. Denn ist die Raumplanung des Ortes nicht auf große Wohnhäuser ausgerichtet, dann wird wiederum viel Boden für die nötige zusätzliche Infrastruktur – Parkplätze, Kindergärten, Schulen – versiegelt.

Zu viele Bausperren würden zu Problemen in der Praxis führen, so Steinbrunner: „Da muss man den Überblick behalten können. Ein Flächenwidmungs- oder Bebauungsplan für kleine Bereiche, das kann ein Jahr dauern, aber das ganze Gemeindegebiet oder Katastralgemeinden, da dauert die Erhebung lange – die Umsetzung, die Prüfung, die Beschlussfassung. Da entstehen dann Konflikte wegen unterschiedlicher Interessen.“

Den Bodenverbrauch könnten Gemeinden trotz des Dilemmas der Bausperren aber reduzieren, so Steinbrunner. Der Bau von Einfamilienhäusern sollte nicht mehr forciert werden, die Raumplanerin empfiehlt zum Schutz der Böden Mehrgenerationenhäuser oder das Nachverdichten von Einfamilienhäusern. Auch Tiny Houses seien im Trend.