Die Nachtwächter versammeln sich im Halbkreis
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Kultur

Nachtwächter sind sich selbst auf der Spur

„Licht aus – Lampen an!“ hat es am Wochenende in Weitra (Bezirk Gmünd) geheißen. Die deutschsprachige Nachtwächtergilde präsentierte dabei ihre heutigen Aufgaben. Seit dem Mittelalter hat sich zwar einiges verändert, Nachtwächter gibt es aber immer mehr.

Das Bild des Nachtwächters kommt aus dem Mittelalter. Früher haben sie die Stadt kontrolliert, zur vollen Stunde das Stundenlied gerufen, überprüft, ob die Stadttore verschlossen sind oder auch den einen oder anderen Betrunkenen bzw. den einen oder anderen aus einem „lichten Frauenzimmer“ in den Kerker gebracht, erzählt Ernest Zederbauer, Nachtwächter zu Weitra. Von diesen Aufgaben sind die Nachtwächter bereits befreit, heutzutage sind sie vor allem eines: originelle Touristenführer.

Die Nachtwächter stehen auf einem Kopfsteinpflaster
ORF/Johannes Reiterits
Die Nachtwächter sind noch immer bewaffnet. Heutzutage dient die Pieke aber nurmehr als authentisches Erkennungszeichen.

Sie wandern noch immer durch die dunklen Gassen und Gemäuer ihrer Städte, mit Pieke, Uniform und Laterne – nur mit Gästen im Schlepptau, wie der Gildemeister (also sozusagen der Chef der Nachwächter) Heinz Wellmann erklärt: „Wir geben die Historie der einzelnen Städte wieder. Und es ist eigentlich für den Gast, wenn er eine Stadt besucht, immer wieder interessant zu hören, wie denn die Wächter der Nacht in der damaligen Zeit durch die Gassen gingen und was sie erlebt haben.“

Türmer, Wächter, Historiker

Nachtwächter ist nicht gleich Nachtwächter. Wenn man sich das Berufsbild aus den vergangenen Zeiten etwas genauer ansieht, dann findet man Unterschiede. Während die traditionellen Nachwächter eher auf die Städte aufgepasst haben, gab es zum Beispiel auch noch die sogenannten Türmer. Sie waren vor allem für Gotteshäuser zuständig und lebten in den Türmen der Dome und Kirchen, wo sie auch einen guten Überblick über die Stadt hatten.

Zwei Nachtwächter unterhalten sich
ORF/Johannes Reiterits
So unterschiedlich wie die Aufträge der Nachtwächter im Mittelalter waren, so unterschiedlich ist auch ihr Arbeitsgewand

Horst Ragusch ist der Türmer des Stadtpfarrturms der Pfarrkirche Klagenfurt-St. Egid in Kärnten und zugleich das südlichste Mitglied der Nachwächtergilde: „Ich bin der letzte Türmer in Österreich und die erste Anlaufstelle für Touristen, die zu uns auf den Turm kommen. Wir machen oben und rund um den Stadtpfarrturm Führungen, wir haben etwa 30 Veranstaltungen im Jahr, von Workshops bis zu Yogakursen für Kinder. Und ich erzähle die Geschichte der Türmer, die ein sehr armes Leben geführt haben.“

Authentische Geschichtenerzähler

Egal ob Nachtwächter oder Türmer, alle haben eines gemeinsam: Sie sind Geschichtsexperten in ihrem Gebiet. Wohl kaum jemand kann die Geschichte der alten Gemäuer so gut und authentisch erzählen, wie die Mitglieder der Nachtwächtergilde. Oft sind sie ehrenamtlich für ihre Heimatgemeinden im Einsatz. Für die Nachwächtergilde erfreulich ist der Umstand, dass es immer mehr Nachwächter gibt, die ihre Gäste durch die Städte führen.

In Weitra hatten sich an diesem Wochenende 27 Mitglieder am Rathausplatz versammelt. „Vor allem Nachtwächter aus Deutschland und Österreich“, sagt Zederbauer: „Von Bludenz bis nach Hainburg ist jeder und jede vertreten, die Rang und Namen hat.“ Und einer war sogar 950 Kilometer von der Grenze zu Holland angereist